Die Regierung soll als Konsequenz eines Urteils des Verfassungsgerichts (2 BvE 3/07) dem BND-Untersuchungsausschuss bislang vorenthaltene Akten noch vor der Bundestagswahl aushändigen. Max Stadler als FDP-Obmann in dem Gremium sagte am Mittwoch, 26. August 2009, bei einer Plenardebatte, im Interesse einer weiterhin nötigen und bis zum Ende der Legislaturperiode auch möglichen Aufklärungsarbeit könne die Regierung diesem Ansinnen nachkommen, selbst wenn ein Antrag der liberalen Fraktion ( 16/13865) mit dieser Forderung an die Adresse der Regierung keine Mehrheit fand. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU/CSU) erklärte hingegen, dieses Verlangen laufe ins Leere, da das Gremium seine Tätigkeit beendet habe und nicht mehr existiere: "Der "Markt hat sich verlaufen." Alle fünf Fraktionsobleute im Ausschuss begrüßten es, dass Karlsruhe die Kontrollrechte des gesamten Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt habe.
Der Ausschuss sollte die Rolle der seinerzeitigen Regierung und deutscher Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf nach dem 11. September 2001 durchleuchten. Aufgrund einer Klage von FDP, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen befanden die Verfasssungsrichter, dass die Regierung die Arbeit des Gremiums durch das Zurückhalten oder Unkenntlichmachen von Akten und durch die Beschränkung von Aussagenehmigungen für Zeugen grundgesetzwidrig behindert habe. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Regierung die Beschränkung der Informationsweitergabe pauschal mit dem Hinweis auf den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" oder das "Staatswohl" rechtfertige. Vielmehr sei es erforderlich, die Nichtweitergabe von Informationen im Einzelfall präzise zu begründen.
Kauder kritisierte, bei der Plenardebatte würden "Schaufensterreden" gehalten. Das Karlsruher Urteil werde zwar die Tätigkeit künftiger Untersuchungsausschüsse beeinflussen. Das Verfassungsgericht habe jedoch keinen Auftrag an die Regierung formuliert, dem seitherigen Gremium nun sämtliche Akten auszuhändigen. Das Urteil sei vielmehr eine "Handlungsanleitung" für die Regierung für den Umgang mit Beweisanträgen von Untersuchungsausschüssen, so der CDU-Abgeordnete, Sperrerklärungen müssten im Einzelfall begründet werden.
Aus Sicht Stadlers hat die Opposition in Karlsruhe mit der Stärkung der Kontrollrechte des Bundestags gegenüber der Regierung eine "epochale Entscheidung" erwirkt. Die Bedeutung des Urteils reiche weit über den BND-Ausschuss hinaus. Der FDP-Politiker kritisierte, dass die Opposition diesen Spruch allein und ohne die Hilfe von Union und SPD habe erstreiten müssen. Während der Ausschussarbeit habe sich gezeigt, dass in Zeiten einer Großen Koalition die großen Fraktionen als Kontrollinstanzen der Regierung ausfielen.
Für Prof. Dr. Norman Paech von der Linkspartei ist der Karlsruher Spruch eine "schallende Ohrfeige" für die Regierung und die Koalitionsfraktionen. Im Ausschuss sei die Opposition "immer wieder an der Geheimniskrämerei der Regierung aufgelaufen", Widerstand sei auch von den Fraktionen von Union und SPD gekommen. Paech bezeichnete es als "beschämenden Abschied von der 16. Legislaturperiode", dass sich der Bundestag trotz des Verfassungsgerichtsurteils einer Fortsetzung des Untersuchungsausschusses verweigere. Diese Forderung sei "kein Klamauk".
Hans-Christian Ströbele (Grüne) bedauerte es, dass die FDP den von der Linken und seiner Fraktion geplanten Antrag auf Einsetzung eines zweiten BND-Ausschusses nicht unterstützt habe. Linke und Grüne haben ihre Vorlage deshalb auch nicht ins Plenum eingebracht. Aus Sicht Ströbeles bestätigt die Karlsruher Entscheidung, dass die Regierung "über viele Jahre die Verfassung gebrochen hat" und Akten immer noch zurückhalte. Der Grünen-Abgeordnete warf Union und SPD vor, in keiner Weise die Bemühungen der Opposition unterstützt zu haben, obwohl es um mehr Rechte für das gesamte Parlament gegangen sei.
Stadler begründete die Absage der FDP an einen neuen Ausschuss mit dem Hinweis, die Koalition könne dessen Arbeit in der verbleibenden knappen Zeit verzögern.
Auch Michael Hartmann (SPD) und Dr. Kristina Köhler (CDU/CSU) begrüßten die Stärkung der parlamentarischen Kontrollrechte. Es sei jedoch offen, so Hartmann, ob nun die Herausgabe von mehr Akten und erweiterte Aussagegenehmigungen für Zeugen zu erwarten seien. Da die Regierung Beschränkungen fortan jedoch näher begründen müsse, könnten Abgeordnete aber kritischer nachfragen. Der SPD-Politiker meinte, auch in Zukunft dürfe die Aufklärungsarbeit in Untersuchungsausschüssen nicht dazu führen, dass Deutschland von Informationen befreundeter Geheimdienste abgeschnitten werde. Angesichts der begrenzten Zeit und des komplizierten Procederes mache die Neuauflage des BND-Ausschusses keinen Sinn, "das wäre nur Klamauk".
Die Union habe nichts dagegen, so Köhler, wenn bei den Themen des Gremiums wie dem Einsatz des BND im Irak-Krieg noch neue Fakten auf den Tisch kämen. Dies gehe aber "nicht hopplahopp", in ein bis zwei Sitzungen könne man nicht gründlich Akten prüfen und Zeugen befragen. Ein ernsthaft arbeitender Untersuchungsausschuss könne erst nach der Wahl eingerichtet werden. Die CDU-Abgeordnete verwies darauf, dass Karlsruhe die Stärkung der parlamentarischen Kontrollrechte unter anderem damit begründet habe, neben der Regierung könne auch der Bundestag für die Geheimhaltung entsprechender Informationen sorgen. Dann müsse man aber die nötigen Vorkehrungen treffen. In der Vergangenheit sei immer mal wieder Vertrauliches in die Medien gelangt, kritisierte Köhler.