"Sechzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und zwanzig Jahre nach Überwindung der Teilung haben wir in ganz Deutschland nicht nur Frieden, Stabilität und Wohlstand. Wir haben endlich Einigkeit und Recht und Freiheit. Im Glanze dieses Glücks können wir voller Dankbarkeit dieses Fest feiert." Mit diesen Worten schloss Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert seine Ansprache in der Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Bundestages. Im ehemaligen Plenarsaal in Bonn, dem heutigen World Conference Center, hatten sich am Montag, 7. September 2009, ehemalige und aktive Bundestagsabgeordnete versammelt, um an die erste Sitzung des Ersten Deutschen Bundestages am 7. September 1949 zu erinnern.
Unter den Gästen begrüßte Lammert neben Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler und den Spitzen der Verfassungsorgane auch frühere Bundestagspräsidenten und -vizepräsidenten sowie die "ehemaligen Kolleginnen und Kollegen", denen er Dank und Respekt aussprach: "Wir, die heute Verantwortung tragen, stehen auf dem festen Boden, den Sie bereitet haben." Ein weiterer Gruß galt den Botschaftern, dem diplomatischen Corps sowie der Bonner Oberbürgermeisterin Barbara Dieckmann verbunden mit dem Dank dafür, dass Bonn dem Bundestag "50 Jahre einen wenig spektakulären, aber würdigen Sitz" geboten habe. Stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung begrüßte Lammert schließlich den langjährigen Saaldiener Karl-Heinz Schmitt, der als 20-Jähriger für 75 Pfennige in der Stunde als Hilfsmonteur angefangen habe und 1991 als Platzmeister im Plenarassistenzdienst in den Ruhestand trat.
Der Schauspieler Wolfram Koch las anschließend eine Passage aus dem 1953 erschienenen Roman "Das Treibhaus" von Wolfgang Koeppen, in dem die Atmosphäre der Anfangsjahre der Bonner Republik aus der Sicht eines fiktiven Bundestagsabgeordneten zum Ausdruck gebracht wird. Es folgte ein Jazzmedley, gespielt vom Jazzquartett Julian und Roman Wasserfuhr.
Norbert Lammert erinnerte in seiner Ansprache an diese Anfangsjahre, in denen das Grundgesetz den Deutschen Bundestag zu einem "starken Parlament" gemacht habe. Eine "beispiellose Zeit des Friedens, der Freiheit und des wirtschaftlichen Aufschwungs und Wohlstands" habe damals, wenn auch zunächst nur im Westen des Landes, begonnen. Die guten ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen dürften aber nicht für eine Selbstverständlichkeit gehalten werden, denn dies sei "nicht der Regelfall der deutschen Geschichte", sondern die "seltene, aber glücklicherweise nun seit Jahrzehnten stabile Ausnahme".
"Wir haben daher allen Grund dazu, stolz auf dieses Parlament und unsere inzwischen sechzigjährige parlamentarische Tradition zu sein und selbstbewusst in die Zukunft zu blicken", sagte der Präsident. Die Erfolgsgeschichte sei auch den politischen Parteien zu verdanken. Ihr Beitrag zur Artikulation von Interessen und zur Konsensbildung der Gesellschaft verdiene mehr Anerkennung, als dies in der Öffentlichkeit geschehe.
Breiten Raum in Lammerts Rückblick auf die vergangenen sechzig Jahre nahm die Rolle Bonns ein. Die Bezeichnung "Bonner Republik" sei zu einem Qualitätsmerkmal im In- und Ausland geworden. Die Bonner Jahre hätten diese Republik geprägt und prägten sie noch heute. "Es ist deswegen nicht erstaunlich, dass Verfahren und Stil der Bonner Republik ohne jede substantielle Änderung auch nach Berlin übertragen wurden." Bonn sei nicht Weimar, und Berlin sei in mancherlei Hinsicht Bonn geblieben, sagte Lammert: "Das eine ist so beruhigend wie das andere."
Ebenso würdigte der Präsident den Einsatz der vielen Tausend Menschen in der damaligen DDR, die in einer "beispiellosen, unblutigen Revolution politische Bevormundung und Entmündigung" überwunden hätten. Mit der "souveränen Entscheidung der ersten freigewählten Volkskammer, dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beizutreten", hätten sie erstmals in der Geschichte der Deutschen individuelle Freiheit und staatliche Einheit in einem demokratischen Rechtsstaat zusammen möglich gemacht.
Nach sechzig Jahren, so Norbert Lammert, dürfe man dankbar feststellen, dass sich die "kühnen Hoffnungen" des Alterspräsidenten des Ersten Deutschen Bundestages und langjährigen Reichstagspräsidenten Paul Löbe auf eine "stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben" erfüllt hätten.
Die Feierstunde schloss mit der Nationalhymne.