Der Niederrheiner, sagt der scheidende Abgeordnete Willy Wimmer (CDU/CSU), sei verlässlich, ruhig und Extremen abhold. Der 66-jährige Jurist aus Mönchengladbach vertritt seit 33 Jahren als direkt gewählter Abgeordneter den nördlichen Niederrhein in der Hauptstadt.
Zu seinem Wahlkreis gehören Städte wie Jüchen, Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch. Doch niederrheinische Gemütlichkeit hat er im Parlament nicht verbreitet. Seitdem er quer zur Fraktionsmeinung gegen die Auslandseinsätze im Kosovo, Irak und in Afghanistan gestimmt hat, gilt er als unbequem und widerständig.
Das war nicht immer so. Im Dezember 1988, ein Jahr vor der Wende, holt der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl den aufstrebenden Außen- und Sicherheitspolitiker als Staatssekretär ins Verteidigungsministerium. In dieser Position gestaltet er das Zusammenwachsen von Ost und West.
Mit seinem damaligen ostdeutschen Kollegen vereinbart er noch vor dem Zustandekommen des Einigungsvertrages die Integration der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr. „Und das ist auch genau so gekommen“, erzählt er stolz. „Diese Zeit war nicht mehr zu überbieten durch andere Ereignisse. Die Erfahrungen reichen aus für fünf Leben.“
Im Juni 1991 beschließt der Deutsche Bundestag den Umzug von Bonn nach Berlin. Im Jahr darauf tritt der damalige Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU/CSU) wegen einer umstrittenen Panzerlieferung an die Türkei zurück. Mit ihm geht sein Staatssekretär Wimmer. Als Abgeordneter widmet sich Wimmer nun den internationalen Beziehungen des Parlaments, wird Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
1999 zieht das Parlament von Bonn nach Berlin. Für Willy Wimmer hat das auch persönliche Konsequenzen. „Jetzt war ich nicht mehr jeden Abend im Wahlkreis präsent.“ Ihm fehlen die Rückkopplungen zu seinen Wählerinnen und Wählern. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er die alten Zeiten im Bonner Wasserwerk in besserer Erinnerung hat als die Berliner Republik. „Berlin ist kleiner als Bonn“, sagt er. „Hier spielt sich das Leben zwischen Kanzleramt und Jakob-Kaiser Haus ab. In Bonn hatten wir mehr Kontakt zur Lebenswirklichkeit der Menschen.“
1999 ist auch das Jahr, in dem das deutsche Parlament zum ersten Mal einem Kampfeinsatz der Bundeswehr zustimmt: Willy Wimmer ist gegen die Beteiligung am Kosovo-Krieg. Auch die Einsätze im Irak und in Afghanistan finden nicht sein Votum. Zusammen mit dem CSU-Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler klagt er sogar vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen.
Sein abweichendes Stimmverhalten hat Folgen: „Ich bekam von der Fraktion keine Redezeit im Parlament und keine Genehmigung für Dienstreisen mehr. Man war nicht bereit das hinzunehmen und hat es kleinlich geahndet.“ Eine so große Fraktion wie die CDU/CSU hätte einige Abweichler eigentlich verkraften können, findet er. „Das war kein Zuckerschlecken.“
Andererseits empfindet er die Gewissensfreiheit des Abgeordneten jetzt besonders deutlich und kommt zu dem Schluss: „Die Institution des Abgeordneten ist vielleicht das Beste ,was es in Deutschland gibt. Man ist nur seinem Gewissen unterworfen. Einem Abgeordneten kann so schnell keiner was. Es ist eine besondere Form der Freiheit.“
Mit 66 Jahren beschließt er, seine Parlamentskarriere zu beenden. Im Oktober 2008 kündigt er an, nicht mehr zu kandidieren. Er will nach zehn Berliner Jahren wieder ganz in seine Heimat zurückzukehren: „Als begeisterter Niederrheiner, der die Welt kennengelernt hat.“