“Ich bin stolz ein Deutscher zu sein” - dieser Satz stammt aus dem Buch “Mein Job. Meine Sprache. Mein Land.“ von Omid Nouripour. Darin setzt er sich als Bundestagsabgeordneter, der selbst einen Migrationshintergrund hat, mit Fragen der Integration nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auseinander.
Nouripour besitzt zwei Pässe, einen iranischen und einen deutschen, doch Identitätskonflikte kennt er nicht: "Ich sitze im Bundestag und habe viel zu tun mit dem iranischen Atomprogramm. Meine Arbeit zielt darauf ab, dies zu verhindern, da ich die Interessen der Menschen in Deutschland vertrete und es eine Bedrohung für sie darstellt.“
Dann geht er abends nach Hause, hört persisch-kalifornischen Pop und tanzt dazu: "Ich wünsche jedem, dass er das nicht zu sehen bekommt, aber da bin ich Iraner. Ich habe trotzdem keine Loyalitätskonflikte.“
Nouripour, der ein astreines "Frankfurterisch“ spricht, mag senegalesischen Hiphop, ist ein Fan von iranischem Fußball, liest gerne deutsche Literatur, interessiert sich für französische Philosophie und isst gern eritreisch – doch er versteht sich nicht als multikulti: "Ich bin ein Kind meiner Zeit. Die klassischen nationalstaatlichen Grenzen sind nicht mehr die Schranken für die Information.“
Obwohl ihn das Thema beschäftigt, arbeitet er im Bundestag nicht zu Integrationspolitik und wollte das auch nie machen: "Ich denke, die Nummer ‚Der ist Ausländer, also muss er sich um die Ausländer kümmern‘ stellt ein Merkmal meiner Persönlichkeit so in den Vordergrund, dass alle anderen ausgeblendet werden. Das möchte ich nicht. Außerdem sitze ich in den beiden schönsten Ausschüssen, die es gibt: Der Haushaltsauschuss ist der mächtigste und der Verteidigungsausschuss ist der für mich persönlich spannendste.“
Die Entscheidung, sich politisch zu engagieren, hat Nouripour nicht getroffen, sondern wusste es immer. Vielleicht auch deswegen, weil er dreizehn Jahre lang Klassensprecher war - im Iran und in Deutschland. Dazu bemerkt er: "Das klingt so extrem nach Streber.“
In seiner Heimatstadt Frankfurt trat er der Stadtteilgruppe Nord der Grünen bei: "Dort ging ich hin, obwohl der Zweitjüngste dort doppelt so alt war wie ich. Aber was mich natürlich am meisten umgetrieben hat, als ich bei den Grünen eingetreten bin, war die Frage der so genannten Ausländerpolitik.“
Dass er noch einen zweiten Kulturbereich kennt, hilft ihm bei seiner Arbeit: "Ich glaube, dass ich durch meine Biografie eher weiß, dass man für Freiheit kämpfen muss.“ Nouripour wurde 1975 im Teheran geboren und erlebt die Zeit der Iranischen Revolution und des Iran-Irak-Krieges mit: "Als auf einer der Demonstrationen geschossen wurde, meinten meine Eltern ‚Das geht nicht mehr‘, und das war auch der Wendepunkt in der Iranischen Revolutionsgeschichte 1978/79.“
Seine Familie verließ eine Woche nach dem Waffenstillstand 1988 den Iran, als Nouripour 13 Jahre alt war. Mit vierzehn hätte er nicht mehr ausreisen können, weil er zum Militärdienst eingezogen worden wäre.
Der Grund für die Ausreise war jedoch auch, dass seine Schwester nicht hätte studieren können, obwohl sie bei dem Bewerbungsverfahren einen aussichtsreichen Platz erlangte: "Sie hatte die ideologische Eignungsprüfung nicht bestanden“, erläutert Nouripour. "Die kamen in die Nachbarschaft und fragten: ‚Geht sie zum Freitagsgebet oder abends auf eine Party?’ Meine Schwester ging aber eher auf eine Party. Das ist normal für das Alter im Iran, aber nicht zu der Zeit, als gar nichts normal war.“
Auch heute noch ärgert es Nouripour, wenn Meinungsfreiheit nicht genügend geachtet wird: Einmal habe es eine Werbekampagne eines Mobilfunkunternehmens gegeben mit dem Slogan ‚Redefreiheit’: "Die meinten damit billiges Telefonieren - mir ist schlecht geworden.
Redefreiheit ist das, wofür Menschen auf der ganzen Welt bis heute sterben. Wir haben schon in unserem Land die Tendenz zu denken, unsere Freiheiten seien vom Himmel gefallen oder seien für immer da - das sind sie aber nicht.“
Dennoch hat auch er schon schlechte Erfahrungen wegen seiner Herkunft gemacht: "Natürlich gibt es Diskriminierungen, ich habe hier drei Aktenordner mit rassistischen E-Mails.“ Dennoch vertritt Nouripour den Standpunkt, dass man dem keine zu große Bedeutung beimessen darf: "Ich finde, es muss Schluss sein mit dem Jammern."
Die Rate der Bundestagsabgeordneten mit Migrationshintergrund hat sich in den letzten 15 Jahren verzwanzigfacht. Das ist eine extrem positive, wenn auch noch nicht hinreichende Tendenz und das muss man betonen, statt immer zu lamentieren.“