Berlin: (hib/VOM) Die Vertreter der
Krankenhausärzte und die sie beschäftigenden Kliniken
sind in der Frage der Anerkennung von Bereitschaftsdienst als
regulärer Arbeitszeit nach wie vor gespalten. Dies trat am
Montagnachmittag bei einer öffentlichen Anhörung des
Ausschusses für Arbeit und Soziales zutage. Gegenstand der
Anhörung war der Entwurf von CDU/CSU und SPD zur Änderung
des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (
16/109), mit dem unter anderem eine Reihe von
arbeitsmarktpolitischen Regelungen über das Jahresende 2005
hinaus verlängert werden sollen. Das Arbeitszeitgesetz war
aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum
1. Januar 2004 dahingehend geändert worden, dass
Bereitschaftsdienst im vollen Umfang als Arbeitszeit anzusehen ist.
Der Gesetzgeber hatte damals eine zweijährige
Übergangsfrist eingeführt, um den Beteiligten Zeit
für die notwendigen tarifvertraglichen Umstellungen
einzuräumen. Da diese tarifvertraglichen Änderungen
über weite Strecken noch nicht ausgehandelt worden sind, soll
die Übergangsregelung um ein Jahr bis Ende 2006
verlängert werden. Für den Ärzteverband Marburger
Bund teilte Frank Ulrich Montgomery mit, dass es nur etwa in der
Hälfte der Krankenhäuser zurzeit noch keine
tarifkonformen Modelle gebe. Er und andere Sachverständige
wiesen auf die Gefahren hin, die von übermüdeten
Ärzten für die Patienten ausgehen. Sie riefen die
Abgeordneten auf, den Ärzten und Patienten "für
vernünftige Arbeitszeitbedingungen" zur Seite zu springen. Die
Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes sei aus "ideologischen
Gründen" nicht gewollt. Durch die geplante Verlängerung
der Übergangsregelung werde der Druck von den Arbeitsgebern
genommen, forciert zu verhandeln. Damit würden "die Faulen
belohnt und die Fleißigen bestraft", so Montgomery. Professor
Frieder Hessenauer von der Bundesärztekammer wandte sich
dagegen, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie auf europäischer
Ebene neu aufgerollt wird mit dem Ziel, Bereitschaftsdienste nicht
mehr als Arbeitszeit anzuerkennen. Dagegen erklärte Georg Baum
von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Gesetzgeber
müsse den Krankenhäusern bei "objektiv gegebener
Unmöglichkeit", die EU-Richtlinie konform umzusetzen, zur
Seite stehen. Ansonsten würden die "Lichter in den deutschen
Krankenhäusern ausgehen". Für die Kliniken müsse es
einen flächendeckenden Tarifvertrag geben. Wenn die
Übergangsregelung nicht verlängert werde, würden in
wenigen Wochen viele Krankenhäuser gegen das Recht
verstoßen. Wollte man die EU-Richtlinie vollständig
umsetzen, ohne dass länger als 48 Stunden gearbeitet werden
kann, würden in Deutschland 20.000 Ärzte mehr und 1,8
Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln benötigt, um
einen EU-konformen Zustand herzustellen. Mit dem Gesetzentwurf ist
auch beabsichtigt, die Meldefrist für Arbeitsuchende auf
einheitlich drei Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses
festzulegen und weitere Regelungen wie die Entgeltsicherung
für ältere Arbeitsnehmer oder den
Existenzgründungszuschuss für die Ich-AG zu
verlängern. Im Mittelpunkt der Anhörung stand dabei die
Verlängerung der so genannten 58er-Regelung, wonach über
58-jährige Arbeitnehmer, die Arbeitslosengeld beantragen,
für den Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen
müssen. Jürgen Wuttke von der Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitsgeberverbände bedauerte dies, weil damit das
Signal gegeben werde, dass 58-Jährige ohnehin am Arbeitsmarkt
keine Chance mehr hätten. Hier müsse es zu einer
Bewusstseinsänderung kommen. Wilhelm Adamy vom Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB) befürwortete dagegen die
Verlängerung. In den Betrieben müssten nun die Weichen
anders gestellt werden, damit ältere Mitarbeiter länger
arbeiten können. Der DGB empfahl, für den von der
58er-Regelung betroffenen Personenkreis weitere Erleichterungen zu
schaffen, etwa den Anspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen
die Arbeitgeber auf Erstattung des Arbeitslosengeldes bei der
Entlassung älterer Arbeitnehmer beizubehalten. Die
Erstattungspflicht habe sich als wirksames Instrument erwiesen,
zumal sie nur für langjährig Beschäftigte gelte.
Für Heinrich Alt vom Vorstand der Bundesagentur für
Arbeit ist die Erstattungspflicht aber auch ein "mentales Hindernis
bei den Arbeitgebern, um ältere Arbeitnehmer
einzustellen".
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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