Müntefering: Löhne dürfen nicht sittenwidrig
sein
Ausschuss für Arbeit und Soziales/Ausschuss
für Arbeit und Soziales - 18.01.2006
Berlin: (hib/VOM) Nach Darstellung des
Bundesministers für Arbeit und Soziales, Franz
Müntefering (SPD), gibt es in Deutschland eine zunehmend hohe
Zahl von so genannten Aufstockern, deren Arbeitslohn durch
Sozialtransfers ergänzt werden muss. Müntefering nannte
am Mittwochvormittag im Ausschuss für Arbeit und Soziales
einen Stundenlohn von 2,98 Euro, den er als "sittenwidrig"
bezeichnete. Löhne dürften nicht sittenwidrig sein.
Für die Bundesregierung gehe es darum, Geringqualifizierten zu
Arbeit zu verhelfen. Er sei vom Kabinett beauftragt worden, eine
Arbeitsgruppe einzurichten, die bis zum Herbst Vorschläge
für mehr Beschäftigung von Geringqualifizierten
erarbeiten soll. Dazu werde die Einführung eines
Kombilohnmodells geprüft. Müntefering kündigte an,
er werde die Arbeitsgruppe jetzt noch nicht einrichten und bis zum
Sommer eine "informelle Debatte" führen. Die CDU/CSU-Fraktion
empfahl darüber nachzudenken, wie man diesen Personenkreis mit
einem Transferelement in eine Vollzeitbeschäftigung bringen
kann. In diesem Zusammenhang werde man auch darüber reden
müssen, was als Mindestlohn betrachtet werden muss, ehe das
Transferelement in Form eines staatlichen Zuschusses hinzukommt.
Nach Auffassung der SPD kann der Kombilohn nicht als "Wunderwaffe"
angesehen werden. Zu einem neuen Subventionsmoloch dürfe es
nicht kommen. Für Bündnis 90/Die Grünen ist die
Tatsache, dass immer mehr Arbeitnehmer ihren Lohn durch
Sozialtransfers aufstocken müssen, ein Hinweis darauf, dass
die These von der "Sozialhilfe-Falle" nicht stimmt. Die Leute
wollten trotz zu niedriger Löhne arbeiten. Die Linke
fügte hinzu, das Parlament müsse sich mit der Frage
existenzsichernder Löhne beschäftigen. Trotz tariflicher
Lohnsteigerungen sei bei den Löhnen eine negative Entwicklung
eingetreten. Der Minister stellte sich dem Ausschuss mit einer
Erklärung über die Arbeitsschwerpunkte seines
Ministeriums in dieser Wahlperiode vor. Am 1. April soll das Gesetz
in Kraft treten, mit dem unter anderem unter 25-jährige
Jugendliche, die noch in der Ausbildung sind, in die elterliche
Bedarfsgemeinschaft zurückgeholt werden können, was zu
jährlichen Einsparungen von rund 500 Millionen Euro
führen soll. Für Arbeitslosengeld II-Bezieher wird der
Rentenversicherungsbeitrag ab 2007 von 78 auf 40 Euro monatlich
gekürzt. Müntefering kündigte ferner ein
Optimierungsgesetz zum Zweiten Sozialgesetzbuch an, das am 1. Juli
in Kraft treten soll. Geplant sind eine weitere Bekämpfung des
Leistungsmissbrauchs und eine Verbesserung der Verwaltungspraxis.
Ferner soll ein Saison-Kurzarbeitergeld eingeführt werden. Die
Bundesagentur für Arbeit zahlt den Betroffenen von Dezember
bis März 60 oder, bei mindestens einem Kind, 67 Prozent der
pauschalierten Nettoentgelt-Einbußen. Die Arbeitgeber
müssten in dieser Zeit nur die
Sozialversicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer
abführen. Davon könnten sie jedoch entlastet werden, wenn
sich die Tarifvertragsparteien auf eine entsprechende Umlage
einigen würden, so der Minister. Dann gäbe es keinen
finanziellen Anreiz mehr, Arbeitnehmer in den Wintermonaten zu
entlassen. Die bisher auf die Bauwirtschaft beschränkte
Winterbauförderung soll weiteren Branchen wie der
Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist
geplant, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf das
Gebäudereinigerhandwerk auszudehnen. Eine Rentenkürzung
solle es in dieser Legislaturperiode nicht geben. Müntefering
empfahl schließlich allen, eine Riester-Rente als
zusätzliche Altersvorsorge abzuschließen. Die
Riester-Rente müsse populär werden "wie das Bausparen".
Die Notwendigkeit einer grundlegenden Rentenreform sieht der
Minister in dieser Wahlperiode nicht, wie er auf eine Frage der
FDP-Fraktion erklärte. Die Fraktion hatte auf das strukturelle
Defizit der gesetzlichen Rentenversicherung von 3 bis 5 Milliarden
Euro hingewiesen und betont, für einen Abbau dieses Defizits
müsste sich die Zahl der Beitragszahler nachhaltig
erholen.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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