Impfen statt Keulen bleibt unter Experten umstritten
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (Anhörung) - 06.07.2006
Berlin: (hib/VOM) Die Frage, ob das
massenhafte Keulen infizierter Tiere auch in Zukunft die einzige
wirksame Vorgehensweise gegen die Vogelgrippe ist, bleibt unter
Experten umstritten. In einer öffentlichen Anhörung des
Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz sagte der niederländische Virologe Professor
Albert Osterhaus am Donnerstagnachmittag, künftig werde es
möglich sein, einen hochwertigen Impfstoff zu benutzen.
Osterhaus schloss nicht aus, dass es zu einer Pandemie kommen kann.
Martinus Weijtens vom niederländischen Ministerium für
Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität fügte
hinzu, auf lange Sicht sei die Impfung voraussichtlich
kostengünstiger als die Keulung der Tiere und die damit
verbundene Entschädigung der Bauern. In den Niederlanden
hätten mittlerweile 1.000 Hobby-Geflügelhalter ihre Tiere
gegen die Vogelgrippe impfen lassen, bei den kommerziellen
Geflügelhaltern seien es bisher nur vier gewesen. Die geringe
Beteiligung führte Weijtens bei den gewerblichen Haltern auf
deren Befürchtung zurück, sie könnten die Produkte
geimpfter Tiere schlecht verkaufen. Die Bauern, die Legehennen aus
Freilandbetrieben impfen ließen, hätten allerdings keine
Probleme gehabt, die Eier dieser Hennen abzusetzen. Weijtens hielt
die Stallpflicht nicht für eine dauerhafte Lösung, gerade
für die Hobby-Tierhalter stelle sie ein Problem dar. Nach den
Worten des holländischen Experten gibt es im Nachbarland eine
lückenlose Registrierung, jedes geimpfte Tier bekomme einen
Fußring. Eier und Fleisch geimpfter Tiere könnten in der
EU frei vermarktet werden. Auch nach Auffassung von Michael Starp
vom Deutschen Bauernverband ist die bisher verfolgte Keulstrategie
nicht zukunftsfähig. Eine Impfstrategie müsse allerdings
von den Verbrauchern und vom Handel akzeptiert werden, und es
müssten geeignete Impfstoffe zur Verfügung stehen. Detlef
Breuer von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter
Deutschlands forderte eine breit angelegte Studie über die
Übertragungswege der Vogelgrippe. Auch müsse die
EU-Kommission ihre Impfpolitik ändern, damit das Fleisch
notgeimpfter Tiere frei handelbar wird. Gegen eine Impfung des
Geflügels sprach sich Matthias Voss vom Zentralverband der
Deutschen Geflügelwirtschaft aus. Derzeit gebe es keine
Impfstoffe, die wirksam genug seien. Daher wäre eine
Verschleppung der Viren in andere Bestände nicht
auszuschließen. Professor Erhard Kaleta von der
Justus-Liebig-Universität Gießen betonte, ein Impfstoff
müsse die Verschiedenheit der Viren berücksichtigen. Es
gebe keine ernsthafte Chance, das Virus aus den
Wildvogel-Populationen herauszudrängen. Immunität sei
Wunschdenken, so Kaleta, keine realistische Möglichkeit. Der
Tierarzt Manfred Pöppel nannte die Zahl von 25 bis 35
Millionen Euro, welche die Geflügelhalter durch die
Keulungsaktionen verloren hätten. Auch er sieht zurzeit "keine
vernünftige Impfstrategie". Eine Notimpfung empfahl er nur
dann, wenn die jetzige Bekämpfung der Vogelgrippe durch Keulen
"uns überrollen würde". Pöppel plädierte
dennoch dafür, an Strategien weiterzuarbeiten. Bei einem hohen
"Infektionsdruck" werde es nämlich nicht ausreichen, einzelne
Tiere zu töten.
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