Experten: Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung nicht
verfassungsgemäß
Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (Anhörung) - 24.05.2007
Berlin: (hib/HIL) Der Referentenentwurf
für ein Gesetz zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG
(DB AG) ist nach Meinung der Mehrheit der Experten, die am
Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung im
Verkehrsausschuss gehört wurden, nicht mit dem Grundgesetz
vereinbar. Lediglich Professor Hubertus Gersdorf,
Verfassungsrechtler an der Universität Rostock, bezeichnete
den Entwurf uneingeschränkt als "verfassungskonform".
Verfassungsrechtlicher Dreh- und Angelpunkt, da waren sich die
Experten einig, ist Artikel 87e des Grundgesetzes. Darin ist die
alleinige Verantwortung des Bundes für die
Eisenbahninfrastruktur festgeschrieben. Es komme einer Quadratur
des Kreises gleich, so Professor Robert Uerpmann-Wittzack,
Verfassungsrechtler an der Universität Regensburg, die Bahn
privatwirtschaftlich zu betreiben - mit einem wirtschaftlichen
Eigentum an der Infrastruktur - wobei der rechtliche
Eigentümer des Schienennetzes der Bund bleiben solle. "Ich
sehe da keine Lösung", so Uerpmann-Wittzack, "man kann Artikel
87e nicht wegdiskutieren". Auch nach Meinung von Professor Georg
Hermes, Verfassungsrechtler an der Universität Frankfurt/Main,
widerspricht der vorliegende Entwurf dem Grundgesetz. Entscheidend
ist für die Experten, dass der Bund den im Grundgesetz
festgeschriebenen Einfluss auf die Infrastruktur haben muss. Das
sei im aktuellen Entwurf nicht gegeben, so Ferdinand Kirchhof,
Verfassungsrechtler an der Universität Tübingen. "Die
Letztentscheidung des Bundes müsste gesichert werden -
zivilrechtlich oder verfassungsrechtlich", sagte Kirchhof. Nur so
könne eine verfassungstreue Lösung erreicht werden. Auch
Professor Michael Fehling, Verfassungsrechtler der Bucerius
Lawschool in Hamburg, beurteilte die im Referentenentwurf
vorgesehenen Einflussmöglichkeiten des Bundes als "zu schwach
ausgebildet". Der vorliegende Entwurf versuche aus zwei Sachen -
Infrastrukturverantwortung des Bundes und wirtschaftliches,
börsennotiertes Agieren - eine zu machen. Dies bringe
"erhebliche Unsicherheiten" mit sich und sei keine gute Grundlage
für eine Kapitalprivatisierung, so Professor Rainer
Hüttemann, Gesellschaftsrechtler an der Universität Bonn.
Auch Professor Detlef Kleindiek, Gesellschafts- und Bilanzrechtler
an der Universität Bielefeld befand: "Das sind zwei Dinge, die
sich nicht in Einklan g bringen lassen." Für ihn, so der
Jurist, mache es den Eindruck, als werde mit dem Referentenentwurf,
der aus dem Formelkompromiss des Bundestages aus dem November des
vergangenen Jahres resultiere, gerade von der Rechtsrealität
eingeholt. "Ich fürchte, das ist so nicht machbar", sagte der
Gesellschafts- und Bilanzrechtler. Auf die aus Reihen den
Abgeordneten geäußert Frage, ob der vorliegende
Referentenentwurf verbesserungsfähig sei oder es eines neuen
Entwurfs bedürfe, zeigten sich die Experten
zurückhaltend. Die meisten hielten eine Verbesserung zwar
grundsätzlich theoretisch für möglich, ein Neuanfang
ist ihrer Meinung nach aber deutlich bessere weg - gerade, so Georg
Hermes, aus europarechtlicher Perspektive.
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