Mehr Aufklärung über gesunde Ernährung
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (Anhörung) - 11.06.2007
Berlin: (hib/KOS) Eine intensive
Aufklärung über gesunde Ernährung schon im
Unterricht sowie mehr Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in der
Schule und im öffentlichen Raum sollen dem bei Kindern und
Jugendlichen verstärkt zu beobachtenden Phänomen des
Übergewichts und der Fettsucht entgegenwirken. Diese Forderung
erhoben die Sachverständigen am Montag bei einer Anhörung
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz. Als vorbildlich stellte Beate Zelazny vom
Wiesbadener Kultusministerium eine Initiative vor, wonach alle
hessischen Schulen verpflichtet sind, die Gesundheitsförderung
in ihr Unterrichtsprogramm zu integrieren und dabei mit
Fachverbänden wie etwa den Verbraucherzentralen zu
kooperieren. Erika Lenz vom Deutschen Landfrauenverband
plädierte sogar dafür, Hauswirtschaft zu einem
eigenständigen Schulfach zu machen, um Heranwachsende auf
kreative und praktische Weise zu gesunder Ernährung anzuregen
und in diesem Zusammenhang im Umgang mit Geld einzuüben. Laut
Gerhard Rechkemmer von der Bundesforschungsanstalt für
Ernährung und Lebensmittel hat sich Übergewicht unter
jungen Leuten mittlerweile massiv verbreitet. Nach Angaben Edmund
Fröhlichs, der bei einer Spezialklinik in Bad Orb arbeitet,
gibt es bundesweit jährlich rund 15.000 Fälle von
Fettsucht bei Jugendlichen. Wie Rechkemmer erläuterte,
können selbst in jungen Jahren bereits Folgekrankheiten eines
stark überhöhten Gewichts auftreten, etwa Diabetes,
Herz-Kreislauf-Schäden oder Osteoporose. Susanne Languth vom
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde wies in ihrer
schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass der von der
Brüsseler Kommission EU-weit auf 30 Prozent geschätzte
Anteil von Übergewichtigen unter Kindern und Jugendlichen auf
die Bundesrepublik nicht zutreffe: Nach Erhebungen des
Robert-Koch-Instituts seien hierzulande 15 Prozent der Drei- bis
17jährigen als übergewichtig einzustufen. 78 Prozent
dieser Altersgruppe seien als normal- und sieben Prozent als
untergewichtig einzuordnen. Als Kernproblem bezeichnete es Christel
Rademacher von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung,
den Anteil energieärmerer Lebensmittel wie etwa Obst und
Gemüse bei der Ernährung zu erhöhen.
Schließlich hätten die modernen Lebensgewohnheiten dazu
geführt, dass der Mensch weniger Energie benötige. Es
müsse gelingen, das Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und
-verbrauch neu auszutarieren. Zelasny betonte, dass ein
Zusammenhang zwischen gesunder Ernährung und schulischem
Lernerfolg existiere. Sylvia Becker-Pröbstel sprach sich
dafür aus, bei der Gestaltung der von Schulen organisierten
Verpflegung Schüler und Eltern mit einzubeziehen, um nicht
zuletzt "soziale Risikogruppen" auf diesem Weg anzusprechen. Wie
andere Experten forderte die Oecotrophologin mehr
"Bewegungsräume" in Kitas, in Schulen und im öffentlichen
Raum. Jugendliche müssten auch außerhalb von Vereinen
Fußball spielen können. Thilo Bode von der Assoziation
"foodwatch" unterstrich, dass eine gute Ernährung von Kindern
und Jugendlichen auch von der Einkommenslage der Eltern
abhänge. In 20 Prozent der deutschen Haushalte fehle es am
nötigen Geld für qualitativ wertvolle Lebensmittel. Das
Anliegen von Aufklärungsbemühungen müsse es sein, so
Erik Harms von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendmedizin, Heranwachsende zu einem eigenverantwortlichen Umgang
mit Ernährung und Bewegung zu befähigen. "Verbote
schaffen Vorlieben, Gebote schaffen Aversionen", warnte der
Kinderarzt. Auch Raimund Geene mahnte, statt mit Verboten mit
"positiven Botschaften" zu arbeiten. Man dürfe Betroffene auch
nicht stigmatisieren, hob der Professor von der Hochschule
Magdeburg-Stendal hervor. Kritisch äußerte sich Geene
zur öffentlichen Debatte über dieses Thema, die wie in
den USA zusehends von einer "medialen Hysterisierung" des Problems
geprägt sei. In den USA habe dies die Verbreitung von
Übergewicht nicht verhindert, sondern möglicherweise noch
beschleunigt.
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