Berlin: (hib/KOS) Mit dem Appell an die 47 Mitgliedsländer des Europarats, die Durchsetzung der Menschenrechte nicht nur dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof zu überlassen, sondern auch auf nationaler Ebene einen größeren Beitrag zur Verwirklichung dieser Standards zu leisten, eröffnete Herta Däubler-Gmelin (SPD) am Montag im Bundestag eine ganztägige Konferenz zur Lage der Menschenrechte. Veranstaltet wird dieses Hearing vom Rechts- und Menschenrechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sowie vom Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestags. Frau Däubler-Gmelin ist Vorsitzende beider Gremien. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen dürften nicht mehr straffrei ausgehen, sagte die ehemalige Justizministerin. Sie betonte, dass Europa beim Thema Menschenrechte eine Vorbildfunktion für die Welt zukomme. Jedoch sei auch auf dem hiesigen Kontinent "nicht alles Gold, was glänzt."
Der vom Europarat als Sonderermittler zur Aufklärung der sogenannten "Renditions" eingesetzte Schweizer Parlamentarier Dick Marty kritisierte, dass sich besonders die USA, aber auch europäische Partnerregierungen, einer eventuellen strafrechtlichen Verfolgung in dieser Angelegenheit entzögen: Jedes Mal, wenn die Justiz zu den nach dem 11. September 2001 von der CIA praktizierten illegalen Verschleppungen Terrorverdächtiger mit getarnten Flügen in Geheimgefängnisse ermittele, würden unter Hinweis auf Staatsgeheimnisse Auskünfte verweigert. Marty verwies auf den Fall des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri, der wegen seiner Entführung durch US-Stellen nach Afghanistan in den USA erfolglos vor Gericht gezogen war.
Aus Sicht von Tanya Lokshina ist der Nordkaukasus "das vielleicht markanteste Beispiel" für eine ausbleibende Strafverfolgung von Menschenrechtsverstößen. Obwohl während des zweiten Tschetschenien-Krieges 5.000 Menschen verschwunden seien, habe die russische Justiz nur einmal einen Militärangehörigen verurteilt, kritisierte die Vizedirektorin des Moskauer Büros der unabhängigen Vereinigung Human Rights Watch. Immer noch würden Häuser von Bewohnern niedergebrannt, deren Verwandte des militanten Widerstands bezichtigt würden. In über 80 Entscheidungen, so Lokshina, habe der Straßburger Gerichtshof Russland für Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien verantwortlich gemacht. Die Regierung zahle zwar an die erfolgreichen Kläger die von den Europarats-Richtern angeordneten Entschädigungen, doch habe sich die Lage der Menschenrechte im Nordkaukasus nicht verbessert.
Zu einer kontroversen Debatte führte die Frage des Abgeordneten Hakki Keskin (Linkspartei), ob der ehemalige US-Präsident George W. Bush wegen Menschenrechtsverstößen im Irak-Krieg und wegen des Gefangenenlagers Guantánamo nicht vor Gericht gestellt werden müsse. Referent Juan Mendez wies als "gutes Zeichen" auf die Aussage des neuen Staatschefs Barack Obama hin, niemand stehe über dem Gesetz. Der Präsident des in New York ansässigen Internationalen Zentrums für Transitionale Gerechtigkeit appellierte an den US-Kongress, in einer Kommission herauszufinden, wer welche Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und dem Anti-Terror-Kampf trage. Für Francoise Hampson ist es noch zu früh, zu sagen, was in den USA passieren werde, vielleicht werde es zu einer solchen Strafverfolgung kommen. Wie Mendez erläuterte die Professorin der britischen Universität Essex das Problem, dass im Völkerrecht bislang nicht geklärt sei, wie Angriffskriege zu definieren seien.
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