Berlin: (hib/JOH) Die Abgeordneten des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben sich am Mittwochmorgen besorgt über die Situation von Christen in der Türkei gezeigt. Anlass sind die Prozesse angrenzender Dörfer sowie des Schatzamtes des Distrikts Midyat gegen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel in Südostanatolien, die den Menschenrechtsausschuss und weitere Parlamentarier in der Vergangenheit schon mehrfach beschäftigt haben. Dem Kloster wird vorgeworfen, unrechtmäßig Land beansprucht, Dorfgrenzen verletzt und sich 100 Hektar Eichenwald sowie Weideland angeeignet zu haben. In zwei Fällen hat das Kloster selbst gegen eine Mitte 2008 durchgeführte allgemeine Katastererfassung geklagt, mit der seine Besitzungen beschnitten wurden.
Mor Gabriel, gegründet vermutlich 397 nach Christus, gilt als eines der ältesten christlichen Klöster weltweit und als Zentrum syrisch-orthodoxer Kultur. Es ist eines der letzten intakten Klöster in Südostanatolien. Für die Abgeordneten geht es bei den Prozessen daher nicht allein um den Bestand des Klosters, sondern vielmehr um die Frage des grundsätzlichen Umgangs mit Christen in der Region. Die CDU/CSU-Fraktion bezeichnete die Prozesse sogar als "Präzedenzfall". Die Verfahren um Eigentumsrechte, die gegen das Kloster Mor Gabriel angestrengt würden, zielten darauf ab, den Christen ihre Rückzugsorte zu entziehen, betonten die Unionsabgeordneten. Sie seien "ein Mittel zum Zweck, um eine religiöse Minderheit aus dem Lande zu jagen". Diese Minderheit habe zu Beginn des 20. Jahrhunderts 30 Prozent der Bevölkerung ausgemacht, heute seien es nur noch 0,15 Prozent.
Auch die SPD bedauerte die Vorgänge außerordentlich. Das Kloster Mor Gabriel habe eine herausragende Stellung und besitze eine große Symbolik für die syrisch-orthodoxen Christen. Es sei daher wichtig, dass die deutsche Botschaft und viele Parlamentarier die Prozesse begleiteten, um Druck auszuüben. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, hatte zuvor darauf hingewiesen, dass deutsche Beobachter an den Prozessen teilnähmen und die deutsche Botschaft sich für die Belange des Klosters einsetze. Die Bundesregierung stehe in Kontakt mit dem Erzbischof der Diözese. Nooke betonte ebenfalls, dass das Kloster weit mehr als ein historisches Baudenkmal sei. Es sei eine Begegnungsstätte von Christen in der Region.
Auf die Frage der FDP-Fraktion, welche Möglichkeiten der EU-Beitrittsprozess darstelle, die Türkei zur Beachtung der Glaubensfreiheit zu bewegen, antwortete Nooke, es gebe natürlich die Möglichkeit, im Rahmen des Beitrittsprozesses immer wieder diese Forderung zu erheben. Rein rechtlich sei die Situation nicht-muslimischer Minderheiten in der Türkei in den vergangenen Jahren auch verbessert worden. Jedoch bedeute dies nicht, dass sich unbedingt auch die reale Situation verbessert habe.
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