Berlin: (hib/KOS) Die Zahlungsunfähigkeit der Depfa-Bank, einer irischen Tochter der Hypo Real Estate (HRE), war nach Angaben des Referatsleiters bei der Bankenaufsicht Bafin, Stefan Schrader, trotz eines "wachsenden latenten Liquiditätsrisikos" bis zur Pleite der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 nicht absehbar. Die kurzfristige Geldbeschaffung sei für die Depfa auf dem schon seit Frühjahr 2008 von Verwerfungen geprägten Kreditmarkt zwar zusehends schwieriger geworden, habe jedoch bis September funktioniert, sagte der bei der Bafin mit der Kontrolle von Pfandbriefbanken befasste Schrader am Donnerstag vor dem HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Das Gremium soll die Vorgänge um den vor allem durch die Schieflage der Depfa verursachten HRE-Beinahekollaps aufklären. Schrader, der zum Auftakt der Zeugenvernehmungen mehr als vier Stunden befragt wurde, betonte, das Aus von Lehman Brothers und die folgende Lahmlegung des Interbankenmarkts, die der HRE-Tochter die kurzfristige Refinanzierung im nötigen Umfang unmöglich gemacht habe, seien nicht absehbar gewesen: "Niemand hatte diese Weitsicht", sagte der Zeuge.
Er widersprach Vorwürfen, die Bankenaufsicht habe im Falle von Depfa und HRE geschlafen und zu spät reagiert. Vor dem Hintergrund der vorherigen Krisen bei der SachsenLB und der IKB-Mittelstandsbank habe die Bafin nach ersten Warnmeldungen der HRE-Spitze vom Januar 2008 eine Ende Februar/Anfang März von der Bundesbank vorgenommene Sonderprüfung der Depfa veranlasst. Zudem habe man sich von Mitte März an von der HRE täglich Berichte zur Liquiditätslage übermitteln lassen. Es habe aber bis zum Herbst 2008 keine kontinuierliche Verschlechterung der Geschäftslage gegeben; bis zur Lehman-Pleite habe bei der Depfa die Liquiditätszufuhr auf dem Geldmarkt funktioniert.
Schrader erläuterte, dass bei der Sonderprüfung in Irland "erhebliche Mängel" beim Risikomanagement der Depfa offenbar geworden seien. Deshalb habe die Bafin Ende Juli 2008 bei einem Gespräch mit der HRE-Führung "Tacheles geredet" und Auflagen zur Beseitigung der Defizite verhängt. Die HRE habe über den Fortgang der Behebung der Missstände berichten müssen. Überdies sei bei der Depfa für Anfang 2009 eine Nachprüfung geplant gewesen.
Angesichts dieser Situation fragten mehrere Abgeordnete, ob das Desaster bei der Depfa vom September nicht doch hätte abgesehen werden können. Dazu sagte der Zeuge, die Qualität eines Risikomanagements sage nichts über die Liquiditätsausstattung eines Instituts aus, die im Falle der Depfa nach dem Aus von Lehman Brothers schlagartig zusammengebrochen sei. Schrader erklärte, die HRE-Tocher habe das Geschäftsmodell einer kurzfristigen Refinanzierung langfristiger Engagements bei Staatsfinanzierungen "besonders aggressiv" betrieben. Das Finanzministerium sei über den Fortgang der Depfa-Überprüfung mehrfach unterrichtet worden.
Die damals auch für die HRE zuständige Bafin-Abteilungsleiterin Frauke Menke führte aus, dass Marktanalysen und geschäftspolitische Entscheidungen einer Bank keine Angelegenheiten der Bankenaufsicht seien. Sie betonte wie zuvor Schrader, dass man die HRE und deren irische Tochter über das rechtlich vorgegebene Maß hinaus überwacht habe. Die Depfa, sagte der Referatsleiter, unterliege eigentlich der irischen Bankenaufsicht, doch habe man auf informellem Wege die Sonderprüfung durch die Bundesbank im Frühjahr 2008 ermöglicht. Dass anders als nach den heutigen Regeln die HRE als Holding mehrerer Institute seinerzeit nur in eingeschränktem Maße der Bankenaufsicht unterstand, hatte laut Schrader bei der Bafin ein "ungutes Gefühl" und "Bauchschmerzen" ausgelöst. Die HRE habe sich jedoch bereit erklärt, die nötigen Daten zur Liquiditätslage freiwillig zu übermitteln. "Aufsicht funktioniert nicht nur mit Paragraphen", fügte der Zeuge hinzu.
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