Berlin: (hib/KOS) Scharfe Kritik an der Informationspolitik des ehemaligen Managements der Hypo Real Estate (HRE) gegenüber dem Aufsichtsrat des Instituts im Krisenjahr 2008 übte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss Hans Tietmeyer. Der ehemalige Bundesbankpräsident (1993 bis 1999) sagte, das Aufsichtsgremium habe erst am 22. September im Zusammenhang mit der HRE-Krise im Gefolge der Pleite von Lehman Brothers von Problemen des Instituts sowie von einer Sonderprüfung von Bundesbank und BaFin in der Zeit davor erfahren. Tietmeyer, der von Ende Mai und Mitte November 2008 im HRE-Aufsichtsrat saß sagte dazu: "Das war sehr ärgerlich, da ist mir der Kragen geplatzt". Noch im Juni 2008 habe der Vorstand dem Aufsichtsrat einen positiven Bericht über die Lage der Bank und auch die Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer irischen Tochter Depfa vorgelegt. Der Zeuge verteidigte die staatliche Rettungsaktion bei der HRE: "Daran ist nichts auszusetzen." Dieses Institut habe eine "systemische" Bedeutung, dessen Kollaps hätte den Pfandbriefmarkt erheblich belastet, was auch einige andere Banken nicht überlebt hätten. Tietmeyer erklärte, dass er sich zunächst für eine Stützung der HRE durch private Banken eingesetzt habe, was aber nicht gelungen sei.
Der Ex-Bundesbanker, der den Spitzengremien der Depfa bis zu deren Erwerb im Herbst 2007 durch die HRE angehörte, erläuterte den Abgeordneten, dass sich die irische Bank mit diesem Verkauf zur Absicherung ihrer Risiken in einem größeren Verbund auf eine breitere Grundlage habe stellen wollen. Die Depfa sei damals nicht gefährdet gewesen, doch sei sie wegen der Abhängigkeit von der kurzfristigen Refinanzierung ihrer langfristigen Engagements bei Staatsfinanzierungen "verwundbar" gewesen. Tietmeyer verneinte die Frage von Unions-Obmann Leo Dautzenberg, ob die Depfa für den Erwerb durch die HRE als Braut besser geschmückt worden sei: Seinerzeit seien die Rating-Beurteilungen gut gewesen, bei der Depfa habe es keine Probleme gegeben, auch wenn die Gewinnmargen kleiner geworden seien. Mit einem völligen Zusammenbruch der Finanzmärkte nach der Lehman-Pleite habe niemand rechnen können.
Hingegen bestätigte Stéphane Wolter vor dem Ausschuss seine bereits in einem Interview gemachte Einschätzung, dass mit dem Kauf der Depfa die Krise der HRE programmiert gewesen sei. Der einst beim Risikocontrolling der HRE tätige Sachbearbeiter sagte, schon bei der Übernahme des stark auf kurzfristige Refinanzierungen ausgerichteten irischen Instituts im Herbst 2007 sei er der Überzeugung gewesen, man könne nur hoffen, dass die Finanzmärkte nicht eines Tages austrocknen. Seine Auffassung sei bis zur HRE-Vorstandsebene hinauf bekannt gewesen. Das Lehman-Fiasko "war nur der Funke, der zur Explosion führte". Laut Wolter wurden die Refinanzierungsprobleme der Depfa im Laufe des Jahres 2008 immer größer, in der zweiten Augusthälfte seien "ernsthafte Warnhinweise" aus Dublin übermittelt worden, "dass es eng wird". Die für die Depfa durchgespielten Risikoszenarien, die im schlimmsten Fall eine Liquiditätsreserve von nur wenigen Tagen ergeben hätten, seien dann im September "ziemlich genau" eingetreten. Nach Meinung des Zeugen hätte sich der Staat schon im Juli 2008 Notfallszenarien für die HRE überlegen müssen.
SPD-Obfrau Nina Hauer hielt Wolter entgegen, dass sich nach Aussagen von BaFin-Fachleuten und nach Rating-Beurteilungen die Liquiditätslage bei der HRE-Gruppe bis zum Sommer 2008 positiv entwickelt habe. Auch sei der Investor Flowers nach Prüfung der HRE-Finanzsituation mit über einer Milliarde Euro noch im April 2008 bei dem Münchner Institut eingestiegen. Dazu sagte Wolter, es komme auch darauf an, welche Unterlagen externe Prüfer zur Verfügung hätten.
Der Untersuchungsausschuss soll die Vorgänge um den Beinahekollaps der HRE aufklären, der wesentlich durch die Schieflage der Depfa nach dem Lehman-Fiasko im September 2008 verursacht wurde. Die HRE musste zwischenzeitlich mit fast 90 Milliarden Euro an öffentlichen Garantien gestützt werden.
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