Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 30. November
2009),
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung
–
Im koalitionsinternen Streit um das sogenannte Betreuungsmodell für Eltern, die ihr Kleinkind zu Hause erziehen, wirbt die neue Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, weiter für das von ihrer Partei angestrebte Gutscheinmodell. Es stehe im schwarz-gelben Koalitionsvertrag, dass das Betreuungsgeld ab dem Jahr 2013 auch als Gutscheinmodell ausgestaltet werden kann, sagte Homburger in einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 30. November). Dieses Modell habe den Vorteil, dass es „sozial ausgewogen als auch bildungspolitisch sinnvoll wäre“. Es gebe in dieser Frage derzeit aber in der Koalition keinen Entscheidungsbedarf „und schon gar keinen Zeitdruck“.
Nachdrücklich verteidigte Homburger zugleich die Steuerpläne der Koalition. Wie angekündigt, hätten Union und FDP zum 1. Januar 2010 die ersten Steuererleichterungen auf den Weg gebracht. Dies sei wichtig, „weil damit sofort die ersten Impulse gesetzt werden für mehr Wachstum und Beschäftigung“. Darüber hinaus enthalte der Koalitionsvertrag weitere Entlastungen von jährlich 24 Milliarden Euro sowie einen Stufentarif, „der möglichst zum 1. Januar 2011 kommen soll“. Dabei sei die Umstellung des Steuersystems von einem linear-progressiven Tarif auf einen Stufentarif „eine grundlegende Änderung und Vereinfachung des Steuerrechts“.
Bei der Steuerreform habe sich die Koalition „nicht am Wünschbaren, sondern am Machbaren orientiert“, versicherte die FDP-Politikerin. Auch habe man deutlich gemacht, dass „Steuerentlastung und Haushaltskonsolidierung Hand in Hand gehen“. Es sei nicht vorgesehen, über „die Verschuldung hinauszugehen, die Schwarz-Rot für 2010 in der Vergangenheit geplant hatte“. Die Verschuldung sei im Übrigen eine Altlast der alten Bundesregierung. Trotz Steuerentlastungen werde es nicht zu mehr Verschuldung kommen, fügte die Fraktionschefin hinzu und kündigte Einsparvorschläge für die Haushaltsberatungen an, ohne bereits Details zu nennen.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Homburger, was braucht die Vorsitzende einer
Bundestagsfraktion, um erfolgreich zu sein?
Eine
Fraktion mit vielen Ideen, die als Fraktion etwas bewegen will. Wir
sind eine selbstbewusste Fraktion – mit 93 Mitgliedern die
größte Bundestagsfraktion, die die Liberalen je hatten.
Wir werden sehr genau darauf achten, dass die liberale Handschrift,
die der Koalitionsvertrag hat, auch in die tägliche Politik
umgesetzt wird.
Elf Jahre war die FDP nun in der Opposition, länger
als je zuvor. Wie schwierig wird es für die Fraktion, wieder
auf Regierung umzuschalten?
Es wird natürlich
Veränderungen geben – es ist ein anderes Arbeiten
in der Opposition als in einer Koalition. Aber ich bin
überzeugt, dass das problemlos funktioniert. Schließlich
haben wir dafür gekämpft, wieder als Koalitionsfraktion
Politik gestalten zu können. Die Fraktion freut sich darauf,
das jetzt umzusetzen. Da gewöhnt man sich schnell an neue
Abläufe. Außerdem haben wir sehr viele neue Kolleginnen
und Kollegen in der Fraktion, die die Arbeit in der Opposition
nicht kennen und direkt in die Koalitionsarbeit starten. Das
funktioniert reibungslos.
Keine Sorge, dass so viele Neulinge den Start in die
Parlamentsarbeit doch erschweren?
Nein, in keiner Weise. Die neuen Fraktionsmitglieder bringen ja
vielfältige Erfahrungen mit. Nicht nur aus den
unterschiedlichsten beruflichen Bereichen, sondern auch aus der
Kommunal- und Landespolitik. Ich freue mich über die vielen
neuen Kolleginnen und Kollegen. In dieser Fraktion steckt
großes politisches Potenzial. Das wird den Start erleichtern,
nicht erschweren ,und bietet Perspektiven für die Zukunft.
In der Wunschkoalition mit der Union scheint es schon an
einer Reihe von Punkten zu hakeln. Stichwort Steuerreform: Die
Koalition will die Steuern um bis zu 24 Milliarden Euro senken. Ist
das die große Steuerreform?
Wie
angekündigt, haben wir gemeinsam zum 1. Januar 2010 die ersten
Steuererleichterungen auf den Weg gebracht. Das ist uns deshalb
wichtig, weil damit sofort die ersten Impulse gesetzt werden
für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland.
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag weitere
Entlastungen von jährlich 24 Milliarden Euro und einen
Stufentarif, der möglichst zum 1. Januar 2011 kommen soll. Die
Umstellung des Steuersystems von einem linear-progressiven Tarif
auf einen Stufentarif ist eine grundlegende Änderung und
Vereinfachung des Steuerrechts.
Mit drei Stufen, wie ihre Partei es
will?
Wir haben uns auf einen Stufentarif geeinigt.
Über die Zahl der Stufen wird sich die Koalition noch
verständigen.
Nun haben die Wirtschaftsweisen mit Blick auf den
schwarz-gelben Koalitionsvertrag gewarnt, Steuersenkungsversprechen
ohne solide Gegenfinanzierung seien
unseriös.
Das Ganze ist seriös und solide
durchgerechnet. Denn bei der Steuerreform hat sich die Koalition
nicht am Wünschbaren, sondern am Machbaren orientiert. Auch
der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat im
Übrigen bestätigt, dass es einen gewissen
Selbstfinanzierungeffekt gibt. Wir haben zudem deutlich gemacht,
dass Steuerentlastung und Haushaltskonsolidierung Hand in Hand
gehen. Wir planen nicht, über die Verschuldung hinauszugehen,
die Schwarz-Rot für 2010 in der Vergangenheit geplant hatte.
Die Verschuldung ist im Übrigen eine Altlast der alten
Bundesregierung. Trotz Steuerentlastungen wird es nicht zu mehr
Verschuldung kommen. Bei den Haushaltsberatungen werden wir
Einsparvorschläge machen.
Können Sie schon sagen, wo bei diesen
Einsparmaßnahmen die großen Brocken sein
werden?
Ich werde jetzt keine Einzelvorschläge
machen. Wenn ein einzelner Vorschlag gemacht wird, heißt es
entweder, er reiche nicht aus, oder, er sei unausgewogen. Deshalb
bin ich dafür, ein Gesamttableau vorzulegen, damit sich jeder
ein Bild des Gesamtkonzepts machen kann. Genau das werden wir im
Haushaltsplan vorlegen.
In den Ländern gibt es ja massive Vorbehalte
– auch unter CDU-Ministerpräsidenten – gegen die
Steuerpläne der Koalition. Setzen Sie darauf, dass die
Kanzlerin ein Machtwort als CDU-Vorsitzende
spricht?
Die Vereinbarungen zur Entlastung haben die
Zustimmung aller drei Koalitionsparteien gefunden. Einige
CDU-Ministerpräsidenten haben den Vertrag, der auch die
Steuerentlastung beinhaltet, mit ausgehandelt. Anschließend
haben drei Parteitage den Vertrag einstimmig beschlossen. Wer das
jetzt nicht mittragen will, muss sich fragen lassen, warum er nicht
früher Bedenken angemeldet hat.
Ein anderer Streitpunkt ist die Besetzung des noch
freien Platzes im Beirat des geplanten Vertriebenenzentrums durch
den Bund der Vertriebenen. Der will seine Vorsitzende Erika
Steinbach dort sitzen sehen. Der Außenminister lehnt das
ab.
Guido Westerwelle hat deutlich gemacht, dass es
uns als Koalition darum geht, die gewachsenen Beziehungen innerhalb
Europas zu stärken und zu vertiefen. Das liegt im Interesse
Deutschlands. Der Bund der Vertriebenen hat ein Vorschlagsrecht,
die Bundesregierung hat aber das Entscheidungsrecht. Im
Übrigen hat der Bund der Vertriebenen von seinem
Vorschlagsrecht noch nicht Gebrauch gemacht. Die Bundesregierung
hatte insofern auch nichts zu entscheiden.
Würde es in Ihren Augen der Sache dienen, wenn Frau
Steinbach von sich aus erklären würde, nicht für den
Beirat zur Verfügung zu stehen?
Es wäre
sicher gut, wenn Frau Steinbach sich überlegen würde,
eigene Ambitionen hinter die Interessen Deutschlands
zurückzustellen.
Für Streit sorgt auch das Betreuungsgeld – da
stoßen die FDP-Vorschläge für ein Gutscheinsystem
vor allem bei der CSU auf wenig Gegenliebe…
Es
steht im Koalitionsvertrag, dass dieses Betreuungsgeld ab dem Jahr
2013 auch als Gutscheinmodell ausgestaltet werden kann. Das
Gutscheinmodell hat den Vorteil, dass es sozial ausgewogen als auch
bildungspolitisch sinnvoll wäre. Es gibt derzeit aber in der
Koalition keinen Entscheidungsbedarf und schon gar keinen
Zeitdruck.
Eine interministerielle Arbeitsgruppe soll bis zur
zweiten Jahreshälfte 2010 Vorschläge zur langfristigen
Weiterentwicklung des Gesundheitswesens machen. Was erhoffen Sie
sich da-von?
Wir wollen eine Neuordnung des
Gesundheitswesens. Auch dies ist dem Koalitionsvertrag zu
entnehmen: mehr Wahlfreiheit für die Versicherten, mehr
Therapiefreiheit bei den Ärzten im Verhältnis zu
den Patienten. Es gibt keinen „Normpatienten“, und
deswegen kann man kein „Normverfahren“ vorgeben. Der
einzelne Mensch muss wieder im Zentrum der Gesundheitspolitik
stehen. Zudem wird es Änderungen bei der Finanzierung geben.
Wir wollen mehr Wettbewerb unter den Krankenkassen, und deshalb
wird es auch nicht beim Gesundheitsfonds in der jetzigen Form
bleiben.
Im Saarland regiert ihre Partei seit neuestem zusammen
mit den Christdemokraten und den Grünen in einer
„Jamaika“-Koalition. Könnte eine solche Koalition
für Sie auch einmal im Bund ein Modell
werden?
Das ist eine unnötige und
überflüssige Diskussion. Wir haben als FDP explizit
für eine Zweier-Koalition mit der CDU/CSU gekämpft
und wir werden eine überzeugende Politik machen. Deshalb
werden wir in vier Jahren bei der nächsten Bundestagswahl die
Chance haben, mit dieser Koalition weiterregieren zu
können.