Lange Jahre war die Anerkennung der staatlichen Existenz der DDR in der Bundesrepublik ein Tabu. Die Springer-Presse schrieb grundsätzlich den zweiten deutschen Staat nur in Anführungszeichen: „DDR”. Mit diesem jahrzehntelangen Grundmuster brach die SPD/FDP-Koalition unter Willy Brandt.
Zunächst schloss die Regierung Brandt-Scheel mit Ostberlin ein Transit- und Verkehrsabkommen, wodurch viele Menschen freiere Fahrt in und durch die DDR bekamen. Im Mai 1973 folgte der Grundlagenvertrag mit der DDR. Darin wurde die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen vereinbart. Eine ausdrückliche völkerrechtliche Anerkennung der DDR und damit der deutschen Teilung bedeutete der Vertrag allerdings nicht. Sichtbar wurde dies dadurch, dass die beiden deutschen Staaten am Sitz der jeweils anderen Regierung nicht Botschaften, sondern „Ständige Vertretungen” einrichteten. Der Vertrag, der die Grundlage für eine Fülle von weiteren Abmachungen mit der DDR schuf, wurde von der Opposition heftig bekämpft. Willy Brandt bezeichnete ihn als Ausdruck realistischer Wahrhaftigkeit: „Ein Volk verweigert sich seiner Geschichte, wenn es meint, sie mit Wunschträumen fortschreiben zu können. Illusionen schaffen keine Zukunft.”
Im Mai 1973 legte die Bayerische Staatsregierung Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Der Grundlagenvertrag sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, unter anderem, weil er das in der Verfassung enthaltene staatliche Ziel der deutschen Wiedervereinigung aufgebe. Das Gericht entschied jedoch anders: Der Vertrag sei verfassungsgemäß und der Weg zur Einheit Deutschlands bleibe den politisch Handelnden überlassen.
« Vorheriger
Artikel | Nächster Artikel »
Chronik
„50er-Jahre bis zur Gegenwart” »
Text Dr. Sönke
Petersen
Erschienen am 12. Juni 2009