Nicht alle Folgen des absehbaren Klimawandels werden für die Bundesrepublik negativ sein. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) versucht, durch die modellhafte Verknüpfung bekannter regionaler klimatischer Eigenheiten mit dem wahrscheinlichen globalen Trend herauszufinden, wie sich das Wettergeschehen auch in einzelnen deutschen Landschaften in den kommenden Jahrzehnten gestalten wird. So steht zu befürchten, dass sich der für Berlin-Brandenburg typische Mangel an Niederschlägen mit der Folge neuerlicher Missernten noch stärker ausprägen wird.
Andererseits kann aber der deutsche Weinbau vermutlich über den Werderaner Wachtelberg bei Berlin weiter nordwärts rücken. In Südengland hat sich die Rebenfläche in den zurückliegenden 15 Jahren bereits verdreifacht. Selbst Dänemark hat sich die EU-Zulassung für eine erste kleine Versuchsanlage geholt.
Auch diese Entwicklung hat freilich eine Kehrseite. Die auf kühle Herbstnächte für ihre Reifung angewiesene Riesling-Rebe ist unter Umständen im Rheingau nicht mehr zu halten und muss dann möglicherweise einem Cabernet Sauvignon weichen. Wer heute Reben pflanzt, die in 30 Jahren ihr Ertragsoptimum haben werden, der müsste - so Manfred Stock vom PIK - heute schon wissen, in welchem Klima seine Trauben blühen und fruchten werden. Die Potsdamer Wissenschaftler wollen nach den Worten von Professor Wolfgang Cramer nicht in den Fehler der Waldschadensforscher verfallen und für die Zukunft nur schwarz malen. Beispielsweise könnten ausgedehnte warme Jahreszeiten einen Badeurlaub an Ost- und Nordsee sehr viel anziehender als heute machen.
Auf die deutsche Klimawissenschaft warten laut Christian Schönwiese große und wichtige Aufgaben: Die Rechenmodelle müssten noch genauer und verlässlicher werden, so dass man auch für begrenzte Regionen und für die Niederschläge brauchbare Aussagen machen könne. Die Wolken bleiben ein schwer berechenbares "Sorgenkind" der Forscher. Extremereignisse wie Starkniederschläge, die mögliche Überflutungen nach sich ziehen, sind seit dem Elbehochwasser von besonderem Interesse.
Ebenso ist es für die Wissenschaftler nützlich und notwendig, die Riesenfülle der Beobachtungsdaten zu analysieren - auch für weit zurückreichende Zeiten, als der Mensch noch nicht in das Klima eingriff. Dies helfe, die natürlichen und die menschlichen Einflüsse auf das Klima zu trennen. Die Forscher wollen zudem genauer ermitteln, welche Folgen Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre haben, und das nicht nur wegen der bodennahen Ozonbelastung oder des Ozonlochs hoch in der Stratosphäre.
Durch die Zusammenarbeit mit Geologen und Ozeanologen hat es laut Schönwiese bereits "riesige" Fortschritte beim Aufspüren von Klimawandlungen gegeben, die sehr lange zurückliegen. So sei man auch auf abrupte Klima-Umstürze in Europa gestoßen, die mit Änderungen der ozeanischen Zirkulation, vor allem des Golfstroms, verknüpft waren. Auf solche Sprünge in der Klimaentwicklung, in der Klimavariabilität im weitesten Sinne, richtet sich verstärkt das Interesse der Forscher - nicht nur am PIK, sondern auch am großen Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg mit seinem leistungsstarken Rechenzentrum. Im Blick ist ein mögliches Wegschmelzen des westantarktischen Eisschildes oder des Grönlandeises, jeweils verbunden mit einem verheerenden Anstieg des Meeresspiegels.
Die Furcht, dass das Klima sehr plötzlich aus den gewohnten Gleisen springt, hat die Forscher um Hartmut Graßl (Hamburg) und Hans Joachim Schellnhuber (Potsdam) bewogen, im neuen Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Globale Umweltveränderungen einen kritischen Schwellenwert von zwei Grad Celsius für die globale Erwärmung vorzugeben, der nicht überschritten werden sollte. Wenn die Politik diese Vorgaben ernst nimmt, müsste sie die Umstellung auf eine von Treibhausgas freie Energieversorgung sehr viel rascher vorantreiben, einschließlich des Abscheidens von CO2 aus dem Rauch von Kohlekraftwerken und der Speicherung des Gases in geologischen Formationen. Über die Hälfte der Kohlenstoffemissionen in den neunziger Jahren haben die Meere und die Wälder geschluckt. Deshalb verdienen die Kreisläufe des die Temperatur bestimmenden Kohlendioxids zwischen Atmosphäre, Ozean und der Vegetation der Landoberfläche große Aufmerksamkeit.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Klima- und Atmosphärenforschung in Deutschland im Jahre 2003 mit rund 200 Millionen Euro gefördert. Für Themenfelder wie Globaler Wandel, Geotechnologien oder Meeres- und Polarforschung, die der Klimafwissenschaft zumindest benachbart sind, haben die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft noch einmal weitere 140 Millionen Euro erhalten; aber diese Summe schließt dann auch große technische Hilfswerkzeuge wie Satelliten, Schiffe und Rechner ein. Weil die Bundesrepublik auf diesen Feldern auch international Furore macht, avisiert das Ministerium für diesen Bereich "einen finanziellen Aufwuchs" in den nächsten Jahren.
Eine solch vielversprechende Aussage wird für die Einzel-Projektförderung im DEKLIM-Programm nicht gemacht. Und deshalb bangen die davon abhängigen Wissenschaftler, mit welchen Geldern sie nach 2005 noch rechnen können. Vier der viereinhalb Forscherstellen im Meteorologischen Institut von Schönwiese finanzieren sich aus derartigen Drittmitteln. Die deutsche Klimaforschung hat sich mit Hilfe starker staatlicher Unterstützung ein internationales Renommee erarbeitet, das dem der US-Amerikaner und Briten nicht nachsteht. Dass die Bundesrepublik zu den politischen Pionieren des Klimaschutzes in der Welt gehört, hat auch darin seine Ursache.
Der extrem heiße Sommer 2003 hat die bodennahen Ozonwerte in Deutschland wieder auf Belastungsspitzen ansteigen lassen, wie sie in dieser Häufigkeit und Dauer seit Jahren nicht mehr gemessen wurden. Das Klima hat also auch insofern etwas mit der Gesundheit der Menschen zu tun. An sieben Tagen im August wurde sogar der Schwellenwert von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter der neuen EU-Richtlinie überschritten, was nach dem alten deutschen Ozon-Gesetz Fahrverbote ausgelöst hätte. Diese Entwicklung ist umso beunruhigender, als die Emissionen der das Ozon bildenden Vorläuferstoffe - das sind Stickoxide und flüchtige organische Substanzen - gegenüber 1990 um etwa die Hälfte gesunken sind.
Das Umweltbundesamt stellt fest, dass die von der EU vorgegebenen langfristigen Ziele für die Ozonbelastung von Menschen und Vegetation nicht binnen weniger Jahre zu erreichen seien. Erst mit den für das Jahr 2010 geltenden nationalen Emissionshöchstmengen dürfe man hoffen, die Bodenversauerung zu halbieren sowie die Ozonbelastung der Gesundheit um zwei und die der Vegetation um ein Drittel zurückzuführen. Professor Wolfgang Seiler, Direktor des Fraunhofer-Instituts für atmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen, ist dagegen zuversichtlich, dass in wenigen Jahren zumindest eine fühlbare Besserung eintreten wird.
Die beschlossenen Maßnahmen zur Vermeidung von Stickoxiden im Kraftverkehr, insbesondere bei den Lastwagen, würden "das Streichholz am Pulverfass auspusten". Es blieben dann noch die Ausgasungen der Vegetation und die Verwehungen aus dem Ausland, denen entweder gar nicht oder nur schwer beizukommen sei.
Ein heißes, trockenes Klima ist auch dem deutschen Wald nicht bekömmlich. Insofern kann es niemanden verwundern, dass der Supersommer 2003 dem Gesundheitszustand des Waldes abträglich war. Wiederholen sich diese außergewöhnlich große Hitze und Trockenheit in dichter Folge, dann muss man für den deutschen Wald erneut Schlimmes befürchten.
Die Wiederkehr von Brandgefahr insbesondere in den brandenburgischen Forsten ist dabei nur eine Sorge unter anderen. Der deutsche Wald steht nämlich auf einer Altlast düngender und versauernder Niederschläge, die sich im Boden angesammelt haben. Die Grenzen der Belastbarkeit von empfindlichen Ökosystemen mit solchen Niederschlägen - im internationalen Sprachgebrauch als "Critical Loads" bezeichnet - werden in der Bundesrepublik "flächendeckend, massiv und im wesentlichen unverändert überschritten". Die luftversauernden schwefligen Emissionen sind zwar auf ein Sechstel und weniger zurückgegangen, doch die nicht im gleichen Maße gesunkenen sauren Einträge sind vielerorts gleichwohl für Boden und Wald zuviel, wie Professor Johannes Eichhorn von der hessischen Forsteinrichtung konstatiert.
Noch viel weniger können die Wälder die Stickstoffeinträge verkraften, deren Niveau weiterhin hoch ist. 40 Fachwissenschaftler waren sich im Herbst 2003 bei einer Zusammenkunft im Umweltbundesamt einig, dass nunmehr alle bekannten Techniken zur Minderung der Ammoniak-Emissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung einzusetzen sind, aus denen allein die Hälfte des Stickstoffeintrags stammt.
Der Zustand der Kronen deutscher Waldbäume wird nach wie vor Jahr für Jahr systematisch ermittelt, und auch die niedergehenden Schadstoffe und ihre Hinterlassenschaften werden an 89 Messstellen in der Republik analysiert. Das Programm der einstmals üppig dotierten Waldschadensforschung aber hat das Bundesministerium für Forschung 1998 eingestellt. Die Forstlichen Versuchsanstalten der Länder und des Bundes sowie Forstkundler an den Universitäten haben mit ihren begrenzten Mitteln das Schadensbild weiter im Auge.
Ihr Interesse wie auch die Fördermittel sind aber nun eher darauf gerichtet, den Wald mit Mitteln gesünder zu machen, die der Natur angepasst sind - damit die Bäume den Einwirkungen des Klimas und schädlicher Stoffe besser standhalten können. Es ist nicht entschieden, ob das gelingt. Denn der deutsche Wald stand 2003 im Ganzen gesehen immer noch erheblich schlechter da als zu Beginn der systematischen Schadenserfassung 1984. Dietrich Jörn Weder arbeitet als freier Umweltjournalist in Frankfurt am Main.