Zehn Jahre nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass alle bewaffneten Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich einer parlamentarischen Genehmigung bedürfen, soll dieser so genannte Parlamentsvorbehalt nun auch gesetzlich verankert werden. Der Deutsche Bundestag beriet am 25. März in erster Lesung über zwei entsprechende Gesetzentwürfe der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ( 15/2742) und der FDP ( 15/1985). Die Verfassungsrichter in Karlsruhe hatten den Bundestag in ihrem Urteil vom 12. Juli 1994 aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe orientieren sich weitgehend an der Praxis des Beschlussverfahrens zwischen Bundesregierung und Parlament, das in den vergangenen Jahren bei rund 30 bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr angewendet wurde.
"Dieser Parlamentsvorbehalt ist eine deutsche Besonderheit, aber diese Besonderheit hat sich bewährt. Sie ist Bestandteil unserer Rechtskultur. Es bleibt dabei: Die Bundeswehr ist und wird ein Parlamentsheer sein", betonte der SPD-Abgeordnete Gernot Erler, der den Gesetzentwurf von Sozialdemokraten und Grünen vorstellte. Die Bundesregierung muss den Bundestag rechtzeitig über Einsatzauftrag und -gebiet sowie die geplante Einsatzdauer, über die rechtlichen Grundlagen, die Höchstzahl der einzusetzenden Soldaten und die vorraussichtlichen Kosten und deren Finanzierung unterrichten. Der Bundestag kann dem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen; verändert werden kann der Antrag durch die Parlamentarier nicht .
Der Gesetzesentwurf von SPD und Grünen sieht jedoch ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren bei so genannten "Einsätzen geringer Intensität und Tragweite" vor. Demnach gilt die Zustimmung des Bundestages als erteilt, wenn nicht innerhalb einer Woche nach Vorlage des Regierungsantrages mindestens eine Fraktion oder fünf Prozent der Parlamentarier einen förmlichen Parlamentsbeschluss verlangen. Dieses vereinfachte Verfahren soll für die Einsätze kleiner Erkundungskommandos oder einzelner Soldaten im Rahmen von Missionen der UNO, NATO und der EU gelten. Dieses vereinfachte Verfahren soll auch bei der Verlängerung von bereits beschlossenen Mandaten angewendet werden. Neu an der gesetzlichen Regelung ist vor allem ein so genanntes Rückholrecht, das es dem Bundestag ermöglicht, seine Zustimmung zu einem Einsatz der Streitkräfte zu widerrufen - zum Beispiel, wenn sich die Bedingungen des Einsatzes gravierend verändert haben.
Die FDP geht in ihrem Gesetzesentwurf noch einen Schritt weiter. Nach ihrer Vorstellung soll ein geheimer "Ausschuss für besondere Auslandseinsätze" eingesetzt werden, der in Fällen von Geheimbedürftigkeit, Gefahr in Verzug - dies betrifft zum Beispiel Geiselbefreiungen - oder bei Einsätzen im NATO-und EU-Rahmen im Auftrag des gesamten Bundestages eine Entscheidung fällen darf. Jörg van Essen argumentierte für die Liberalen, dass bei einem solchen Verfahren auch Einsätze bei Gefahr in Verzug, die bislang ohne vorherigen Parlamentsbeschluss von der Bundesregierung angeordnet werden können, unter die Kontrolle des Bundestages gestellt würden.
Der Union gehen beide Gesetzesentwürfe nicht weit genug. Eckart von Klaeden (CDU/CSU) monierte, dass gerade bei Einsätzen der Bundeswehr innerhalb der schnellen Eingreiftruppen der NATO und der EU das bisherige Entscheidungsverfahren zu langsam sei. Für diese Einsätze sollten deshalb keine konkreten Parlamentsbeschlüsse getroffen werden, sondern zu Beginn der Legislaturperiode eine Art Vorratsbeschluss. Die Union will in den weiteren Beratungen einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Für die Grünen wies Winfried Nachtwei den Vorwurf zurück, das Gesetz verhindere die so genannte Schnelleinsatzfähigkeit der Bundeswehr bei Einsätzen auf NATO- oder EU-Ebene. "Da wird, glaube ich, ein Popanz aufgebaut." Alexander Weinlein