Der neue slowakische Ministerpräsident heißt Robert Fico. Seine Regierung aus der linksgerichteten Smer-Partei, der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS) und der Volkspartei-Bewegung für eine demokratische Slowakei (L'S-HZDS) wird am 4. Juli vereidigt, kündigte Staatspräsident Ivan Gašparovic am 30. Juni an. Damit wurden Befürchtungen, insbesondere des Auslands, das mitteleuropäische Land könne gewissermaßen einen politischen Rückschritt vollziehen, zumindest teilweise bestätigt. Immerhin verzichteten die beiden Protagonisten rechtsgerichteter Politik, Ex-Premier Vladimír Meciar (L'S-HZDS) und Ján Slota (SNS), von vornherein auf Ministerposten.
Ficos Suche nach Mitstreitern hatte sich wegen der eigenwilligen Stimmverhältnisse bei sechs zukünftig im Parlament vertretenen Parteien zunächst alles andere als einfach gestaltet. Denn die von ihm geführte Richtungs-/Sozialdemokratische Partei (Smer-SD) ist dringend auf Koalitionspartner angewiesen: Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 17. Juni holte sie zwar mit 29,14 Prozent die meisten Stimmen, verfügt aber mit 50 von 150 Sitzen keinesfalls über eine ausreichende Mehrheit, um allein regieren zu können.
Fico selbst hatte von vornherein eindeutige Präferenzen: Er wollte am liebsten mit der SNS (11,73 Prozent, 20 Mandate) und der L'S-HZDS (8,79 Prozent, 15 Mandate) oder der christdemokratischen KDH (8,31 Prozent, 14 Mandate) und der Ungarnpartei SMK (11,68 Prozent, 20 Mandate) oder schließlich der KDH und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) zusammengehen.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses waren sechs Koalitionen denkbar, davon zwei mit den unerwartet starken Nationalisten, nunmehr drittstärkste politische Kraft hinter der Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union - Demokratische Partei (SDKÚ-DS) des bisherigen Ministerpräsidenten Mikuláš Dzurinda mit 18,35 Prozent und 31 Sitzen.
Wenngleich sich in Umfragen vor den Wahlen immerhin ein Drittel der Wähler für eine rechtsgerichtete Koalition mit einem Ministerpräsidenten Fico und unter Beteiligung der SNS ausgesprochen hatte, liegt der Erfolg der Nationalisten, die im Wahlkampf mit Parolen gegen die Minderheiten der Roma und der Ungarn um die Gunst der Wähler geworben hatten, den meisten Slowaken schwer im Magen. Im Ausland dürfte eine Regierung mit SNS-Beteiligung keinen einfachen Stand haben und möglicherweise viel von dem in den vergangenen Jahren mühsam erarbeiteten guten Ruf der Slowakei verspielen. Zumindest war dies bereits den unmittelbaren Reaktionen der EU zu entnehmen, nachdem Staatspräsident Ivan Gašparovic drei Tage nach der Wahl Fico mit der Regierungsbildung beauftragt hatte.
Gerade wegen der Ablehnung der SNS im Ausland wurde Fico zu einer Koalition aus Smer-SD, KDH und SMK geraten. Sowohl die Christdemokraten als auch die Ungarn scheuten jedoch nach den ersten Gesprächen mit Fico vor einer Koalitionsaussage zurück. Die SMK wollte nicht die einzige Partei aus dem bisherigen Koalitionsgespann sein, die in einer neuen Regierung vertreten wäre, die KDH wiederum beriet zunächst auch sehr intensiv mit Minis-terpräsident Dzurinda über die Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit.
Programmatisch gesehen würden die SDKÚ-DS, die SMK und die KDH an sich sehr gut zusammenpassen. Dzurinda hätte jedoch auch noch die L'S-HZDS mit ins Boot nehmen müssen, um im Parlament über eine Mehrheit zu verfügen - eine für die Christdemokraten unannehmbare Bedingung. Meciar sei international völlig diskreditiert, Fico hingegen nicht, so der Tenor der endgültigen Absage, die die KDH Dzurinda dann doch erteilte.
Der KDH allerdings wurde die Taktik, es sich zunächst mit niemandem zu verscherzen, schließlich selbst zum Verhängnis. Denn nach durchaus viel versprechenden ersten Gesprächen mit Fico kam sie wegen ihres Zögerns erst gar nicht mehr in die engere Wahl für eine Koalition mit den Sozialdemokraten.
Vieles deutet darauf hin, dass die Slowakei 13 Jahre nach der Eigenständigkeit politisch gesehen erwachsen wird. Bemerkenswerterweise verpassten gerade solche Parteien den Sprung ins Parlament, die für Skandale und Regierungskrisen der vergangenen Legislaturperiode verantwortlich gemacht werden, darunter die wirtschaftsliberale Allianz des neuen Bürgers oder das stets auf seiner Unabhängkeit von jeder ideologischen Bindung beharrende Freie Forum.
Profile und Programme der künftig im Nationalrat vertretenen Parteien sind eindeutig schärfer als jemals zuvor, mögen sie auch nicht nach jedermanns Geschmack sein. Zumindest aber deutet vieles darauf hin, dass persönliche Abrechnungen das politische Tagesgeschäft künftig nicht mehr so dominieren werden wie bisher.
Fico selbst wird die goldene Mitte zwischen den durchgreifenden marktwirtschaftlichen Reformen der Dzurinda-Regierung und seinem eigenen Motto vom "Zurück zu einer menschenwürdigen Politik" finden müssen, wenn der aufstrebende Wirtschaftsstandort Slowakei für ausländische Investoren weiterhin interessant sein soll. Vor allem wird er seine Ankündigung überdenken müssen, im Energiesektor und im Transportwesen keine "strategischen Unternehmen" mehr zu privatisieren.
Im Übrigen sind sicher seine Pläne für eine erneute Steuerreform erklärungsbedürftig. Im Wahlkampf hatte Fico nämlich stets gegen die vom bisherigen Finanzminister Ivan Mikloš eingeführte "Flat tax" von 19 Prozent gewettert und die Einführung eines deutlich höheren Steuersatzes für Reiche und Monopolisten gefordert. Der Einheitssteuersatz ist jedoch nach wie vor für viele potenzielle Investoren ein wichtiges Argument für ein Engagement in der Slowakei. Das ergibt sich etwa aus der im März vorgestellten jüngsten Umfrage der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer (DSIHK) unter deutschen Investoren.
Vordringliche Aufgabe der neuen Regierung ist unstreitig der tiefgreifende Umbau des Bildungswesens. Nicht von ungefähr hatten sich im Vorfeld der Parlamentswahlen fast alle Parteien diesem Thema verschrieben, liegt dieser Bereich doch inzwischen nahezu brach.
Der Staat hat sich nämlich in den vergangenen vier Jahren beispielsweise bei der Finanzierung der Schulen auf das Nötigste zurückgezogen; daher sind diese vor allem auf Sponsoren angewiesen. Das gelingt nur in den wenigsten Fällen, und so bieten vor allem die hiesigen Grundschulen, die slowakische Schüler bis zur neunten Klasse besuchen, ein erschreckendes Bild. Selbst in der ansonsten so wohlhabenden Hauptstadt Bratislava gibt es genügend Schulen, die kein Geld haben, um notwendige Reparaturen auszuführen oder die Rechnung für die Heizkosten zu begleichen.
Der Eindruck eines mittlerweile maroden Bildungssystems wird indirekt auch durch die Ergebnisse der DSIHK-Erhebung bestätigt. Das Bild von der Slowakei als "verlängerter Werkbank" habe inzwischen ausgedient, vielmehr seien die Investoren nun an qualifizierten Facharbeitern interessiert, "wobei es allerdings oft noch an der nötigen Fertigungstiefe mangelt", erläutert DSIHK-Geschäftsführer Michael Kern. Die Slowakei müsse daher unbedingt in den Sektor Aus- und Weiterbildung investieren, um auf Dauer international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Trotz der politischen Versäumnisse hat sich die Bildungslandschaft in der Slowakei in den vergangenen vier Jahren sehr stark verändert. Private Bildungsträger finden sich inzwischen nahezu überall, wenngleich dies ein zweischneidiges Schwert ist. Denn einerseits können auf diese Weise viele Defizite etwa der staatlichen Schulen durchaus aufgefangen werden; andererseits aber mangelt es in der Praxis oft an einer ausreichenden Kontrolle dieser Einrichtungen, und Bildung gilt mittlerweile als käufliches Gut, das sich nur noch die wohlhabenderen Slowaken leisten können.