Während des Bürgerkrieges in Ruanda vor zwölf Jahren wurde fast jede dritte Frau vergewaltigt. In Liberia gab die Hälfte der befragten Frauen in den Flüchtlingslagern an, mit sexueller Gewalt konfrontiert worden zu sein. In der Demokratischen Republik Kongo werden Vergewaltigungen von allen Kriegsparteien praktiziert.
Vergewaltigungen sind ein perfides "Instrument" in Kriegs- und Krisengebieten, vor allem in den afrikanischen Ländern. Ein Problem, das in Zukunft noch weiter an Bedeutung zunehmen wird, weil sich auch die globalen Konflikte ausweiten, befürchten Experten.
Nach Angaben des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) mussten 2004 bereits mehr als 34 Millionen Menschen weltweit vor Kriegen flüchten. Auch in Flüchtlingslagern finden die Opfer keinen Schutz. Zum Beispiel in Uganda: Rund 1,6 Millionen Menschen aus diesem Land verloren ihre Heimat in dem mittlerweile 20 Jahre andauernden Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und Rebellen der "Lord Resistance Army". Besonders Frauen und junge Mädchen sind gefährdet: In den Notunterkünften sind sie erneut sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Zahl der entführten Kinder in Uganda wird auf rund 30.000 geschätzt, Kinder werden als Soldaten missbraucht, junge Mädchen als sexuelle Sklaven gehalten. Auch die gesundheitlichen Folgen sind weitreichend: die HIV-Rate ist in einigen Ländern explosionsartig angestiegen, laut einer Studie waren fast 70 Prozent der Opfer einer Vergewaltigung in Ruanda HIV-positiv. Aus Scham werden die Frauen verstoßen, von der Familie oder den Ehemännern. Das bedeutet wiederum Armut und häufig Prostitution. Dazu kommt die Straffreiheit vieler Täter.
Gewalt gegen Frauen ist also ein Massenphänomen, aber kaum eines, das bislang auch als solches auf einer internationalen Agenda behandelt wird, kritisierte Thoraya Obaid, die Leiterin des Weltbevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) bei der ersten internationalen Konferenz gegen sexuelle Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten, die im Juni in Brüssel stattfand. Dort verabschiedeten die Teilnehmer einen "Brüsseler Aktionsplan", der unter anderem Forderungen nach neuen Gesetzesinitiativen, freier medizinischer und psychologischer Versorgung, Trainings- und Sicherheitsmaßnahmen enthält. Hauptziel: Jedes Land solle strategische Allianzen mit Regierungen, Justizbehörden, Nichtregierungsorganisationen, Polizei und dem Militär schließen. "Denn nur zusammen können wir viel erreichen", forderte Obaid in Brüssel.
Inzwischen gibt es aber einige wenige ermutigende Signale: So hat Liberia einen nationalen Aktionsplan erarbeitet - dank der ersten Frau an der Spitze dieses Landes, Staatspräsidentin Ellen Johnson-Sirleaf. Darin geht es um zusätzliche Hilfsangebote für Opfer, um Gesetzesänderungen und spezialisierte Fortbildungen für Justiz und Polizei. Im Sudan verhandelt man derzeit mit den internationalen Friedenstruppen, um einen Begleitschutz für Frauen in den Flüchtlingscamps zu stellen. Dennoch wird es noch lange dauern, bis die Dimension von sexueller Gewalt in Konfliktregionen international anerkannt wird.
Im Internet: www.unfpa.org