War der Spanische Bürgerkrieg die erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Faschismus und Antifaschismus?", fragt Carlos Collado Seidel in seinem Buch "Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts". Die Anwort des Privatdozenten für Neuere Geschichte an der Universität Marburg fällt differenziert aus: Der Aufstand der Generäle im Juli 1936 war der traurige Endpunkt einer jahrelangen Entwicklung, die zu einer tiefen Spaltung der spanischen Gesellschaft geführt hatte: Einerseits hielt eine kleine Elite an der Macht fest und wurde dabei von der katholischen Kirche gestützt. Andererseits organisierten sich die unzufriedenen Land- und Industriearbeiter zunehmend in sozialistischen und anarchistischen Parteien und Gewerkschaften. Wie vielerorts in Europa trat auch in Spanien in den 30er-Jahren mit der Falange eine faschistische Partei auf die Bühne und stärkte das antisozialistische Lager.
Nach der Ausrufung der Zweiten Republik 1931 verschärften sich die gesellschaftlichen Spannungen, als Ministerpräsident Manuel Azaña radikale Reformen vorbereitete: Trennung von Staat und Kirche, eine Bodenreform auf Kosten der Großgrundbesitzer und eine Neuordnung der Streitkräfte mit einer drastischen Reduzierung des Offizierskorps. Dieses Programm musste die alten Eliten aufs äußerste provozieren. Für Seidel war der Konflikt "eingebettet in ein soziales und politisches Umfeld (…), das sich genuin aus der spanischen Geschichte ergibt". Es waren weniger Faschismus und Kommunismus, die den Bürgerkrieg bestimmten, als vielmehr ein konservativer Militarismus auf der einen und Sozialismus und Anarchismus spanischer Ausprägung auf der anderen Seite - in gewissem Sinne war es auch ein Kampf Arm gegen Reich. Der Autor hat eine sehr gelungene Überblicksdarstellung vorgelegt, die dem Laien den Einstieg in die komplexe Materie ermöglicht.
"Wir waren (…) alle zu der Überzeugung gelangt, dass die bestehenden Probleme ohne eine Auseinandersetzung auf den Straßen keine Lösung finden würden", beschrieb der spätere Kardinal Vincente Enrique y Tarancón die Stimmung am Vorabend des Bürgerkrieges. "Es war klar, dass es die Waffen sein würden, die das letzte Wort haben sollten." Wie dieser Waffengang verlief und warum die Republik scheiterte, beschreibt der britische Historiker Antony Beevor sehr detailliert: Ohne die Unterstützung durch das faschistische Italien und Nazi-Deutschland hätten die Nationalisten nicht so schnell Erfolge erzielt. Hitler nutzte die Gelegenheit, mit der Legion Condor moderne Luftkriegs- und Panzertaktiken zu testen - Methoden die später als "Blitzkrieg" bekannt wurden. Italien wollte dabei helfen, einen weiteren faschistischen Staat am Mittelmeer zu etablieren. Und schließlich lieferte auch Stalin - gegen Bezahlung in Gold - Waffen an die Genossen in Madrid. Er "schickte aber nie so viel Material, dass die Republik auch nur die Chance auf einen Sieg bekommen hätte", schreibt Beevor. "Auf diese Weise wollte er weder die Briten brüskieren (…) noch die Deutschen provozieren."
Auch das Versagen der militärischen Führung der Volksfront-Republik beschleunigte ihren Untergang. In sinnlosen Offensiven opferte der kommunistisch dominierte Generalstab seine Divisionen. Die anfängliche Begeisterung der "antifaschistischen" Kämpfer wich Unmut und Misstrauen gegenüber ihrer Regierung. Es kam zum Bürgerkrieg im Bürgerkrieg, als sich 1937 in Barcelona Marxisten, Kommunisten und Anarchisten gegenseitig umbrachten. "Ob Negrín mit seinen kommunistischen Kohorten gewann oder Franco (…), kam für uns auf dassselbe raus", erinnerte sich später ein Anarchist.
Die Untätigkeit Frankreichs und Großbritanniens förderte den Sieg der Franquisten. Ihr Agieren in einem so genannten internationalen "Nichteinmischungskomitee" war eine Farce. Alle Welt wusste, dass Italien und Deutschland Franco massiv unterstützen, aber London und Paris sprachen sich gegen Waffenlieferungen an die gewählte Regierung in Madrid aus. Für Beevor kam Großbritannien eine Schlüsselrolle zu. Vor dem Hintergrund der aggressiven deutschen Politik betrieb London auch bezüglich des Spanienkrieges Appeasement. Großbritannien opferte die Spanische Republik "in seinem verzweifelten, aber irregeleiteten Bemühen, den Krieg zu verhindern, ebenso wie es anschließend die Tschechoslowakei opferte". Antony Beevor hat - wie schon mit seinen Schilderungen der Schlachten von Stalingrad und Berlin - beste britische Historiographie geliefert: umfassend, verständlich und spannend.
Bis heute - selbst nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges - erschreckt die Brutalität, mit der beide Seiten den Krieg führten. Schätzungen zufolge wurden zwischen 1936 und 1944 von den Nationalisten etwa 140.000 Menschen ermordet, tausende wurden im spanischen Gulag interniert. Die Motive von Francos Repression und das Wechselspiel zwischen offizieller Vergangenheitspolitik und dem tatsächlichen Erinnern der Menschen an den Schrecken des Bürgerkrieges beschreiben Walther L. Bernecker, Experte für spanische Geschichte, und Sören Brinkmann vom Lehrstuhl für Auslandswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg. Bernecker schildert, wie die Sieger die Spaltung des Landes in "gute" und "schlechte" Spanier aufrechterhalten, um die Diktatur zu legitimieren. Francos Aufstand deuteten die Sieger als einen präventiven Schlag gegen die angebliche Gefahr einer blutigen kommunistischen Revolution. So wurde, wie Bernecker ausführt, die unbeschränkte Machtausübung des Regimes gerechtfertigt, "indem der Besiegte delegitimiert wurde".
Die Wende kam 1975, als Franco starb und König Juan Carlos die Weichen in Richtung Demokratie stellte. Für die Transition - die Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie - kam der Erinnerungspolitik entscheidende Bedeutung zu, schließlich sollte das "franquistische Establishment" zur Mitarbeit gewonnen werden. "Die Einsicht, dass der Bürgerkrieg jenseits der ideologischen Bruchlinien zuallererst eine nationale Tragödie bedeutete", wurde zum Konsens in Politik und Gesellschaft, wie Brinkmann zeigt. "Der Wunsch, eine Neuauflage der sozialen Konflikte der 30er-Jahre zu verhindern, wurde beinahe zur Obsession."
Dieser "Pakt des Schweigens", des weitgehenden Nichterinnerns an Täter und Opfer des Krieges, um den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, hielt bis Mitte der 90er-Jahre. Seitdem ist ein Wandel in der spanischen Gesellschaft und Öffentlichkeit erkennbar: Bürgerinitiativen organisieren Exhumierungen von in Massengräbern verscharrten Opfern, die Medien zeigen verstärkt Interesse am Bürgerkrieg, und viele Menschen gehen auf die Suche nach dem Verbleib ihrer Angehörigen. Bernecker und Brinkmann zeigen mit ihrem lesenswerten Werk eindrucksvoll, wie die spanische Zivilgesellschaft die Initiative ergriffen und gegen die Linie der Politik das Thema Bürgerkrieg wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ob der 70. Jahrestag des Beginns der spanischen Tragödie der Erinnerungskultur neue Impulse geben wird, bleibt abzuwarten.
Carlos Collado Seidel
Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen
Konflikts.
Verlag C. H. Beck, München 2006; 218 S., 12,90
Euro.
Antony Beevor
Der Spanische Bürgerkrieg.
C. Bertelsmann, Müchen 2006; 640 S., 26 Euro.
Walther L. Bernecker / Sören Brinkmann
Kampf der Erinnerung. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und
Gesellschaft 1936 - 2006.
Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2006; 378 S., 20,50
Euro.