Unter der Telefonnummer "116" sollen Kinder in allen Ländern der Europäischen Union künftig Hilfe in Notfällen bekommen. Die Europäische Kommission verabschiedete jüngst die erste EU-Strategie für Kinderrechte. Zu den neuen Plänen gehört ein Beratungstelefon für Kinder sowie ein EU-weiter Notrufdienst für verschwundene Kinder und Opfer sexueller Ausbeutung - erreichbar unter einer gemeinsamen Nummer. Die Notfallnummern sollen noch in diesem Jahr frei geschaltet werden, kündigte EU-Justizkommisar Franco Frattini im Straßburger Europaparlament an. Zudem wolle die Kommission Europas Banken dabei unterstützen gegen den so genannten "Kreditkarten-Kauf" von Kinderpornografie im Internet vorzugehen.
Auf einer neuen Internet-Seite will die Brüsseler Behörde Themen für Kinder in allen Ländern der EU und die Rechte von Kindern präsentieren. Informationen sollen in allen bald 22 offiziellen Sprachen der EU geliefert werden. Beim Erstellen der Seite setzt die Kommission auf die Hilfe des Europarats, das 46 Länder umfassende Völkerrechtsgremium des Kontinents. Außerdem will die Kommission alle EU-Vorhaben zum Kampf gegen Kinderarmut zusammenführen. Noch in diesem Jahr sollen eine interne Arbeitsgruppe und ein spezieller Koordinator ihre Arbeit aufnehmen. Sie sollen dafür sorgen, dass Kinderrechte in den Entscheidungsprozessen der EU ein größeres Gewicht bekommen und die Meinungen und Wünsche von Kindern in Entscheidungen einfließen.
"Kinderrechte werden auch bei uns noch längst nicht allgemein geachtet, die Europäische Union kann und muss für grundlegende Fortschritte sorgen", sagte EU-Justizchef Frattini. Angesichts ihrer Präsenz und ihres Einflusses in der Welt aber könne die Union Kinderrechte in allen Ländern wirksam fördern. Teil der neuen europaweiten Strategie sei es daher auch, die Entwicklungshilfe der Gemeinschaft der 25 Mitlgiedstaaten künftig besser auf die Bedürfnisse von Kindern in aller Welt zuzuschneiden.
Angesichts aktueller Veränderungen in Wirtschaft, Politik, Umwelt und Gesellschaft sind Kinder und Jugendliche stärker von Armut bedroht als die Gesamtbevölkerung der EU, betont das Kommissionspapier. Jeder fünfte junge Mensch unter 25 Jahren stehe in Gefahr, in Armut aufzuwachsen. Bei Erwachsenen liege das Armutsrisiko dagegen nur bei 16 Prozent.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barosso hob den Zusammenhang zwischen den Menschenrechten und den Kinderrechten hervor: "Die Rechte und Werte, die wir künftigen Generationen vermittlen, belegen eindeutig unser Engagement für die Grundrechte. Ich hoffe, dass der Prozess...eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Stärkung der Kinderrechte ermöglicht".
Eine Gruppe von Kinderrechts-Organisationen begrüßte den Kommissionsplan als "ausgezeichneten ersten Schritt" um sicher zu stellen, dass Kinderrechte den Stellenwert bekommen, den sie verdienen. Bisher habe sich die Europäische Union nicht ausreichend um Themen wie Kindesmissbrauch gekümmert, beim Schutz von Migrantenkindern liege die Union weit hinter internationalen Standards. Auch die Mitgliedstaaten hätten den Kampf gegen Kinderarmut nicht energisch genug voran getrieben. "Doch was wir brauchen ist mehr als nur Alibipolitik", forderte Britta Öström von "Save the Children".
Die Kinderrechts-Gruppen riefen die EU-Kommission dazu auf, den Posten eines EU-Kommissars für Kinderrechte zu schaffen. Mit dem anstehenden Beitritt von Rumänien und Bulgarien in 2007 oder spätestens 2008 werden ohnehin zwei Kommisare mehr in der Brüsseler Behörde arbeiten, argumentieren die Kinderschützer.
Vor allem aber sei es nach Auffassung der Kinderschützer die politische Partizipation, die die Rechte der Schwächsten in der Gesellschaft ganz weit oben auf die Tagesordnung der Europäischen Union katapultieren könnte, sagte Öström. "Entscheidend ist, dass Kinder in allen politischen Bereichen aktiv sein können, denn ihren positiven Einfluss auf die Politik stellen sie immer wieder neu unter Beweis", argumentierte sie für das Ziel Kinder an die Macht.