Dass ein Wolf noch lange kein Leopard ist, kann der Mann mit dem bunten Hemd und der schwarzen Hautfarbe nicht wissen. Denn hätte er je einen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 gesehen, würde er Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) nicht vorhalten, die Bundeswehr sei mit "Panzern" in Kinshasa aufgezogen. Es sind die geschützten Fahrzeuge vom Typ "Wolf", die die deutschen Soldaten in die Hauptstadt des Kongo mitgenommen haben. Er sieht eher wie ein großer, schwerer Geländewagen aus. Doch die Kritik des kongolesischen Journalisten vor dem hohen ausländischen Gast sagt viel über das Misstrauen, das die Bevölkerung gegenüber dem Militäreinsatz der Europäischen Union hat. Ganz anders als Jungs Amtskollege Adolphe Osunumba kann der Redakteur keineswegs eine große Zustimmung unter den Bürgern ausmachen. Vielmehr herrsche die Angst, dass die EU mit ihren 2.000 Soldaten, die die ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit 1965 am 30. Juli absichern helfen sollen, Staatspräsident Joseph Kabila und die Regierung stützen.
Im Laufe seines Kurzbesuchs am 3. und 4. Juli im Kongo und Gabun, wo die insgesamt 780 deutschen Soldaten während des EU-Einsatzes stationiert sein werden, dürfte Jung gemerkt haben, dass es ein Versäumnis war, sich mit Vertretern der Opposition nicht genauso öffentlichkeitswirksam getroffen zu haben wie mit den Regierenden. Vor der Reise hatte er gesagt, die Oppositionspolitiker hätten keine Zeit für ihn. Bei der Abschlusspressekonferenz im Garten der deutschen Botschaft wird er von der Haupstadt-Presse gefragt, warum er sich nicht mit der Opposition getroffen habe. Zur Überraschung seiner mitreisenden Delegation antwortet Jung, dass er mit Vertretern von Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, einem der Herausforderer Kabilas, zusammengekommen sei. Davon war bis dahin nichts bekannt. Der deutsche Botschafter schiebt ihm schließlich noch einen Zettel zu, so dass Jung ergänzt, er habe auch mit dem Generalsekretär der oppositionellen UDPS gesprochen.
Über den Inhalt dieser Gespräche berichtet der Minister dann nur zögerlich. Zunächst wehrt er die von den örtlichen Journalisten geäußerten Bedenken brüsk mit den Worten ab, er teile diesen Pessimismus nicht, "der hier pressemäßig verbreitet wird". Dann räumt er aber ein, in der Opposition bestehe die Sorge, dass die EU-Truppen den Eindruck der Parteinahme für Kabila erwecken könnten. "Ich habe klar und deutlich gesagt, dass das nicht der Fall sein wird", betont Jung. Die EU werde sich mit ihrer Mission absolut neutral verhalten und für niemanden Partei ergreifen.
Der Präsident der unabhängigen Wahlkommission, Muholongu Malumalu, berichtet dem ausländischen Gast, dass 300.000 Wahlhelfer und 2.000 internationale Wahlbeobachter im Einsatz sein werden. Unabhängig vom organisatorischen Aufwand müsse vielen Bürgern klar gemacht werden, was eine Wahl überhaupt sei. Er fügt hinzu: "Und ich hoffe, dass sämtliche politische Akteure sich friedlich verhalten und einen Wort-Wahlkampf machen und nichts anderes."
Die Vereinten Nationen hatten die EU um Hilfe bei der Absicherung der den Wahlen gebeten. Die UNO ist selbst mit rund 17.000 Soldaten im Kongo. Sie fürchtet, dass Wahlverlierer das Ergebnis nicht anerkennen werden und die Macht mit Gewalt an sich reißen wollen. Für die EU ist dies der erste große Einsatz in Afrika und ein Test für ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Brüssel konnte die Mitgliedstaaten aber nur mühsam bewegen, Truppen zu stellen. Nun tragen Frankreich und Deutschland die Hauptlast. Von diesem Montag an (10. Juli) wird das Hauptkontingent verlegt. In der Bundeswehr ist der Einsatz, der von General Karlheinz Viereck geleitet wird, umstritten. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, spricht von einem "politischen Show-Geschäft" mit 2.000 Soldaten, "von denen die meisten den Kongo nicht betreten werden". Nach derzeitiger Planung sollen 1.100 Soldaten, darunter 280 deutsche, in Kinshasa stationiert sein. Rund 500 deutsche Soldaten bleiben als Unterstützungskräfte in Gabuns Hauptstadt Libreville.
In Kinshasa können sich die Beobachter ein Bild davon machen, wie heikel der Einsatz ist. Das Wichtigste sei "Sichtbarkeit", sagt Jung. Schon allein durch ihre Präsenz würden die EU-Soldaten für Abschreckung sorgen. Von den Deutschen zumindest werden die sieben Millionen Kongolesen in der Metropole aber nicht viel sehen. Patrouille fahren andere Nationen. Die Bundeswehr ist zwar mitten in der Stadt stationiert - auf einem alten Flughafengelände. Aber dies ist mit Mauern und NATO-Draht weiträumig abgeriegelt. "Sichtbarkeit" würden die Deutschen schon allein durch ihre Hubschrauber herstellen, sagt ein Heeresflieger. Davon gibt es drei Stück. Und es ist fraglich, ob die Bevölkerung auf das EUFOR-Zeichen achten wird.
Auf die Frage, was sie im Kongo genau machen, antworten die Soldaten ganz unterschiedlich. Die einen sagen, der Auftrag müsse aus der Situation heraus definiert werden. Die anderen erklären, sie würden Wahllokale schützen. Die nächsten meinen, die Bundeswehr stelle den Transport von Verletzten nach Gabun sicher. Wiederum andere berichten, von den 280 Soldaten in Kinshasa werde der größere Teil dafür gebraucht, die Versorgung der Kameraden und die Wartung der Technik zu bewerkstelligen. In Berlin wurde stets erklärt, Deutschland sei für die Rettung von internationalen Wahlbeobachtern zuständig. In einem Interview sagte General Viereck dann: "Das schlimmste Bild, das auftauchen könnte, wäre, dass wir Europäer nur die Weißen aus Kinshasa rausholen." Auf die Frage, ob die Bundeswehr auch bedrohte Kandidaten für die Wahlen schützen werde, sagt ein Oberstleutnant: "Wir sind hier, um Menschen zu helfen." Jung betonte stets, die Bundeswehr sei nicht dazu da, den Kongo zu befrieden.
Die Mission wird auch von hohen Generalen als eine Rechnung mit viele Unbekannten angesehen. Klima und Mentalität in dem Land, sind neue Herausforderungen für die Bundeswehr. Ferner ist der Einsatz auf vier Monate begrenzt, woran fast keiner der bereits in Kinshasa oder Libreville stationierten Soldaten glaubt. Jung hat per Interview versprochen, dass Weihnachten alle wieder zuhause sind. Spöttisch sagt ein Soldat: "Fragt sich nur, welches Kontingent er meint." Im Innersten rechnen viele von ihnen damit, dass sie länger bleiben - oder wiederkommen müssen. Sie können sich nicht vorstellen, dass die EU abzieht, falls die Situation zum Ende des Mandats am 31. November eskalieren sollte. Außerdem sei noch gar nicht abzuschätzen, ob die Wahlverlierer nicht einfach warten bis die EU-Soldaten wieder in ihrer Heimat sind und dann losschlagen.
Eines ist in der Bundeswehr schon schief gegangen: Obwohl der Einsatz seit Frühjahr vorbereitet wurde, wurden einige Soldaten mit Winterschlafsäcken ausgestattet. Sonnenbrillen fehlen, und kurze Hosen - wie die Franzosen sie tragen - für einen Einsatz bei 40 Grad und 75 Prozent Luftfeuchtigkeit gibt es nicht. Weil die Stiefel schmerzen, haben sich etliche Männer von ihrem eigenen Geld festes, luftdurchlässiges Schuhwerk gekauft.
Im Kongo fürchten die deutschen Soldaten keine Sprengfallen oder Selbstmordattentäter wie in Afghanistan. Vielmehr sehen sie die Gefahr, dass Menschenmassen ihr Fahrzeug umringen, den Wagen umstürzen und den Insassen die Kehle durchschneiden. Jedenfalls hätten Kongolesen ihnen bereits ent- sprechendes per Handzeichen am Hals bedeutet, berichtet ein Oberleutnant. Und auch Jungs Delegation, die die Polizei durch die staubigen Straßen Kinshasas eskortiert, wird nicht gerade winkend empfangen. Viele Männer machen Handbewegungen, die unschwer erkennen lassen, dass die Gäste dahin gehen sollen, wo sie hergekommen sind.