Jedes Jahr im Herbst ist es das gleiche Spiel. Viele Schulabgänger haben keine Lehrstelle bekommen, Politik und Wirtschaft schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Am vergangenen Freitag diskutierten die Abgeordneten des Bundestages über Lösungsmöglichkeiten. 50.000 Jugendliche haben Regierungsangaben zufolge noch keinen Ausbildungsplatz. Dem stehen laut Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) aber 60.000 offene Stellen gegenüber.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verteidigte die Initiativen der Bundesregierung. Der Ausbildungspakt, den die rot-grüne Regierung vor zwei Jahren mit der Wirtschaft geschlossen hatte, müsse nach seinem Auslaufen in 2007 verlängert werden. Die Plätze der im Ausbildungspakt vereinbarten Einstiegsqualifikationen, also Praktika von einem halben bis ganzen Jahr, habe das Bundesarbeitsministeriauf 40.000 angehoben. Ein großes Problem seien die Bewerber der Vorjahre, die zusätzlich auf den Markt drückten. Eine Chance für diese sehe sie in einer Modularisierung der beruflichen Bildung.
Nicolette Kressl (SPD) sprach von einer "extrem angespannten Lage auf dem Ausbildungsmarkt", da es keine verlässlichen Zahlen zum Verhältnis von Ausbildungsstellen und Bewerbern gebe. Das Ziel muss sein, Angebot und Nachfrage auf aktuelle Schulabgänger und nicht auf deren Vorgänger abzustimmen, forderte Kressl. Sie appellierte an Unternehmen, "Verantwortung für die ökonomische Zukunft des Landes" zu übernehmen und weiter auszubilden. Andernfalls stünden sie irgendwann vor dem Problem, dass sie keine Fachkräfte mehr hätten.
Die Oppositionsparteien warfen der Regierung Versagen vor. Cornelia Hirsch von der Fraktion Die Linke erklärte den Ausbildungspakt für gescheitert. "Mit ihrer Politik treten Sie die Rechte junger Menschen mit Füßen", warf sie der Koalition vor. Sie forderte die Einführung einer gesetzlichen Ausbildungsumlage. Betriebe, die nicht ausbildeten, sollten dafür bezahlen. Sie kritisierte die frühere rot-grüne Bundesregierung: Die SPD sei damals "vor der Arbeitgeberseite eingeknickt".
Der "Innovationskreis Schavan" tage ständig, könne aber keine Ergebnisse vorweisen, sagte Priska Hinz von Bündnis 90/Die Grünen. "Der Wirtschaftsminis-ter sagt, die Lage ist besser als dargestellt. Das ist Realitätsverweigerung." Sie forderte, die Einstiegsqualifikation ausschließlich für benachteiligte Jugendliche anzubieten. Zurzeit finde auch hier ein Verdrängungswettbewerb statt, in dem bessere Schüler die schlechteren austechen. Um den Teilnehmern der Einstiegsqualifikation bessere Chancen zu geben, sollten sie im Rahmen der Maßnahme Berufsschulunterricht erhalten.
"Ein klares Nein zur Lehrstellenabgabe, ein klares Nein zu mehr außerbetrieblicher Ausbildung", so das Fazit von Patrick Meinert (FDP). Die Berufsausbildung dürfe nicht noch verschulter werden. "Die falsche Politik von Rot-Grün ist schuld" an der Lehrstellenmisere, sagte er. Für seine Fraktion schlug er als Lösungsansatz bessere Qualifikationsmöglichkeiten für Hauptschüler, eine modularisierte Berufsausbildung und Teilabschlüsse vor. Dadurch hätten auch Menschen eine Chance, die mit Schule wenig anfangen könnten.
In der anschließenden Abstimmung nahmen die Abgeordneten mit den Stimmen der Koalition einen Antrag von CDU/CSU und SPD an, der eine "neue Dynamik für Ausbildung" fordert ( 16/543). Das Berufsbildungsgesetz solle zügig umgesetzt und die Wirkung des neuen Berufsbildungsrechtes überprüft werden. Anträge der FDP, der Grünen und der Fraktion Die Linke wurden abgelehnt. Die FDP forderte eine weitere Entbürokratisierung des Berufsbildungsrechtes ( 16/235), die Grünen plädierten für einen Ausbau der Benachteiligtenförderung sowie eine bessere Durchlässigkeit des Bildungssystems ( 16/198) und Die Linke beantragte eine Umlagenfinanzierung und eine Überarbeitung des Berufsausbildungsgesetzes ( 16/122).