Das Parlament: Unternehmensberater beraten inzwischen nicht mehr nur Unternehmen, fast zehn Prozent des Gesamtumsatzes im Beratergeschäft, schreiben Sie, wird mit der Beratung des Öffentlichen Dienstes, der Verwaltung und der Politik erwirtschaftet. Warum lassen sich Politiker beraten?
Thomas Leif: Weil sie misstrauisch gegenüber ihren eigenen Ministerialbürokraten und ihren engsten Mitarbeitern sind und zweitens, weil es bequemer ist, externe Leute einzusetzen, und weil sie glauben, über die externen Leute die Ergebnisse mehr in ihre Richtung steuern zu können. Am Ende also Bequemlichkeit, Effizienz in ihrem Sinne und natürlich auch die Erfahrung, das hat ein früherer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium mal gesagt, dass die Unternehmensberater in zwei Tagen ein buntes Bild abgeben, eine Powerpoint-Präsentation, wofür seine Leute viel länger bräuchten.
Das Parlament: Gibt es in der Ministerialbürokratie nicht genügend kompetente Beamte, die Probleme lösen können?
Thomas Leif: Ich glaube, dass wir in Deutschland eine sehr gute Ministerialbürokratie haben, die sehr gut ausgebildet ist. Man misstraut diesen Leuten zu sehr und das halte ich für einen großen Fehler.
Das Parlament: Gibt es seit seitens der Politik nicht Bedenken gegenüber den Beratern? Immerhin möchten diese im Sinne ihrer Shareholder Kapital erwirtschaften und könnten deshalb erwünschte Ergebnisse liefern.
Thomas Leif: Wenn man die Berichte des Bundesrechnungshofes sieht, dann kann es keine Bedenken geben, weil die Berater im großen Umfang für kleine und große Aufgaben eingesetzt werden. Es ist meiner Ansicht nach festzustellen, dass da die Kritik unausgeprägt ist. Was der Rechnungshof aufgeschrieben hat und im Haushalt besprochen worden ist, wurde nie kritisch aufgegriffen, sondern man macht eigentlich weiter im alten Schema.
Das Parlament: Sie schreiben, circa 1,1 Milliarden Euro werden für die Beratung seitens der Politik ausgegeben. Wer lässt sich denn häufiger beraten, Bund oder Länder?
Thomas Leif: Das ist gemischt. Der Bund hat natürlich größere Blöcke im einzelnen, aber die Summe der Länder ist auch gewaltig. Man muss aber eines sehen: Nachdem der Rechnungshof Baden Württemberg dieses Thema aufgegriffen hatte, hat man dort innerhalb kürzester Zeit das Budget für die Beratung halbiert. Das heißt, die Kritik, die dort angekommen ist, hat durchaus Wirkungen und im Haushaltsausschuss steht dieser Prozess auch noch an. Es kann durchaus sein, dass man, was den öffentlichen Haushalt angeht, künftig skeptischer sein wird.
Das Parlament: Wollen die Berater politischen Einfluss ausüben?
Thomas Leif: Definitiv. Die Interviews des scheidenden McKinsey-Chefs Kluge gehen dahin. Sie wollen, um es platt zu sagen, zu einer Gesellschaft, die auch der frühere CDU-Fraktionschef Friedrich Merz will; nämlich eine starke Dominanz der Wirtschaft, eine starke Dominanz von Privatisierungen, ein Aussortieren von Leuten, die nicht mehr so mitkommen und ganz klar alle sozialpolitischen Standards zurückschrauben. Das ist zwar genuin ein politischer Begriff, wird aber ein bisschen ummantelt in der Form von mehr Autonomie und mehr Bürgerfreiheiten. Es ist aber ein klares neoliberales Glaubensbekenntnis.
Das Parlament: Sie haben vor kurzem in der ARD über einen ehemaligen McKinsey-Mitarbeiter berichtet, der jetzt für die Bundesagentur für Arbeit seine eigenen Vorschläge in die Praxis umsetzt. Ist das eine Art der politischen Einflussnahme?
Thomas Leif: Das ist sicherlich ein Beispiel, was auch in den internen Gutachten des Rechnungshofes juristisch extrem hinterfragt wird, nämlich, dass diejenigen, die in der Hartz-Kommission, das sind die Firmen Roland Berger und McKinsey, den gesamten Umbau der Bundesagentur analysiert und vorbereitet haben, später die Aufträge bekamen. Und dieses Prinzip, Auftragsentwicklung und Auftragsvergabe, ist nach unseren Gesetzen und nach den Gesetzen der öffentlichen Verwaltung verboten. Es ist aber dort in extremer Form missachtet worden, und ich glaube die juristische Nachbearbeitung wird jetzt noch erfolgen.
Das Parlament: Sie schreiben auch, dass es in den Unternehmen eine hohe Mitarbeiterfluktuation gebe. Warum steigen so viele wieder aus, wenn ein Anfangsgehalt von 70.000 Euro geboten wird?
Thomas Leif: Weil die meisten Mitarbeiter ausgeblutet werden. Selbst Projektleiter sagen mir, dass sie nach zwei Monaten im Grund ihre Jahresgage verdient haben. Das System der Beratung läuft nach "up or out", nach Aufsteigen oder Untergehen. Und das führt dazu, dass man immer wieder frische Kräfte haben will, um sie möglichst auf dem größten Leistungsstand zu halten. Die Leute, die es nicht nach oben schaffen, das sind bis zu 20 Prozent im Jahr, werden einfach nach einer gewissen Zeit entlassen oder werden negativ bewertet und Projekte werden als gescheitert angesehen. Das Prinzip ist, dass man viel Wechsel haben will und dass man keinesfalls zu einer statischen Organisation zementiert werden möchte.
Das Parlament: Sie stellen das Beratergeschäft in Ihrem Buch ziemlich kritisch dar. Wie denken Sie über die Zukunft der Beratung, wird es in der Politik mehr oder weniger Beratung geben?
Thomas Leif: Ich glaube, dass es sich in einigen Bereichen wie jetzt in Baden-Württemberg reduzieren lässt und dass man genauer hinschaut, weil es jetzt eine höhere Sensibilität für das Thema gibt. Ich glaube aber nicht, dass es dezidiert weniger wird, weil die Politik sich selbst sozusagen ein schwaches Zeugnis ausstellt und ihre eigene Kompetenz reduziert. In der Wirtschaft ist der Trend etwas anders, da geht es hin zu Differenzierung, dass mehrere DAX-Unternehmen Stabsstellen aufbauen und genau kontrollieren, wer welchen Auftrag kriegt, wie der ausschaut, wie lange der finanziert werden und was herauskommen soll, also mehr Leistungsdruck und mehr Leistungskontrolle. Das könnte man sich für den öffentlichen Bereich auch wünschen.
Das Parlament: Gehen Privatunternehmen im Vergleich mit der Politik kritischer mit Beratern um?
Thomas Leif: Nein, eigentlich nicht. Da ist das besondere Phänomen zu beobachten, dass sehr viele Berater persönliche Coaches, also Betreuer, für Spitzenmanager sind. Und diesen werden indirekte Aufgaben zugebilligt, zum Beispiel Kontrolle, Ausspionierung bestimmter Prozesse in Unternehmen, Transfer von Wissen von früheren Kunden. Da wird eigentlich noch das Geld mit vollen Händen ausgegeben und man kann sich nur wundern, wie viele hochbezahlte Arbeitstage für Banalitäten ausgegeben werden.
Das Interview führte Maik Forberger
Thomas Leif: Beraten und Verkauft. McKinsey & Co. - der große Bluff der Unternehmensberater. Bertelsmann Verlag, München 2006; 447 S., 19,95 Euro.