SERBIEN
Die Entscheidung über den neuen Präsidenten fällt am 3. Februar. Stimmungsbild aus Belgrad
Mittags um zwölf herrscht reges Treiben auf der Knez-Mihajlova-Strasse, im Herzen von Belgrad. Die Läden sind überfüllt, der Winterausverkauf ist voll im Gange. Ein Hauch Triest weht durch die Haupteinkaufsstraße der serbischen Metropole. Auf großen Plakaten lächeln zwei ernsthafte Herren auf blutjunge Schönheiten, mit längsten Beinen dieser Erde versehen. Mit obligatorischem Handy am Ohr, bepackt mit farbenfrohen Tüten, stürmen sie die Läden. "Endlich, billig einkaufen", sagt eine Passantin im Vorbeigehen. Alltagssorgen plagen die Menschen, die zweite Runde der Präsidentschaftswahl am 3. Februar scheint fern zu sein: das Fleisch wird teurer, ein Liter Milch kostet seit dem Herbst mehr als in Deutschland, der Dinar schwächelt gegenüber dem Euro.
Im noblen Kaffeehaus des Hotel "Moskva" spielt ein ergrauter Geiger, begleitet von einem Klavierspieler kleine Walzer zu Mittag. Die Kellner huschen lautlos mit ihren Tabletts um die Tische, servieren das Tässchen Kaffee wie eh und je mit einem Glas Leitungswasser und einem Stück Zucker dazu.
Vor einer Woche hat das Hotel seinen 100. Geburtstag gefeiert. Das Klinkergebäude war ein Geschenk des russischen Zaren an das junge Königreich Serbien und diente als Domizil der russischen Wirtschaftskammer.
Es sollte als ein Zeichen der brüderlichen Liebe verstanden werden, möglich ist aber auch, dass Russland Serbiens gute Wirtschaftsbeziehungen zu Wien nicht genehm waren. Heute, hundert Jahre später, wartet Russland wieder mit einem Geschenk auf. Und zwar just in dem Moment, als Serbien nicht nur einen Präsidenten wählt, sondern auch über seine Zukunft entscheidet.
Eine "rosige" europäische Zukunft verspricht der moderate Amtsinhaber Boris Tadic. "Wir leben nicht in Sibirien, sondern in Europa", sagt er. Für die russische Taiga plädiert hingegen der Nationalist Tomislav Nikolic; denn "Russland ist uns näher" sagt er. Die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 20. Januar hat er gewonnen.
Ob er auch die Stichwahl mit russlandfreundlichen Tönen gewinnt, ist fraglich. Denn außer Russland, scheint auch Europa mit Geschenken in der Tasche aufzuwarten. So umhätschelt war Serbien schon lange nicht mehr.
Zuerst ist aber Russland schneller: denn gerade zwei Tage nach der ersten Wahlrunde wird endlich besiegelt, worüber schon lange gemunkelt wurde: Die geplante Pipeline für russisches Gas nach Westeuropa, führt nun doch durch Serbien. Ob das Geschenk tatsächlich eines ist, dürfte in Belgrad allerdings nicht sicher sein. Denn im Gegenzug haben die Serben ihre Erdölindustrie für 400 Millionen Euro an den russischen Konzern "Gazprom" verkauft, was der der serbische Finanzminister Mladjan Dinkic mit einem "viel zu billig" quittierte. Nach den obligatorischen Kosovo-Gesprächen besiegelten Putin und die serbische Polit-Elite die Jahrhunderttransaktion in Moskau. Boris Tadic, der europanahe Kandidat ist auch dabei. Das zeigt: Auch Russland will es sich, im Falle eines Falles, mit Tadic nicht verscherzen. Allerdings wird auch der Gegenkandidat demnächst in Moskau erwartet.
Auch in Brüssel gibt man sich derweil großzügig: Am Montag soll dort das bereits paraphierte Assoziierungsabkommen mit Serbien unterschrieben werden.
Und als Sahnehäubchen obendrauf soll die Aufhebung des Visumszwangs für Serbien in Aussicht gestellt werden. Brüsseler Geschenke und Moskauer Gaben sind willkommen, doch Kosovo ist näher. Keiner der Kandidaten hat es gewagt, die Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien in Frage zu stellen. Nikolic hat in den Serbenenklaven in Kosovo flammende Reden gehalten, Tadic hat mit tiefer Stimme und großen Gesten bekräftigt, wie sehr Kosovo serbisch sei und wie sehr die Welt das nicht verstehe. Und dann das: "George Clooney und Sharon Stone - Gegner der Kosovo-Unabhägigkeit", hieß die Nachricht.
Sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den serbischen Medien vor dem ersten Wahlgang. Die unverstandene serbische Seele rührte sich, ob so viel Verständnis, zu Tränen, eine Zeitung titelte sogar: "Die Hollywood-Stars sollen zu Volkshelden erklärt werden". Mittlerweile hat sich die Nachricht jedoch als Zeitungsente erwiesen und Clooneys Sekretär ließ verlauten, Herr Clooney hätte in Afrika wichtigeres zu tun. Sean Connery, Johny Depp und Robert De Niro, die anderen potenziellen Volkshelden, haben nicht mal reagiert.
Ein anderer Herr hat in Belgrad allerdings unzweifelhaft mit den Worten "Wäre ich Serbe, würde ich ihn wählen" politisch Stellung bezogen: Peter Handke steht lächelnd neben Tomislav Nikolic und macht Wahlkampf. Für die Wähler von Tomislav Nikolic ist Handke jetzt schon der serbische Volksheld. Ob Nicolic aber die Stichwahl gewinnt - das wird in Belgrad stark bezweifelt. Experten gehen davon aus, dass es um 50.000 Stimmen geht, die die Wahl entscheiden werden. Außerdem gibt es noch einen Strippenzieher hinter den Kulissen: Vojislav Kostunica, der Ministerpräsident Serbiens. Obwohl seine Partei DSS (Demokratische Partei Serbiens) mit der Partei von Boris Tadic DS (Demokratische Partei) koaliert, hat der langsam und bedacht sprechende Kostunica noch nicht verlauten lassen, wer der Favorit seiner Partei sein wird. So könnte Kostunica bei der Abstimmung das berühmte "Zünglein an der Waage" werden.