Späte Würdigung: Zwei Jahre nach dem Rücktritt des Bremer Bürgermeisters Henning Scherf ist erstmals eine Biografie über den unkonventionellen Politiker erschienen. Der pensionierte ARD-Korrespondent Volker Mauersberger hat einen Wälzer vorgelegt, in dem er kenntnisreich Scherfs Lebensweg analysiert: wie sich der junge Stotterer aus frommer Anti-Nazi-Familie zur selbstbewussten Galionsfigur der SPD-Linken entwickelte und schließlich eine Koalition mit dem einstigen Erzfeind CDU anführte.
Neben mancher Kritik an Scherf lässt Mauersberger teilweise zu viel Verehrung erkennen. Er erzählt angenehm eingängig, verwirrt die Leser aber durch häufige Zeitsprünge und schweift in die allgemeine Nachkriegsgeschichte Bremens wie Deutschlands ab, was aber auch seinen Reiz hat. Bei Details vernachlässigt der Autor manchmal die Sorgfalt. Falsche Schreibweisen wie "Günter Wallraf" oder "Brockdorf" sind verzeihlich, nicht aber, dass er die einst wichtige SPD-Abspaltung "Arbeit für Bremen" mehrfach fälschlich als "Arbeitsgemeinschaft für Bremen" tituliert.
Henning Scherf. Zwischen Macht und Moral - eine politische Biografie.
Edition Temmen, Bremen 2007; 362 S., 22 ¤