GENTECHNIK
Das beschlossene Gesetz bleibt innerhalb und außerhalb des Parlaments umstritten
Es sind ungewöhnliche Bündnisse, die in der Diskussion um ein neues Gentechnikgesetz geschlossen wurden: Biobauern, konventionelle Landwirte und Wissenschaftler lehnen aus gegensätzlichen Motiven teilweise ab, die Große Koalition stimmt zu. Am 25. Januar haben die Regierungsfraktionen ein neues Regelwerk ( 16/6814, 16/6557) im Bundestag beschlossen, das zuvor teils recht emotional kritisiert wurde. Die Fakten: Mit dem neuen Gesetz werden die Anbauregeln für genveränderten Mais verschärft. 150 Meter Abstand zwischen Genmais und herkömmlichem Mais muss eingehalten werden, zu Ökomais gelten 300 Meter Distanz. Allerdings kann diese Entfernung durch Absprachen unterschritten werden. Landwirte, die Genmais anbauen möchten, werden zudem zentral erfasst.
Zusätzlich muss der Nachbar über Rechtsfolgen aufgeklärt werden: Finden sich nämlich in einem anderen Feld genveränderte Pflanzen, haftet der Bauer, der das Genprodukt ausgesät hat. Außerdem wurde die Kennzeichnungspflicht gentechnikfreier Lebensmittel geändert: Produkte wie etwa Milch, Fleisch und Eier dürfen künftig mit der Aufschrift "ohne Gentechnik" gekennzeichnet werden, auch wenn Zusätze von Futtermitteln mit gentechnischen Verfahren hergestellt wurden.
Schon beim Thema Genmais ist die außerparlamentarische Gemengelage der Stimmen unübersichtlich. "Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, kommt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Verunreinigungen", begründet Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bundes ökologischer Lebensmittel, seine ablehnende Haltung. Eine ähnliche Meinung haben Bündnis 90/Die Grünen, die einen Sicherheitsabstand von 800 Metern forderten, deren Anträge ( 16/6943, 16/7868, 16/4905, 16/5948, 16/6944, 16/7282, 16/7835) aber abgelehnt wurden. Die Absprachemöglichkeit bei den Mindestabständen sei eine praxisferne Regelung und zudem ein Freibrief für Verunreinigung von Feldern, so Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen). "Das Gesetz verschlechtert die Schutzmaßnahmen, die Rot-Grün gemacht hat, massiv", warf sie der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen vor. Die Grünen seien weiterhin für eine gentechnikfreie Land-wirtschaft.
Die Linksfraktion will, dass Absprachen unter den Landwirten nicht zur Unterschreitung der Mindestabstände führen. Dafür setzte sie sich erfolglos mit einem Entschließungsantrag ( 16/7887) ein. "Wir stehen auf der Seite der gentechnikfreien Landwirtschaft", betonte Kirsten Lackmann (Die Linke). Das jetzige Gesetz entspreche nur den Interessen der internationalen Saatgutunternehmen. Ihre Fraktion werde auch weiter gentechnikfreie Regionen und Zonen unterstützen.
Kritik übte auch die FDP, wenn auch aus anderen Gründen. Das Gesetz führe in die Sackgasse, mittelständische Pflanzenzüchter verlagerten ihre Genzucht ins Ausland. Ein entsprechender Antrag der Liberalen ( 16/4143) wurde ebenfalls abgelehnt. "Da es keine Gefahr gibt, muss auch niemand geschützt werden", sagte Christel Happach-Kasan (FDP). Niemand habe bisher schlechte Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Produkten gemacht. Bereits seit elf Jahren würde es sie weltweit geben, man könne nicht mehr von einer neuen Technologie reden, kritisierte sie Gentechnikgegner. Verbündete mit ihrer Position findet die FDP beispielsweise bei einigen Wissenschaftlern, die befürchten, dass der Forschungsstandort Deutschland unter den neuen Regelungen im Vergleich zu anderen Ländern erheblich zu leiden habe. Den Spagat zwischen beiden Kritikerpositionen will Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) mit seinem Gesetzentwurf schaffen. "Wie jede neue Technologie wird auch die Gentechnik von Ängsten begleitet", räumte der Minister ein. Der Anbau von Mais berge dennoch keine Gefahren für die Verbraucher und die Umwelt, betonte er. "Die Regierung setzt mit diesem Gesetz ein Signal, wie man verantwortungsbewusst mit einem Thema umgehen kann", kommentierte Seehofer den Entscheidungsprozess und forderte Sachlichkeit in der gesellschaftlichen Debatte. Ihrem Minister sprangen die Vertreter der Regierungsfraktionen argumentativ zur Seite. "Wir haben ein Ergebnis, bei dem vor allem die Verbraucher gewonnen haben", sagte Elvira Drobinski-Weiß (SPD). Dem stimmte Peter Bleser (CDU/CSU) zu: "Wir haben die Forschung in Deutschland erleichtert", so Bleser. Die Regeln ermöglichten den praxisnahen Anbau von Genpflanzen.
Doch nicht nur der Genmais ist der Zündstoff des mit kleinen Änderungen vom Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ( 16/7868) versehenen Gesetzentwurfes der Regierung. Dass auch tierische Produkte das Etikett "ohne Gentechnik" bekommen können, wenn Zusatzstoffe in Futtermitteln gentechnisch hergestellt wurden, ist umstritten: "Es ist schwer, den Verbrauchern zu sagen, dass 'Ohne Gentechnik' draufsteht und ein bisschen Gentechnik drin ist", äußerte sich Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde in einer Anhörung des Landwirtschaftsausschusses. Das Echo im Parlament war anders: Die meisten Redner sahen in der Kennzeichnung einen Weg zu mehr Transparenz für Verbraucher.