bibel
Die Heilige Schrift als Schule für die Öffentlichkeit
Kann man mit der Bibel gegen Politikverdrossenheit kämpfen? Der renommierte Heidelberger Theologe, Klaus Berger, meint: ja! Man muss nur die Heilige Schrift der Juden und Christen vom Dunst des Moralismus und die Sonntagsreden von den abgedroschenen Floskeln und blutleeren Worthülsen über Nächstenliebe befreien. In seinem Buch "Die Wahrheit ist Partei" fördert der Autor viele wenig bekannte Perlen der orientalischen Weisheit - auch in eigener Übersetzung und der der Sprachwissenschaftlerin Christiane Nord - zutage. Sie sind, so Berger, eine Schule für die Öffentlichkeit, weil sie einer jahrtausendealten Alltagserfahrung in einem interkulturellen Raum entspringen. Dementsprechend konkret, kraftvoll und praxisnah seien sie.
Berger fordert authentische Vorbilder. Denn abstrakte Werte könnten die Menschen nicht begeistern, nur Personen. Auch die Weisheit des Alten Textaments ist konkret - in den Weisungen, die alle Bereiche des Lebens betreffen, und in ihrem Wesen - denn die Weisheit selbst ist Person. In der Bibel wird sie als eine schöne, begehrenswerte Frau dargestellt, in die man sich verlieben kann und die sich nur denen offenbart, die sie ohne Falschheit und mit ganzheitlicher Hingabe suchen. Man kann sie nur lieben oder hassen.
Das hat Konsequenzen für den Alltag: Faule Kompromisse sind für den Weisheitssucher unmöglich. Diese Haltung wünscht sich Berger für das öffentliche Handeln. Anstelle von Platzhirschen und Alphamännchen sollen bescheidene, selbstbeherrschte Entscheidungsträger treten, die im Zweifel auf Macht verzichten können. Gerechtigkeitssinn und Sorgfalt im Umgang mit Geld oder anderen Dingen, die dem Einzelnen anvertraut sind, sind weitere Eingenschaften, die damals wie heute die Gemeinschaft erst möglich machten. Im Kern geht es dem Theologen darum, dem Fortschrittsglauben, der auf bloßem Wissen basiert, weise Menschen entgegenzustellen, die auf der Grundlage von "verum et bonum" handeln. Vor markigen Worten scheut er nicht zurück. Das Buch richte sich "speziell gegen Parteiprogramme aller Parteien, die zu lesen eine Qual ist".
Man wünscht sich als Leser, der Autor möge, von der Liebe zu "Frau Weisheit" entflammt, es bei diesem "ersten Versuch" nicht belassen und einige Bereiche der Weisheitsliteratur, die er mitunter nur streift, vertiefen.
Die Wahrheit ist Partei. Öffentliches Handeln und biblische Weisheit.
Herder Verlag, Freiburg 2007; 160 S., 12,90 ¤