KartoffelSorten
Im Herbst wird entschieden, ob »Linda« eine Zukunft hat
Ein Aufschrei hallte durch den Medienwald: "Rettet die Linda!" Vor knapp drei Jahren wurde diese Kartoffelsorte über Nacht zum Star und zum Symbol einer Bewegung, die sich formierte, um die Kartoffelvielfalt zu retten. Die Firma Europlant hatte Ende 2004 die Zulassung der "Linda" zurückgenommen. Sollte es dabei bleiben, darf Pflanzgut dieser Kartoffel in Deutschland nicht mehr vertrieben werden. Wieder ein Beleg dafür, dass immer mehr Sorten verschwinden? "Nein, das ist ein ganz normaler Vorgang", sagt Jörg Renatus, Geschäftsführer der Europlant. "Wir ziehen jedes Jahr drei bis fünf Sorten zurück, wie andere Züchter auch." Die "Linda" sei mit 30 Jahren zu alt. "Wir haben neue Sorten, die viel weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. Linda weiter anzubauen, macht keinen Sinn", erklärt Renatus.
Der Biolandwirt Karsten Ellenberg sieht das ganz anders: "Noch nie wurde eine so beliebte Sorte vom Markt genommen." Der Öko-Kartoffelzüchter vermutet, dass "Linda" weg muss, weil ihr Sortenschutz Ende 2004 abgelaufen ist und Europlant deshalb keine Lizenzgebühren mehr kassieren kann. "Die wollen ihre neuen Sorten mit Lizenzgebühren verkaufen und 'Linda' soll denen keine Konkurrenz machen", meint Ellenberg. "Quatsch", kontert Jörg Renatus. "Bei Testern liegt die Linda geschmacklich bestenfalls noch im Mittelfeld. Und neue Sorten benötigen nur noch ein Drittel des Düngers."
"Linda" wurde zum Zank(erd)apfel, denn Ellenberg beantragte 2005 prompt die Neuzulassung. Diese scheint jedoch fraglich. Denn laut Saatgutverkehrsgesetz muss das Bundessortenamt unter anderem prüfen, ob die Sorte einen "landeskulturellen Wert" besitzt. Das heißt, die neue Sorte braucht bessere Eigenschaften als das, was bereits auf dem Markt ist. "Die Entscheidung bezüglich Linda wird im Herbst 2008 verkündet", sagt Hans-Horst Borg, im Bundessortenamt Leiter der Abteilung Wertprüfung.
Gegenwärtig sind 211 Kartoffelsorten gelistet. Jährlich kommen acht bis zwölf neue hinzu, etwa gleich viele verschwinden. "Die Anzahl ist seit etwa 20 Jahren konstant", sagt Borg. Die Ausgemusterten finden ihren Platz in der Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. Viele der eingelagerten Sorten geraten in Vergessenheit, bis Menschen wie Karsten Ellenberg sie wieder zum Leben erwecken. "Ich habe vor zwölf Jahren begonnen, mir alte Sorten aus der Genbank zu holen und die Vielfalt neu entdeckt", schwärmt der Ökolandwirt. Seine Begeisterung teilt er mit Organisationen wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Viele dieser Sorten haben ökologische Vorteile und sind ein Genuss", meint Ellenberg. Die Kunden seien begeistert und bereit, für die Kartoffeln mehr zu zahlen.
Hier wird deutlich, worum es eigentlich geht: Der kommerzielle Anbau mit Hochleistungssorten für die industrielle Verarbeitung steht einem Liebhaberanbau mit alten, meist arbeitsintensiveren Sorten gegenüber. Da beide unterschiedliche Märkte bedienen, könnte auch ein friedliches Nebeneinander herrschen, wenn Züchter Pflanzgut der historischen Sorten vertreiben dürften. "Gegenwärtig ist das eine Gesetzeslücke", sagt der Biolandwirt. "Ich darf ja Speisekartoffeln verkaufen. Ob der Käufer sie dann isst oder in seinem Garten fallen lässt, ist sein Problem..."
Die Autorin arbeitet als Wissenschafts- journalistin in Niedersachsen.