Arterhaltung Durch Klonen
Die Erfolge sind in den vergangenen Jahren ausgeblieben
Es begann alles wie ein Märchen, und endet vorerst, wenn der biotechnische Knoten nicht doch noch schnell platzen sollte, mit derselben Pointe: Ausgang offen. Der Anfang liegt ziemlich genau zehn Jahre zurück. Es war das Jahr eins nach "Dolly". So hieß das berühmte Schaf aus dem Roslin-Institut vor den Toren Edinburghs, das seinerzeit zum Inbegriff eines biologischen Wunders geworden war.
Mit Dolly war das Klonen von Säugetieren und damit quasi die Rekonstruktion eines gesamten höheren Organismus nur mit Hilfe der Erbinformation einer schlichten Körperzelle plötzlich Realität geworden. Richtig märchenhaft aber wurde es für die Freunde der künstlichen Schöpfung, als mit dem Dolly-Verfahren nach einer japanischen Kuh und einem Dutzend hawaiianischer Labormäuse einige Monate später in Neuseeland ein extrem seltenes Kalb namens "Elsie" geboren wurde - ein aus einer Körperzelle rekonstruiertes Enderby Island Rind. Eine Sensation. Der Nachkomme des buchstäblich letzten Exemplars seiner Art.
Mit jedem weiteren Klon wurde das neuseeländische Fortpflanzungskonzept bekannter und in den folgenden Jahren schließlich zur Blaupause für einen gelegentlich als Projekt "Arche" titulierten Rettungsplan für bedrohte Tierarten. Auf Elsie folgten vier weitere Wildrind-Klone in der Forschungsstation Ruakura nahe Auckland.
In der ganzen Welt machten sich plötzlich Zoobetreiber und Artenschützer ernsthaft Gedanken, das schon beachtliche Arsenal an Reproduktionstechniken um diese neue Biotechnik zu erweitern, die vielleicht besser als alle anderen geeignet wäre, vom Aussterben bedrohte Tiere zu erhalten.
Fortschritte hatte man zwar allenthalben schon veterinärmedizinisch zu verzeichnen: Künstliche Besamung, Embryotransfer nach künstlicher Befruchtung und zellsortierte Geschlechterauswahl im Reagenzglas entwickelten sich sukzessive fort. Bei Elefanten, Oryx-Antilopen und Weißseiten-Delfin wuchsen dadurch die Populationen, zumal jene in Gefangenschaft. Doch in einem noch viel schnelleren Tempo schrumpfen in der Wildnis viele der bedrohten Populationen. Immer öfter wird "genetischer Notstand" festgestellt.
Von der Urrind-Rasse Gaur, dem Armenischen Rotschaf und dem Europäischen Mufflon hat man unreife Eizellen gewonnen und in der Petrischale durch Zugabe von Wachstumsfaktoren künstlich zur Reife gebracht, sodass sie für die In-Vitro-Fertilisation benutzt werden können. Bei Haustieren werden inzwischen schon versuchsweise zwei Monate alte Weibchen lapraskopiert und unreife Eizellen entnommen. Parallel dazu werden weltweit die "Genom-Ressourcen-Banken" - die Weiterentwicklung von Keimzellen-, Embryonen- und Gewebebanken - ausgebaut. 21 solcher biologischer "Reservebanken" sind inzwischen registriert, einige davon auf einzelne seltene Arten spezialisiert, die meisten aber mit dem Fernziel, einer effizienten Biotechnik als "Arche Noah" zu dienen.
Was die geforderte Effizienz betrifft, hat allerdings vor allem das Klonen enttäuscht. Aus dem Genmaterial eines Hautfetzens eine Rote-Liste-Art zu retten, erscheint als Konzept vor allem für wildlebende Arten bestechend. Doch das Drama zeichnete sich schon nach den ersten fünf Enderby-Island-Kuhklonen ab, als bald schon zwei der Jungtiere eingingen. Zwei Versuche in China, den Großen Panda zu klonen oder das asiatische Gaur-Rind, scheiterten. Wie bei vielen der Labortiere wurden den Abkömmlingen Missbildungen und Stoffwechseldefekte zum Verhängnis.
Nur ein bis fünf Prozent der Nachkommen sind - auf den ersten Blick - gesund. Der mehrfach misslungene Versuch, den ausgestorbenen Tasmanischen Tiger durch Klonen wiederzubeleben, ist bis heute nicht endgültig aufgegeben. In dem "Biodiva"-Projekt will man so auch das erst 1992 entdeckte Vietnamesische Waldrind künstlich am Leben erhalten. Doch sichtbare Erfolge sind in den vergangenen Jahren ausgeblieben. In der Fachwelt spricht man deshalb beim "Dolly"-Klonen zwar von einer "verheißungsvollen" Biotechnik, aber auch von einer bis auf Weiteres rein experimentellen Methode. "Die Unsicherheiten bleiben", schrieb 2007 der Klonforscher Pasqualino Loi in "Trends in Biotechnology": Die Klontechnik zur Rettung bedrohter Arten stehe "auf Standby".
Der Autor leitet das Ressort Natur und Wissenschaft der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".