Indianer
Was eine Prophezeiung der Cree über deren Naturverständnis aussagt
Viele Umweltaktivisten sind davon überzeugt, dass Indianer die Natur von Natur aus achten. Wohl jeder kennt die in den 80er-Jahren weit verbreitete, dem Volk der Cree zugeordnete Prophezeiung: "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet und der letzte Fisch gegessen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann". Ebenso sind die Greenpeace-Schiffe nach den Regenbogenkriegern, den "Rainbow-Warriors", benannt, die derselben Cree-Sage zufolge eines Tages die Erde retten werden.
Aber lebten die Indianer wirklich stets im Einklang mit der Natur? Wussten sie schon von der Bedeutung der Artenvielfalt? Oder ist das ein Mythos? Die Antwort ist nicht einfach. Die Umwelt Nordamerikas war zwar in der Tat noch intakt, als die Europäer kamen. "Das könnte durchaus eine Folge von einem besonderen Naturverständnis der Indianer sein", sagt der Anthropologe Sebastian Braun von der US-amerikanischen University of North Dakota. Aber es könne auch schlichtweg daran liegen, dass die Kultur der Indianer keine industrielle war, so Braun: "Wir wissen schließlich nicht, was ein Indianer gemacht hätte, wenn er einen Bulldozer gehabt hätte."
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts rotteten indianische Jäger als Reaktion auf kommerzielle Anreize weißer Händler ganze Tierarten aus, etwa die Schwarzbären im heutigen Illinois oder das Reh in Virginia. Diese Ausbeutung der Natur fand jedoch erst nach dem Kontakt mit den weißen Siedlern statt.
Dem Naturvolk der Indianer wird vielfach eine Vorstellung von der Natur als der heiligen "Mutter Erde" zugeschrieben. Unter Ethnologen ist das allerdings umstritten. "Es gibt nicht ein einziges Naturverständnis, das alle Indianer eint", sagt Braun. Schließlich gebe es heute in Nordamerika 500 verschiedene indianische Kulturen. Dennoch ließe sich sagen, dass die Indianer die Natur anders sehen als wir Europäer. Besonders Tiere wurden und werden verehrt. "Der Mensch jagt das Tier nicht, sondern der Büffel bietet sich an, er opfert sich, damit der Mensch überleben kann", erläutert Sebastian Braun, der den Umgang der früheren sowie heutigen Indianer der Great Plains des Mittleren Westen mit der Natur anhand der Büffeljagd untersucht.
Diese Einstellung führte vermutlich in der Tat zu Artenschutz und dazu, dass von den Indianern nicht mehr Büffel als notwendig getötet wurden. Die Jäger nutzten zudem jeden Teil des Kadavers für Nahrung, Kleidung, Waffen und Werkzeuge. Aus archäologischen Ausgrabungen gibt es aber auch Hinweise, dass das nicht immer so war. Von 3000 v.Chr. bis ins 18. Jahrhundert hinein betrieben die Indianer eine rituelle Jagdmethode, bei der ganze Büffelherden über einen Abhang, so genannte "buffalo jumps", gejagt wurden. Danach weideten die Jäger nicht alle Tiere komplett aus. Allerdings waren solche Jagden selten und gefährdeten kaum das Überleben der Millionen Büffel. Es waren erst die weißen, professionellen Büffeljäger, die die Tiere im 19. Jahrhundert fast ausrotteten.
Die Autorin ist Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin in den USA.