Krieg gegen Affen
Militärische Konflikte, großflächige Abholzungen und Wilderei bedrohen den Lebensraum der Gorillas im Kongo. In Ruanda dagegen gibt es Zeichen der Hoffnung
World Press Award 2008: Das Siegerbild von Brent Stirton zeigt den Abtransport eines toten Berggorillas aus dem Virunga Nationalpark im Kongo. Es ist es der Silberrücken Senkwekwe, der gemeinsam mit fünf weiteren Gorillas im Juli 2007 getötet wurde. Deutlicher und erschütternder kann die Situation der Berggorillas im Kongo nicht dokumentiert werden. Seit 1996 sind im kongolesischen Teil der Virunga Vulkane fast 30 Tiere getötet worden. Gleichzeitig haben mehr als vier Millionen Menschen in dieser krisengeschüttelten Region ihr Leben verloren. Erst durch den Genozid in Ruanda mit einer Million Toten. Später durch den Krieg im Kongo und bis heute durch andauernde Konflikte zwischen rivalisierenden Rebellen und Regierungstruppen. Unter diesen Bedingungen stehen Initiativen zum Schutz der Gorillas oft vor schier unlösbaren Problemen.
Kahuzi Biega-Nationalpark, ein UnescoWelterbegebiet im Osten Kongos: Hier, nur etwa hundert Kilometer Luftlinie von den Virunga Vulkanen entfernt, lebt eine Population der östlichen Flachlandgorillas. Im Ostteil von Kahuzi Biega lebten 1990 noch 284 Individuen in 25 Familien - davon waren sechs Familien habituiert, also an Besuche von Menschen gewöhnt. Seither wurden im Zuge des Bürgerkriegs und der Ausbeutung der Bodenschätze innerhalb des Nationalparks mehr als die Hälfte der Gorillas getötet und man schätzt die Zahl der verbliebenen Individuen heute auf etwa 130. Seit 1994 ereignet sich im Osten des Kongo eine humanitäre Katastrophe nach der anderen. Rebellengruppen und diverse Armeen führten Kriege gegen die Zivilbevölkerung, die Anzahl der Toten geht mittlerweile in die Millionen. Das menschliche Leid hat natürlich auch verheerende Auswirkungen auf die Überlebenschance der Gorillas in Kahuzi Biega. Zusätzlicher Druck entsteht durch den Rohstoffreichtum - der Abbau der Bodenschätze hat großflächige Abholzungen von geschützten Waldgebieten zur Folge. Zur Zeit ist es rund um den Nationalpark relativ ruhig und touristische Besuche sind möglich. Das Überleben der Gorillas in Kahuzi Biega wird davon abhängen, ob sich die politische Situation im Kongo stabilisiert und ob es gelingt, den Park vor den begehrlichen Zugriffen der Minengesellschaften zu schützen.
Ähnlich ist die Lage in der Virunga-Region, dem Lebensraum der Berggorillas. Die anarchischen Zustände begünstigten die Wilderei - zahlreiche Gorillas fielen dem Hunger der Menschen zum Opfer. Überdies trieb die Suche nach Brennholz die Menschen tief in den Nationalpark, was zu großflächigen Abholzungen führte. Dies konnte erst in jüngster Vergangenheit durch die Errichtung einer Steinmauer an den Parkgrenzen gestoppt werden.
Im Westen des Schutzgebietes haben sich die Rebellentruppen des Tutsi-Generals Laurent Nkundu niedergelassen. Dieser gibt vor, die in der Region lebenden Tutsis vor den Resten ehemaliger Hutu-Milizen schützen zu müssen und hat sich bis heute der Entwaffnung durch die Regierungstruppen widersetzt. Nkundus Truppen sind auch für direkte Gorillatötungen verantwortlich: 2006 raubten sie die Rangerposten im Nationalpark aus, dabei wurden zwei Gorillas getötet. Die Zusage der Rebellen, keine Tiere mehr zu töten, erscheinen angesichts der Tötungen von 2007 zweifelhaft.
Dass ein Überleben der Gorillas unter politisch stabilen und friedlichen Bedingungen möglich ist, zeigen die Entwicklungen in Ruanda und Uganda. In beiden Ländern waren die Bestände durch kriegerische Konflikte in den 90er-Jahren ebenfalls massiv bedroht. Seither hat sich die Situation nachhaltig verbessert und der Gorillatourismus ist in beiden Ländern zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.
Dabei hat gerade Ruanda besonders schwierige Rahmenbedingungen - das kleine Land mit einer Fläche von nur 26.000 Quadratkilometern hat neun Millionen Einwohner und ist entsprechend dicht besiedelt. Der Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen führte zu einer ständigen Verkleinerung der Schutzgebiete. Zusammen mit den schrecklichen Ereignissen während des Genozids 1994 sorgte dies für eine Situation, in der man den letzten Berggorillas kaum noch eine Überlebenschance gab. Mit dem Frieden änderten sich jedoch auch die Rahmenbedingungen: Durch eine Steinmauer entlang der Nationalparkgrenze wurden die Rodungen gestoppt. Durch die Beteiligung der Umlandgemeinden an den Einnahmen aus dem Gorillatourismus (zehn Prozent der Einnahmen gehen direkt an die Gemeinden, dazu fließt weiteres Geld in die Infrastruktur) hat sich die Einstellung der Bevölkerung gewandelt, dies brachte die Wilderei weitgehend zum Erliegen.
Zusammen führten diese Veränderungen dazu, dass in nur etwas mehr als zehn friedlichen Jahren die Bestände der Berggorillas in Ruanda um etwa 15 Prozent angewachsen sind. Es gibt nun erstmals wieder eine reale Chance, dass diese bedrohte Art überleben kann. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, hängt in entscheidendem Maß von der Unvernunft oder der Vernunft des Menschen ab.
Der österreichische Biologe und Fotograf Sepp Friedhuber reiste zuletzt im Herbst 2007 nach Afrika, um sich über die Situation der Gorillas zu informieren.