Deutschland
Die nationale Strategie zum Schutz der Arten
Der Titel ist nicht besonders eingängig: "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt", lautet er und beschreibt ein Werk, das man ebenfalls nicht als leichte Kost bezeichnen kann. Auf rund 250 Seiten definiert es 330 Teilziele und 440 Maßnahmen zum Erreichen des einen, großen Gesamtziels: des Erhalts der Pflanzen- und Tierwelt in Deutschland. Am 7. November 2007 wurde der Katalog auf Vorschlag von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vom Kabinett beschlossen. Damit setzt Deutschland das im Jahr 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung beschlossene Übereinkommen über die biologische Vielfalt um. "Die deutsche Strategie ist im weltweiten Vergleich die bei weitem anspruchsvollste", sagt Gabriel. Das sei von Bedeutung, um als Gastgeber der kommenden UN-Naturschutzkonferenz in Bonn ein gutes Beispiel abzugeben.
Noch ist der Reichtum der Natur gewaltig. Dennoch ist diese Vielfalt bedroht. Zwar starben immer schon Arten aus - so wie sich ständig neue entwickeln -, aber die derzeitige Aussterberate übertrifft die natürliche vermutlich um das Hundert- bis Tausendfache. Deutschland ist Lebensraum von rund 24.000 Pflanzen- und Pilzarten sowie 48.000 Tierarten, mit rückläufiger Tendenz. Nach der Roten Liste sind zum Beispiel von den rund 3.000 einheimischen Farn- und Blütenpflanzen rund ein Viertel in ihrem Bestand gefährdet. Das gilt sogar für ein Drittel der heimischen Tierarten.
Die Gründe sind längst bekannt: die Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen; die intensive Flächennutzung durch die Landwirtschaft sowie eine Waldbewirtschaftung, die zu stark auf Monokulturen und nicht auf standortgerechte Bäume setzt.
"Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt ist eine Verpflichtung für uns alle: die jetzige und zukünftige Bundesregierungen, die Länderregierungen und Kommunen, aber auch Wirtschaft und Gesellschaft", sagt Gabriel. Entsprechend umfangreich sind die beschlossenen Maßnahmen. Sie reichen von der Sicherung bestehender und dem Ausweisen neuer Schutzgebiete über die Hilfe für zoologische und botanische Gärten bis zur Entwicklung umweltschonender Produktionsmethoden. Moore sollen wiedervernässt werden, der Anteil der Wälder mit natürlicher Entwicklung steigen. Die Aufmerksamkeit gilt dabei vor allem jenen Arten, die in Deutschland ihren Verbreitungsschwerpunkt haben.
Naturschutzverbände wie BUND, NABU und WWF begrüßen die Strategie, sehen aber auch Grund zur Kritik oder Mahnung: Viele der beschriebenen Handlungsfelder seien noch zu unkonkret, sagt Olaf Tschimpke, der Präsident des NABU. "Zum Jubeln ist es zu früh. Jetzt gilt es, dass diese Strategie konsequent umgesetzt wird", sagt Jörg Roos, Naturschutzexperte beim WWF. Insbesondere seien die Bundesländer gefragt, in deren Verantwortung die Ausgestaltung des Naturschutzes liege.
Immerhin konnte Gabriel am 14. Februar schon einen Erfolg verkünden: Der von ihm angestoßenen Initiative "Business and Biodiversity" haben sich mehr als ein Dutzend Unternehmen angeschlossen, darunter deutsche wie Otto und Volkswagen, aber auch ausländische wie Kajima Construction (Japan) und Miramonte Mining (Schweiz). Sie haben sich unter anderem dazu verpflichtet, die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Artenvielfalt zu untersuchen und entsprechend zu reagieren. Außerdem wollen sie jeweils eine Art Biodiversitätsberater beschäftigen.
Der Autor ist Mitarbeiter im Wissenschaftsressort der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".