Martin Kaiser
Der politische Koordinator für Biodiversität bei Greenpeace kritisiert die negative Klimabilanz von Biosprit
Herr Kaiser, mit welchen Forderungen gehen die Nichtregierungsorganisationen in die Vertragsstaatenkonferenz?
Die letzten intakten Urwälder machen nur noch ein Fünftel ihrer ursprünglichen Fläche aus. Sie gilt es dauerhaft zu schützen. Ein erster Schritt wäre ein sofortiges Moratorium für neue industrielle Nutzungen, etwa Holznutzung oder die Umwandlung der Wälder in Sojafelder und Palmölplantagen. Zudem fordern die NGOs, 40 Prozent der Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Drittens: Es muss eine Finanzierung sichergestellt werden, die es für Entwicklungsländer attraktiv macht, die Wälder tatsächlich stehen zu lassen. Insgesamt müssten 30 Milliarden Euro pro Jahr für die Schutzgebiete zur Verfügung gestellt werden.
Wer soll das finanzieren?
Die großen Industrieländer, vor allem die G8-Staaten, müssen einen substanziellen Beitrag leisten. Für Deutschland hieße das: zwei Milliarden Euro jährlich. Insgesamt könnten die G8-Länder die Hälfte des benötigten Betrags bestreiten, und das noch in diesem Jahr. Allein in Europa fließen 45 Milliarden Euro jährlich in die Förderung der industriellen Landwirtschaft, und bis heute wird jeder Inlandsflug mit nichtbesteuertem Kerosin geflogen - es gibt also unausgeschöpfte Potenziale, die vor allem für das Klima eine doppelte Dividende bringen würden.
Ist es denn allein eine Frage des Geldes, ob die einzelnen Länder die Biodiversität schützen?
Wenn beispielsweise die letzten Urwälder Indonesiens abgeholzt und dort dann Palmölplantagen angelegt werden, hängt das stark damit zusammen, dass man in Europa die Nutzung von sogenannten Biotreibstoffen fördert. Jeder, der hierzulande in diesem Bereich Palmöl zum Einsatz bringt, wird sogar noch staatlich subventioniert. Das schafft einen Anreiz für die Urwaldzerstörung. Zudem gibt es noch immer kein Gesetz in Deutschland und Europa, das den Handel mit illegal geschlagenem Holz, etwa aus Zentralafrika oder Indonesien verbietet. Da sind die Bundesregierung und die Europäische Union im Verzug, ein Gesetz zu verfassen, das die Unternehmen zur Verantwortung zieht.
Wie schätzen Sie die Rolle der Bundesrepublik ein, wenn es um die Umsetzung der Biodiversitätskonvention geht?
Deutschland muss dringend seine Hausaufgaben machen: Die Pflicht zur Beimischung von Bio-, oder besser gesagt: Agrotreibstoffen etwa muss sofort vom Tisch, denn die Technologien im Automobilbereich sind ineffektiv und die Klimabilanz oft negativ. Der Einsatz von Agrotreibstoffen ist klimapolitisch eine Milchmädchenrechnung. Zudem muss Deutschland, das über den internationalen Handel mit Holz und Agrarprodukten massiv von einer nicht nachhaltigen Ressourcennutzung profitiert, jetzt mit dem erwähnten finanziellen Beitrag seine Ernsthaftigkeit im Engagement zum Erhalt der Biodiversität demonstrieren. Und auch im eigenen Land gilt es, nachzuarbeiten: Nicht einmal ein Prozent unserer Wälder sind aus der forstlichen Nutzung genommen, und nur das würde dazu beitragen, dass sich die Wälder wieder erholen und Arten zurückkehren.
Die Bundesrepublik hat eine nationale Biodiversitätsstrategie vorgelegt.
Deutschland hat 15 Jahre gebraucht, um eine solche Strategie, die laut der Konvention verpflichtend ist, überhaupt zu erarbeiten. Die Strategie selbst ist ein Schritt nach vorne. Jetzt aber müssen die Bundesländer in die Verantwortung genommen werden, sie mit umzusetzen, denn dort sitzen die Entscheidungsträger für das Gebiets- management.
Wie einig sind sich eigentlich NGOs?
Ich halte es für einen großen Erfolg, dass man sich im Vorfeld zu gemeinsamen Positionspapieren verabreden konnte. Nach meinem Eindruck besteht ein großer Konsens bei den NGOs, was die mangelnde Umsetzung der Konvention angeht.
Und was erwarten Sie von der Konferenz?
Die Verhandlungen müssen auf höchster politischer Ebene geführt werden. Das Mandat der Umweltminister ist viel zu eng. Sie können nicht über Subventionen oder die Einrichtung eines gerechten Handels entscheiden. Beim Thema Klimaschutz hat Angela Merkel sich international sehr stark positioniert, auch wenn es bei der nationalen Umsetzung an vielen Ecken fehlt. Eine solche Rolle wünschen wir uns nun von der Kanzlerin, denn nur dann kann diese Konferenz auch zum Erfolg gebracht werden.