BIODIVERSITÄT
Das Artensterben geht weiter. Die UN-Naturschutzkonferenz ist ein Hoffnungsschimmer
Herrlich! Diese türkise Farbenpracht des Paradiesvogelmännchens auf Papua Neuguinea oder das putzige Affentheater der Paviane im afrikanischen Okavango-Delta. Die Naturdokumentation "Unsere Erde" zog bisher mehr als drei Millionen Kinobesucher in ihren Bann. Und wenn hinterher die Familie im PS-starken Geländewagen sitzt und noch einen preisgünstigen Fleischburger verspeist, ist man sich einig: Unsere Natur ist ein Wunder und muss geschützt werden.
Darüber herrscht Konsens - auch bei der Sitzung des Bundestages am 8. Mai. Knapp zwei Wochen vor Beginn der 9. UN-Naturschutzkonferenz vom 19. bis 30. Mai in Bonn sind sich die Fraktionen jedoch bei der Wahl der Instrumente uneinig darüber, auf welche Weise der dramatische Verlust an biologischer Vielfalt - gemeinsam mit den mehr als 190 anderen Vertragsstaaten - weltweit verringert werden kann.
Deutschland ist Gastgeber der Konferenz, auf der mehr als 5.000 Delegierte weltweite Maßnahmen gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensräume beraten werden. Schärfste Waffe zum Schutz der Biodiversität ist dabei die Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) - eines von drei völkerrechtlichen Instrumenten, das auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 beschlossen wurde.
Das Papier ist mehr als ein Artenschutzabkommen, denn es berücksichtigt drei verschiedene Komponenten: Lebensräume, Arten und deren Genpool. Bereits im November 2007 hatte die Bundesregierung eine "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" ( 16/7082) vorgelegt: 330 Ziele und rund 430 Einzelmaßnahmen sind dort aufgelistet, um eine der wesentlichen Forderungen zum Schutz der Artenvielfalt zu erreichen. Bis zum Jahr 2010 soll sie wenigstens gebremst werden. Darauf hatten sich die Staats- und Regierungschefs beim Umweltgipfel in Johannesburg geeinigt.
Allein die aktuelle Rote Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN (2006) zeigt, dass mehr als 16.000 Arten weltweit vom Aussterben bedroht sind, das Breitmaulnashorn ebenso wie der Orang-Utan auf Borneo. Doch auch für Deutschland ist die Bilanz ernüchternd: "72 Prozent der Lebensräume von Tieren und Pflanzen sind gefährdet", sagt Frank Barsch, Referent für Artenschutz der Umweltstiftung WWF. Auch in Deutschland gebe es beim Naturschutz noch große Defizite gebe, betont Barsch und stellt mit Blick auf die Bonner Konferenz fest: "Wir müssen noch unsere eigenen Hausaufgaben machen."
Wie schwierig das 2010-Ziel zu erreichen sein dürfte, weiß auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und fand dafür in der Debatte klare Worte: "Die Wahrheit ist: Davon sind wir weit entfernt". 16 Jahre nach Rio stehe die Konvention, so Gabriel, "an einem Scheideweg". Vieles von dem, was in der Konvention stehe, sei noch nicht mit Leben erfüllt worden. In ihrem Antrag ( 16/8756), der mit Mehrheit vom Plenum verabschiedet wurde, setzt sich die Koalition zum Erhalt der Artenvielfalt beispielsweise konkret für die Verwirklichung eines Netzes von Schutzgebieten ein. Beim "Netz des Lebens" sollen sowohl nutzungsfreie Schutzgebiete geschaffen werden als auch Lebensräume nachhaltig bewirtschaftet werden.
Wenn man der Natur Daumenschrauben anlege, müsse man auch hinhören, was die Natur sagt, zitierte die CDU-Politikerin Katherina Reiche den Philosophen Arthur Schopenhauer. Sie wies dabei auf den engen Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem Verlust von Artenvielfalt hin: "Die ökologische Uhr tickt beharrlich und schnell, aber sehr leise", sagte sie.
Eher lautstark brachte Renate Künast den Eindruck ihrer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Verlauf der Debatte zum Ausdruck: " Bei kaum einem Thema wird so viel wie beim Naturschutz geheuchelt", sagte sie. In einem Antrag ( 16/8890) forderte ihre Fraktion, Biodiversitätspolitik künftig zu einer Querschnittsaufgabe zu machen und sie nicht nur in die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, sondern auch in die Verkehrs-, Klimaschutz und Energiepolitik zu integrieren. "Man darf nicht immer die kurzfristigen, wirtschaftlichen Interessen über die langfristigen Interessen des Naturerhalts, also des Erhalts der Lebensgrundlagen stellen", mahnte sie.
Der Schutz der Biodiversität ist nach Auffassung der FDP hingegen "nicht allein eine staatliche Aufgabe", sondern, so Angelika Brunkhorst, "ein gesamtgesellschaftliches Anliegen". Um klare Zielsetzungen für eine Biodiversitätspolitik in Gang zu setzen, bedarf es nach Meinung der FDP einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme der biologischen Vielfalt, heißt es in einem ihrer beiden Anträge. ( 16/8878, 16/8077). "Wir haben nach wie vor ein enormes Wissensdefizit, das wir durch international vernetzte, verstärkte Forschungsaktivitäten beheben müssen", erklärte Brunkhorst.
Für die Konferenz erhofft auch sie sich Fortschritte bei den Verhandlungen über das sogenannte ABS-Regime. Das "Access- and Benefit-Sharing" (ABS) bezeichnet den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Aufteilung der Vorteile, die aus deren Nutzung entstehen. Damit soll dem Missstand Rechnung getragen werden, dass beispielsweise Pharmakonzerne Medikamente aus Pflanzen und Tieren gewinnen, die sie oftmals dem Wissen einheimischer Völker verdanken, die aber später überhaupt keinen Nutzen davon haben. Im Gegenteil werden ihre natürlichen Schätze, die sie seit Jahrhunderten bewahren, oftmals von den Industrieländern ausgebeutet.
Die Linke fordert daher in ihrem Antrag ( 16/9066) für das zu verhandelnde ABS-Regime ein Zertifikat, das sowohl die Herkunft der Ressource regelt als auch eine Zustimmung der indigenen Völker für deren Nutzung vorschreibt. "Wenn die Dorfgemeinschaft ihr Wissen nicht verkaufen will, dann ist eben Ebbe mit Geldverdienen", so Lutz Heilmann (Die Linke). Länder und Völker sollten nicht dazu verpflichtet werden, diese auch zur Verfügung zu stellen. Für die unterschiedlichen Ansätze fand der CSU-Politiker Josef Göppel zum Abschluss ein ganz einfaches Bild: "Wer über einen Feldweg geht und eine aufsteigende, jubilierende Lerche erlebt, der kann - besser als in vielen Bundestagsreden - verspüren, wie wertvoll die Schöpfung für uns ist."