In der Krise liegt die Chance: Diese Erkenntnis aus zerfledderten Selbsthilfe-Ratgebern findet immer mehr Anhänger unter prominenten Deutern der Wirtschaftskrise. Kleine Auswahl gefällig? "Wenn wir uns ins Zeug legen", könne die Krise sogar eine "große Chance" werden, versprach Bundespräsident Horst Köhler schon im Januar. Bundeskanzlerin Merkel wollte nicht nachstehen und verkündete, "diese Krise als Chance nutzen" zu wollen. Seitdem brummt die Konjunktur. Jedenfalls die der zwangsoptimistischen Krisenrhetorik.
In den vergangenen Wochen hat sie auch die Opposition erreicht: Der trendbewusste FDP-Chef Westerwelle will "die Krise als Chance verstehen". Nicht einmal die Grünen schwelgen in Weltuntergangsszenarien. Denn "die Welt ist in einer Krise, die Welt ist aber auch aufgewacht und das ist eine Chance für Grüne Politik!" Mit Großem G. Sagt Cem Özdemir. Seit nun auch Thyssen-Krupp, die Handy-Firma O2 und der Deutsche Städtetag die "Krise als Chance" erkannt haben, kann man sich eigentlich nur wünschen, sie möge nie zu Ende gehen.
Aber jeder Psychologe weiß: Zur Chance wird die Krise erst durch eine radikale Wende. Alles Bestehende muss in Frage gestellt, neue Wege müssen eingeschlagen werden. Die Isländer haben es vorgemacht: Nachdem es vor allem Männer waren, die die Finanzen des Landes gegen die Wand fuhren, setzen die Wähler jetzt auf eine weibliche Regierungschefin: Frauen gelten als vorsichtiger, sie lassen sich durch Bling-Bling weniger schnell blenden. Das mögen sich auch die Franzosen gedacht haben, als sie in einer Umfrage die Führung der EU am ehesten Angela Merkel zutrauten. Wer mit einem Physiker verheiratet ist, lässt sich durch den schönen Schein wohl nicht den Kopf verdrehen. Sarkozy landete auf Platz 3. Für den italienischen Schwerenöter Berlusconi stimmte gerade einmal ein Prozent.