Gehört die goldene Kuppel da drüben zum Berliner Dom? Wo ist denn nun das Kanzleramt? Und was sind das da in der Ferne für Türme? Über derartige Fragen werden die Besucher der Reichstagskuppel künftig kaum noch grübeln. Von Juni an können sie sich von einem kostenlosen Audioguide sowohl das Panorama als auch die architektonischen Besonderheiten des umgebauten Reichstags und die parlamentarische Arbeit erläutern lassen.
"Die Kuppel ist ein Publikumsmagnet", sagt Rainer Wiebusch, stellvertretender Leiter des Besucherdienstes im Deutschen Bundestag. Zwei Millionen Menschen warten Jahr für Jahr in bisweilen langen Schlangen bei Wind und Wetter vor dem Reichstag, um sie zu besuchen. Rainer Wiebusch hat sie von seinem Büro aus gut im Blick. Eine weitere Million Besucher besichtigen die Kuppel im Anschluss an einen Besuch im Bundestag. Führungen gab es für die meisten von ihnen bisher nicht: Stattdessen standen Mitarbeiter des Besucherdienstes für Auskünfte bereit und verteilten Broschüren; Schautafeln mit historischen Aufnahmen lieferte Hintergrundinformationen. Viele Fragen blieben so zwangsläufig unbeantwortet. Für den Besucherdienst war dies keine befriedigende Situation.
Also entstand die Idee eines mehrsprachigen Audioguides. Zwei Jahre feilte das Referat an dessen Umsetzung, an den Erläuterungstexten und der Auswahl der besten Technik. Schließlich entschied man sich für ein System mit Induktionsspulen: Hier müssen die Besucher nicht wie im Museum aktiv Texte abrufen. Vielmehr hört der Besucher automatisch die Erklärung des jeweils sichtbaren Panoramaausschnittes, sobald er mit dem Gerät die in der Rampe versenkten Induktionsschleifen überschreitet. Wenn die Stimme des Sprechers verstummt, ist es an der Zeit weiterzugehen - bis die nächste Induktionsschleife den Text erneut in Gang setzt. Die Handhabung des Gerätes ist entsprechend einfach. Die Gäste nehmen es vor der Aussichtsterrasse in Empfang, lassen es auf die gewünschte Sprache programmieren und laufen los. Sobald sie die Kuppel betreten, werden sie automatisch von dem Sprecher begrüßt.
Ein Testlauf überzeugt: Mit dem Audioguide auf dem Ohr wird der Besuch der Kuppel zum geführten Mini-Stadtrundgang. Botschaften, Tiergarten, Siegessäule, Potsdamer Platz, alle paar Meter erklärt in der deutschen Version die sanfte Synchronstimme des US-amerikanischen Schauspielers Michael J. Fox den die Rampe aufwärts wandelnden Besuchern, was sich vor ihren Augen auftut. Auf dem Weg hinab auf der 240 Meter langen Rampe lenkt der Sprecher dann den Blick auch ins Innere des Reichstagsgebäudes und erläutert die parlamentarischen Abläufe. Schließlich ist das Reichstagsgebäude mehr als nur ein schöner Aussichtspunkt. Es ist das Herz der deutschen Demokratie - auch dies soll die Audioführung vermitteln.
"Wir starten mit Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch", sagt Rainer Wiebusch. Damit könnten 80 Prozent der Besucher den Erklärungen in ihrer Muttersprache lauschen. Weitere Sprachen und Versionen für Kinder sowie hör- und sehbehinderte Besucher sollen folgen. Hinter der neun Meter langen, glänzend weißen Theke im Vorraum der Besucherterrasse sind für künftige Sprachoptionen bereits Knöpfe für die italienische, türkische und portugiesische Version markiert. Nur drei Sekunden dauert es, bis die Mitarbeiter an der Ausgabestelle die Audioguides auf die gewünschte Sprache eingestellt haben:.
Die Audioführung dauert gut 20 Minuten und orientiert sich damit an der durchschnittlichen Verweildauer der Besucher. "Die Zeit wollten wir nicht überschreiten, sonst werden die Schlangen draußen zu lang", erläutert Wiebusch. Über drei Wochen lang war die Kuppel im Oktober 2008 gesperrt, um die technische Infrastruktur für den Audioguide zu installieren. "Da gab es schon einigen Verdruss", erinnert er sich. Dafür werden künftig viele Millionen Besucher besser informiert die Aussicht genießen können.