Bonner Republik
Prominente Politiker erinnern sich
Bei aller berechtigten Kritik am verflachenden Niveau des deutschen Fernsehprogramms - auch oder gerade in den öffentlich-rechtlichen Sendern -, darf man hin und wieder einmal Lob aussprechen. Zum Beispiel für die zweiteilige Dokumentation "Die Bonner Republik", die die ARD Ende April aus Anlass des 60. Geburtstages der Bundesrepublik Deutschland ausstrahlte.
Der WDR-Redakteur Heribert Schwan und der Insbrucker Zeithistoriker Rolf Steininger, die für die Dokumentation verantwortlich zeichnen, haben annähernd 100 Zeitzeugen vor die Kamera geholt, um ihre Erinnerungen an und ihre Einschätzungen über die Jahre 1949 bis 1998 - die Zeit von der Gründung der Bundesrepublik bis zum Regierungs- und Parlamentsumzug in die neue Hauptstadt Berlin - einzufangen. Die Liste der Interviewten ist beeindruckend: Auf ihr finden sich mit Helmut Schmidt und Helmut Kohl zwei Bundeskanzler, mit Walter Scheel und Richard von Weizsäcker zwei Bundespräsidenten, mit dem französichen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing, dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow, dem britischen Premierminister John Major und den amerikanischen Außenministern Henry Kissinger und James Baker Größen der internationalen Politik. Hinzu kommen weitere prominente und prägende Politikergestalten aus der Bundesrepublik, der DDR und dem Ausland.
Wer die zweiteilige Dokumentation wegen ihres späten Sendetermins jeweils eine halbe Stunde vor Mitternacht verpasst hat, kann die Interviews nun im inzwischen obligatorischen, in diesem Fall aber gelungenen Begleitband nachlesen.
Die Interviews, in Kapitel nach Regierungszeiten der Kanzler und Koalitionen geordnet und mit kurzen Einleitungen versehen, vermitteln einen guten Einblick in die jeweiligen Probleme, Diskussionen und Entscheidungen. Dabei zeigen sich die Interviewten durchaus offenherzig: So macht etwa Helmut Kohl keinen Hehl aus seinem tiefen Groll gegen den damaligen niederländischen Regierungschef Ruud Lubbers, der von der britischen Premierministerin Margret Thatcher, die die deutsche Einheit habe "verhindern, zumindest verzögern" wollen, vorgeschickt worden sei.
Interviewbände wie "Die Bonner Republik" sind nicht zuletzt deswegen so wertvoll, da die Generation der zu Wort kommenden Zeitzeugen nicht ewig Rede und Antwort wird geben können.
Die Bonner Republik 1949-1998.
Propyläen Verlag, Berlin 2009; 462 S., 24,90 ¤