Der Plan der Bundesregierung, in einem neuen Kinderschutzgesetz (16/12429) Hausbesuche des Jugendamtes bei gefährdeten Familien gesetzlich vorzuschreiben, stößt bei Experten auf Kritik. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 25. Mai überwog bei den Sachverständigen außerdem Skepsis gegenüber dem Vorhaben einer verpflichtenden Informationsweitergabe durch Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, aber auch Lehrer, Erzieher oder Bademeister.
Henriette Katzenstein vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) sagte, das Gesetz schaffe bei den Informationspflichten eher Verwirrung als Klarheit. Schon die Reihenfolge von eigener fachlicher Einschätzung, Erörterung der Situation mit den Betroffenen, Hilfsangeboten und Informationsübermittlung sei vollkommen unklar. Jörg Fegert, Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ulm, wies darauf hin, dass grundsätzlich Vertrauensverhältnisse nicht konterkariert werden dürften: "Kindern muss es möglich bleiben, mit Vertrauenspersonen ihre Probleme zu besprechen, ohne dass, quasi in einem Automatismus, Eltern informiert und Behörden einbezogen werden."
Christine Keil, Bezirksstadträtin in Berlin, merkte an, eine Regelverpflichtung zum Hausbesuch sei überregulierend und mit der Methodik der Kinder- und Jugendhilfe unvereinbar. Dies werde der komplexen Vielfalt möglicher Gefährdungssituationen nicht gerecht. Sinnvoll seien vielmehr untergesetzliche fachliche Standards und Leitlinien. Christian Lüders vom Deutschen Jugendinstitut betonte, es gebe kein "Schema F" für den Kinderschutz, denn es komme sehr auf fachliche Details und den richtigen Zeitpunkt an. Insofern sei die zentrale Frage, was gesetzlich geregelt und was der fachlichen Praxis überlassen werden soll. Allerdings existierten in vielen Bereichen kaum belastbare Daten darüber, wo Änderungsbedarf bestehe.