WIRTSCHAFTSKRISE
Kanzlerin stellt Maßnahmen gegen die Kreditklemme in Aussicht. Westerwelle kritisiert Planwirtschaft
Ist die Krise bald vorbei? In der letzten großen Wirtschaftsdebatte des Bundestages am 8. September weckte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zumindest Hoffnungen: "Offensichtlich ist die Talsohle erreicht. Das Bankensystem ist vor dem Zusammenbruch bewahrt worden." Es werde aber noch "ein langer Weg sein, dort anzukommen, wo wir vor der Krise waren". Hindernisse und Sackgassen scheint es auf dem langen Weg noch genug zu geben. Merkel rechnet damit, dass sich die Regierung schon bald mit der immer noch schleppenden Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beschäftigen muss, um eine Kreditklemme zu verhindern.
Viele Unternehmen hätten Angst. Merkel appellierte an die Banken, "endlich wieder ihrer Aufgabe auch ein Stück mutig und verantwortungsvoll zu entsprechen". Außerdem forderte sie, "dass wir nie wieder in eine Situation geraten dürfen, in der Banken Staaten erpressen können, weil sie so groß sind, dass sie glauben, den Staaten sozusagen die Pistole auf die Brust setzen zu können". Deshalb werde an Regeln gearbeitet, dass die Banken das von ihnen eingegangene Risiko selbst tragen müssten.
Insgesamt stellte die Kanzlerin fest, dass das Deutschland des Jahres 2009 stärker sei als das Deutschland des Jahres 2005. "Deutschland ist stark. Deutschland ist stabil", sagte Merkel. Eine klare Absage erteilte sie der Staatswirtschaft: Der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, "und er wird es auch nie werden". Das Programm der Bundesregierung gegen die Krise sei richtig gewesen und habe viele Nachahmer gefunden.
Die Lehren aus der Krise sind nach Angaben der Kanzlerin eine Begrenzung von Manager-Gehältern und nachhaltiges Wirtschaften. Sie lobte insbesondere die Schuldenbremse im Grundgesetz, die zu einer nachhaltigen Haushaltsführung verpflichte. Als Technik der Zukunft bezeichnete sie die Elektromobilität.
FDP-Chef Guido Westerwelle amüsierte sich über den Zustand der Großen Koalition: Am Beifall der Rede für die Kanzlerin, bei der die Sozialdemokraten nicht geklatscht hatten, habe man "lehrbuchartig sehen können, wo und in welcher Zerrüttung Zwangsehen enden". Die Große Koalition habe nie den Anspruch auf geistige Führung erhoben. Sie sei im besten Fall ein Reparaturbetrieb für tagespolitische Probleme gewesen. Man habe die Krise nur verwaltet und darauf verzichtet, die Zukunft zu gestalten.
Westerwelle meinte zu Merkels Bemerkung, Deutschland sei heute stärker als 2005, das Land sei "stärker verschuldet, so stark wie nie zuvor". Und auch die Steuern und die Planwirtschaft in der Gesundheitspolitik seien so stark wie nie zuvor. Westerwelle, der nach der Bundestagswahl am 27. September ein Bündnis mit der Union anstrebt, griff im zweiten Teil seiner Rede besonders die Sozialdemokraten an, die vor der Wahl 2005 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer abgelehnt hätten. "Jeder von Ihnen hat bei der Mehrwertsteuererhöhung die eigenen Wähler belogen, nur um auf der Regierungsbank Platz nehmen zu können", erklärte Westerwelle, der sich für Steuersenkungen nach der Wahl aussprach. Eine Familie dürfe erst ab einem Einkommen von 40.000 Euro im Jahr steuerpflichtig werden. Die SPD habe die "unsozialste Politik gemacht, die man machen konnte". Dass Gewerkschaften zur Wahl der SPD aufrufen würden, sei "scheinheilig", sagte Westerwelle, der sich im Übrigen im Unterschied zu Kanzlerin in der Debatte klar zu einem schwarz-gelben Bündnis bekannte, auch wenn er sich deutlich gegen den von der Union mitbeschlossenen Gesundheitsfonds aussprach.
Im Unterschied zu Westerwelle, der die Abwrackprämie als Geldverschwendung für alte Autos kritisiert hatte, bekannte sich SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier klar zu der Maßnahme. Die Bundesregierung habe doch nicht 250.000 Arbeitsplätze preisgeben können, sagte der souverän und schlagfertig auftretende Außenminister. Dass die Krise die Menschen in Deutschland nicht mit aller Wucht getroffen habe, "ist doch alles nicht vom Himmel gefallen, sondern wir haben Brücken gebaut, die einigermaßen getragen haben". Das sei ein gemeinsamer Erfolg aller Beteiligten, so Steinmeier.
Zwar arbeitete Steinmeier auch Gemeinsamkeiten mit der Union wie bei der Regulierung der Finanzmärkte heraus, erinnerte aber auch an Unterscheide zum Koalitionspartner und auch zur FDP: Wer den Atomausstiegskonsens in Frage stelle, reiße einen alten gesellschaftlichen Großkonflikt auf.
Zum Schluss gab sich Steinmeier siegessicher gegen Schwarz-Gelb: "Deutschland ist ein sozialdemokratisches Land, und es gibt nur eine sozialdemokratische Partei. Deshalb werden sich Ihre Blütenträume einer neuen Regierung nicht erfüllen."
Linke und Grüne gingen mit der Regierung scharf ins Gericht. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die "Konsenssauce" der anderen Fraktionen mit Ausnahme der Atomenergienutzung und der Mindestlöhne. Auch bei der Rentenkürzung und Hartz IV seien sich alle einig gewesen, kritisierte Gysi. "Wir sagen, das ist ein Akt falscher Gleichmacherei und ein Akt der Demütigung. Deshalb wollen wir Hartz IV überwinden", erklärte Gysi.
Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, warf Merkel vor, eine "typische Schlafwagenrede" gehalten zu haben. Die Kanzlerin benenne alle Themen, drücke sich aber vor Antworten oder baue "Brücken ins Nichts". "Was wir brauchen, ist eine Neuausrichtung der Wirtschaft in Deutschland", sagte Künast. Schon vor der Krise habe es große Strukturprobleme gegeben. Künast kritisierte auch die hohe Neuverschuldung. "Es ist nicht gerecht, auf Kosten der Kinder zu leben und sich keine Gedanken zu machen, wie das abgezahlt wird", beklagte die Grünen-Politikerin.