Themenausgabe
Uta Rasche
Zusammenhalt
Zwei Familien berichten, wie sie finanziell schwierige Zeiten
überstehen und auf eine Veränderung hoffen
Auf dem Küchentisch der
Familie Müller liegen selbstgebackenes Brot und Wurst aus
eigener Schlachtung. Die Milch in der Karaffe kommt von den eigenen
Kühen, nur Kaffee, Butter und Käse sind gekauft. "Wir
verhungern jedenfalls nicht", sagt Silke Müller, 34 Jahre alt.
Fatalismus und Durchhaltewillen ...
Ralf Hanselle
Begriff
Die »Mittelschicht« gibt es noch nicht lange.
Für die Demokratie ist sie systemrelevant
Klasse ist Kampf. Dem
hartgesottenen Marxisten ist dieser Gedanke so vertraut wie dem
Katholiken das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Auch wenn
Karl Marx Zeit seines Lebens nie einen präzisen Klassenbegriff
entwickelt hat: Sein Schlachtruf von der Geschichte als Abfolge von
Klassenkämpfen hallt ...
Paul Nolte
AnnÄherung
Deutschland bleibt eine Mittelschichtsgesellschaft. Aber die
Expansion ist vorbei
Als Karl Marx und Friedrich Engels
in ihrem "Kommunistischen Manifest" von 1848 das "Gespenst des
Kommunismus" umgehen sahen, spielte die Mittelschicht darin eine
wichtige Rolle. Denn ihre scharfzüngige Diagnose der
kapitalistischen Entwicklung lief darauf hinaus, dass die Reichen
reicher werden und ...
Ina Franke
BESITZVERTEILUNG
Zwischen Ost und West und zwischen Frauen und Männern
klaffen in Deutschland große Unterschiede
Die Deutschen verfügten im
Jahr 2007 über ein Nettovermögen von 6,6 Billionen Euro.
Das geht aus einem Bericht des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Wenn diese Summe
gleichmäßig verteilt wäre, blieben für jeden
Bundesbürger 88.000 Euro an Immobilien, Geldvermögen, ...
Claudia Heine
Demoskopie
Selbstbeschreibungen in der Gesellschaftsmitte
Wie geht es der Mittelschicht? Um
diese Frage zu beantworten, veröffentlichen
Meinungsforschungsinstitute wie Infratest dimap, Allensbach oder
emnid regelmäßig die Ergebnisse ihrer Befragungen.
Daraus finden jedoch meist nur besonders brisante Zahlen den Weg in
die Öffentlichkeit. Zum Beispiel ...
Flora Wisdorff
Hartz IV
Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit erhält man Grundsicherung.
Für Experten macht diese Drohkulisse Sinn
Thomas Roser blickt mit Unbehagen
in die Zukunft. Der Vorarbeiter muss sich darauf einstellen, in den
kommenden Jahren mit deutlich weniger Geld zurecht zu kommen. Dem
58-jährigen Werkzeugbauer wurde gekündigt, den
Automobilzulieferer, für den er 31 Jahre lang gearbeitet hat,
hat die ...
Interview
Arbeitswelt
Interview mit Johannes Giesecke vom WZB
Herr Giesecke, Sie
beschäftigen sich seit Jahren mit sozialer Ungleichheit und
deren Folgen. Welche Veränderungen konnten sie in den
vergangenen Jahren bemerken? Seit Mitte der 1990-er Jahre hat die
Ungleichheit in Deutschland auf mehreren Ebenen massiv zugenommen.
Ein Beispiel: Während die ...
Claudia Heine
MindestlÖhne
Ein Blick in die Wahlprogramme
Über "gerechte" Löhne
wird seit zehn Jahren verstärkt diskutiert, seitdem in
regelmäßigen Abständen Wirtschaftsinstitute oder
aber auch das Institut für Arbeit in Nürnberg (IAB)
Zahlen über die Ausweitung des Niedriglohnsektors
veröffentlichen. Erst Anfang des Jahres verkündete das
IAB, fünf Prozent ...
Ralf Hanselle
Geschichte
Der westdeutsche Traum von Gerechtigkeit: Die nivellierte
Mittelstandsgesellschaft wurde nie Realität
Jede große Geschichte beginnt
mit einer großen Zeit. Für die einen ist sie das
Paradies, für die anderen Arkadien. Für die Deutschen ist
es das Wirtschaftswunder. In ihm kristallisiert sich die
Urgeschichte der Republik - die Zeit der großen
ökonomischen Wachstumsraten; die Ära des Aufstiegs zur
...
Michael Hofmann
Ostdeutschland
Von einer erwerbstätigen sozialen Mitte kann kaum
gesprochen werden. Was die Region prägt, ist eine neue
Armut
Die Anstrengungen zur
Stabilisierung der sozialen Mitte richteten sich in der
ostdeutschen Gesellschaft nach dem Ende der DDR vor allem auf den
gewerblichen Mittelstand. Er konnte seit Anfang der 1990-er Jahre
seine Größe mehr als verdoppeln. Diese Revitalisierung
ist eine Erfolgsgeschichte. Ärzte, ...
Alva Gehrmann
Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI) Für den BDI bilden der industrielle
Mittelstand und Familienunternehmen im Hinblick auf
Beschäftigung, Investitionen und technischen Fortschritt das
Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Zum Industrieverband
gehören 36 Mitgliedsverbände, die die Interessen ...
Interview
Politische Milieus
Der Parteienforscher Michael Vester über das stabile
bürgerliche 50-Prozent-Lager
Herr Professor Vester, die
Mittelschicht ist dominanter Teil der "politischen Mitte". Mit
welchen Werten prägt sie diese? Das ist ganz unterschiedlich.
Der konservative Teil dieser Mitte glaubt an Hierarchien, an Werte
der Ordnung und Einordnung. Er ist nicht sehr stark
aufstiegsorientiert, sondern ...
Marco Pecht
Ehrenamt
Die Deutschen investieren jedes Jahr 4,6 Milliarden Stunden
für bürgerschaftliches Engagement
Bis vor wenigen Monaten war der
Alltag von Ingrid Kron von Zeitdruck bestimmt: Konferenzen mussten
vorbereitet, Pressekampagnen gesteuert werden. Die heute
61-Jährige hat ihr Job in der Abteilung für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit eines internationalen Unternehmens in
Frankfurt voll ausgefüllt. ...
Britta Sembach
Aufstiegschancen
Eine gute Bildung hilft - doch das deutsche Schulsystem ist zu
undurchlässig für sozial Schwache
Meine Kinder brauchen kein
Englisch, am Ende kriegen sie sowieso Hartz IV." Ein Satz, der es
in sich hat. Gefallen in einem Kindergarten in Köln. Und der
mitten ins Mark der deutschen Bildungsdiskussion trifft. Denn die
Schere geht immer weiter auseinander: Wem Bildung wichtig ist, der
kümmert sich ...
Tobias Dürr
Parteien
Politikerlaufbahnen sind heute immer häufiger die Folge
biografischer Zufälle. Das war früher anders
Weit verbreitet ist die Meinung,
"die heutigen Politiker" seien nicht mehr von jenem alten Schrot
und Korn, das frühere Politikergenerationen ausgezeichnet
habe. An große Namen wie Willy Brandt, Franz Josef
Strauß, Konrad Adenauer oder Theodor Heuss wird zur
Untermauerung dieser Behauptung gern ...
Ralf Hanselle
Feine Unterschiede
Über Ikea und bürgerliche Verhaltenscodes
Kevin geht gar nicht! Wer Kevin
heißt, der heißt wie der Abstieg. Der Berliner
Satiriker Wiglaf Droste hat es schon immer gewusst: "Kevin
heißen müssen bedeutet: Dich liebt keiner", schrieb er
vor einigen Jahren in einer Kolumne für eine Tageszeitung. Nun
hat Wiglaf Droste damals nicht gesagt, was ...
Uwe Rada
Wohnen
Der Trend geht zurück in die Innenstädte
Wie wohnt die deutsche
Mittelschicht und vor allem wo? Kaum war die Berliner Mauer
gefallen, schien die Antwort klar. Westberliner und Ostberliner
kehrten ihrer Stadt in Scharen den Rücken und träumten
den Wüstenrot-Traum: Glück allein bringt nur das
Eigenheim - auf der grünen Wiese. ...
Till Briegleb
Hansestädte
Understatement und bürgerliches Selbstvertrauen - wie die
Jahrhunderte lange Eigenständigkeit die Hanseaten
prägt
Hanseaten sind irgendwie anders.
Bei der Suche nach den Gründen für ihre Mentalität,
die von Nicht-Hanseaten als reserviert, vernünftig und
gelassen beschrieben wird, stößt man immer wieder auf
eine historische Systemfrage: Welchen Einfluss hat es auf die
Erziehung lokaler Verhaltensweisen, ob die ...
Christian Bleher/Timofey Neshitov
Migranten
Drei Unternehmer berichten, wie ihnen der Start in die
Selbstständigkeit gelungen ist
Wo Chef?" Der Mann im Anzug mustert
den schwarzhaarigen Mann im staubigen Kittel und lässt seinen
Blick durch die Schreinerwerkstatt schweifen. Der Mann im Kittel
antwortet in korrektem Deutsch: "Welchen Chef wollen Sie denn? Wir
haben vier." Der Mann im Anzug will den armen
südländischen ...
Dorothea Siems
Parteien
Unterschiedliche Positionen zum Steuerrecht
Rein rechnerisch haben die
Deutschen in diesem Jahr bis zum 14. Juli nur für den Staat
gearbeitet. Wie der Bund der Steuerzahler ermittelte, beträgt
die Steuer- und Abgabenquote 2009 rund 53 Prozent. Vor allem
für die Mittelschicht ist die Last in den vergangenen Jahren
immer schwerer geworden. Die ...
Sebastian Sooth
Digitale Boheme
Freie Arbeitsmodelle jenseits der Festanstellung sind die
Zukunft. Ein Plädoyer
Ein Tag im Sommer 2009. Nachmittags
um halb drei. Mich erreichen Nachrichten: "...und das war's dann
auch schon für heute, jetzt See und Sonne!", "Mit dem Laptop
auf dem Balkon in der Sonne. So soll das sein." und "Im
Großraumbüro, zum Kotzen." Was die Absender
unterscheidet? Die einen haben die ...
Interview mit Berthold Vogel,
Projektleiter am Hamburger Institut für Sozialforschung
Immer mehr Menschen arbeiten in
prekären Beschäftigungen. Was sind die Ursachen
dafür? Die Ursachen liegen erstens in veränderten
betrieblichen Wirklichkeiten und Personalstrategien.
Flexibilität, Projektorientierung und weniger Verbindlichkeit
sind heute gefragt. In nahezu allen Branchen treffen ...
Gemma Pörzgen
Werbung
Die Mittelschicht lässt sich nicht mehr in einfachen
Bildern abbilden
Die Werber fürchten bislang
nicht um den Verlust der Mittelschicht. Aus ihrer Sicht verlagert
sich in der Gesellschaft nur, was heute die Mitte ausmacht. "Beim
Urlaub ist die Mitte heute nicht mehr Mallorca, sondern
Boltenhagen", sagt Mark Schwieger, Geschäftsführer der
Werbeagentur "Scholz & ...
Joska Pintschovius
Kleinbürgertum Thomas Mann
ließ in seinem Familien Epos "Die Buddenbrocks" Senator
Buddenbrock am Ende des 19. Jahrhunderts fragen, was ihn, selbst
aus niederem Stand emporgestiegen und nun vom Niedergang bedroht,
von den Kleinbürgern seiner Vaterstadt Lübeck trennte?
Die bürgerliche Familie hatte ...
Sebastian Gierke
mittelstand
Viele kleinere Unternehmen behaupten sich trotz Verlusten in der
Krise. Ein Beispiel
Noch eine Runde! Noch eine Runde im
Kreisverkehr - weil er so schön ist, der Kreisverkehr. In
seiner Blütenpracht. Rot, weiß, ein wenig blau. Noch
eine Runde und dann abbiegen: nicht zum Wörthsee, der nur ein
paar Minuten entfernt liegt, sondern in die Parkanlage auf der
anderen Seite der Straße. ...
Annika Joeres
Facharbeiter
Warum Azubis, die in Essen eine Ausbildung zum
Industriemechaniker machen, keine Zukunftssorgen haben
Um seine Zukunft macht sich
René Langetat keine Sorgen. "Vielleicht gehe ich nach
Süddeutschland oder baue hier ein Haus", sagt der
19-jährige Azubi selbstbewusst. Der schmale junge Mann ist im
zweiten Lehrjahr zum Industriemechaniker. Heute steht er mit dem
Schweißgerät an seiner Werkbank und ...
Gemma Pörzgen
Obere Mittelschicht
Ein Berliner Rechtsanwalt legt Wert auf den richtigen Stil
Ein kurzes Stirnrunzeln, dann sagt
Arthur Waldenberger nachdenklich: "Meine Lebensweise ist schon
irgendwie privilegiert." Der 45-jährige Rechtsanwalt
führt in Berlin eine gutgehende Kanzlei auf dem
Kurfürstendamm. Er ist kein lauter, auffallender Typ, sondern
wirkt eher zierlich und zurückhaltend. ...
Gerrit Bartels
Mittelschicht in Der Literatur
Die Schriftsteller beobachten vor allem sich selbst
Anna Katharina Hahn weiß, was
die gut situierte, fest in bürgerlichen
Lebenszusammenhängen steckende Frau alles aushalten muss.
Judith, eine der zwei Heldinnen aus Hahns Debütroman
"Kürzere Tage", ist Hausfrau, kocht gesund und
ökologisch, hat ihre zwei Jungs im Griff, nicht zuletzt mit
Hilfe ...
Adrienne Woltersdorf
USA
Verschuldete Hausbesitzer warten darauf, dass Obamas
Konjunkturpaket bei ihnen ankommt
Brentin Samuel kann es immer noch
nicht fassen. Um ihn herum, in seinem Wohnzimmer, stehen
halbgepackte Umzugskartons, Müllsäcke, und auf dem
Couchtisch raschelt im Sommerwind ein Durcheinander von amtlichen
Schreiben, Rechnungen und Bankpapieren. Er ist einer, der stets
glaubte, das Schicksal sei ...
Johannes Leithäuser
Grossbritannien
Das Fundament, auf dem die Mittelklasse ruht, ist der eigene
Besitz
Wie in allen westlichen
Ländern ist die Mittelschicht in Großbritannien das
stärkste und gewichtigste Element der Gesellschaft - aber im
Gegensatz zu allen anderen westlichen Gesellschaften empfindet sie
es selber nicht. Die Wucht der Wirtschafts- und Finanzkrise wird in
den Londoner Zeitungen nicht ...
Kathrin Lauer
Ungarn
Wie die Mittelschicht die Reformen hemmt
Wie erlebt der ungarische
Mittelstand die Finanzkrise? Sichtbarste Folge ist das Drama um die
Wohnungsbaukredite, die zehntausende Ungarn nicht mehr
zurückzahlen können. Viele Ungarn - man darf sie zur
unteren bis mittleren Mittelschicht zählen - hatten wegen
günstigerer Zinsen Kredite in Schweizer ...