Treppe um Treppe steigt man hinunter in den Keller des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, einem der drei großen Parlamentsgebäude am Berliner Spreebogen. Man würde dort unten die Haustechnik vermuten oder Magazine der Bundestagsbibliothek, die sich Stockwerke darüber befindet, vielleicht sogar abhörsichere Räume für wichtige Besprechungen - aber sicher keine Sporthalle, Gymnastik-räume und eine Sauna. Bälle statt Akten heißt es hier im Untergeschoss. Ein Ball zischt über den Hallenboden, ein kurzes Dribbling, Schuss und "Toooor!".
"Unsere Damenmannschaft", sagt Burkhard Alberternst und setzt sich auf eine Bank am Rande des Spielfeldes. Der 50-Jährige hat ein besonderes Ehrenamt inne: Er ist Sportreferent des Bundestages und kümmert sich in dieser Funktion um die sportlichen Aktivitäten im Parlament. Alberternst koordiniert Golfturniere und Segeltörns ebenso wie wöchentliche Atemgymnastik- oder Badmintonstunden. Insgesamt gibt es in Berlin und in der früheren Bundeshauptstadt Bonn 33 Sportgruppen im Angebot der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag, wie der Verein offiziell heißt. Und immer wieder kommen neue Gruppen dazu: "Im Prinzip ist alles möglich", sagt Alberternst. "Hauptsache, es gibt genügend Interessenten!" So gibt seit einiger Zeit auch Boxtrainings. Faustkämpfe im Bundestag? Alberternst winkt lachend ab: "Keine Sorge, es wird nur an der Boxbirne trainiert."
1951 wurde die Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag gegründet - damit gibt es sie fast so lange wie das bundesdeutsche Parlament selbst. Das Kursangebot ist zwar inzwischen größer und die Zahl der Mitglieder auf rund 1.300 gestiegen, doch das Ziel ist das selbe geblieben: Abgeordneten und Angestellten in der Bundestagsverwaltung gleichermaßen "Beine zu machen". Denn wer viel im Sitzen arbeitet, braucht einen Ausgleich. Dennoch geht es beim Parlamentssport um mehr: "Beim Sport kommt man sich persönlich näher als im Job und kann so leichter Kontakte knüpfen", sagt Alberternst. Besonders beliebt sei unter Parlamentariern schon immer das Fußballspielen gewesen - auch, weil man in der "dritten Halbzeit" bei einem Bier fraktionsübergreifend gut ins Gespräch kommt.
Die Fußballmannschaft war auch die erste Sportgruppe, die sich in den 1950er Jahren gründete. Es gibt sie bis heute: Einmal die Woche treffen sich die Polit-Kicker in der Sporthalle im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.
Doch es wird nicht nur trainiert, die Bundestags-Elf tritt auch regelmäßig gegen Mannschaften anderer Parlamente an, wie zuletzt gegen Finnland. Solche Spiele haben inzwischen eine mehr als 30-jährige Tradition. Legendär war das deutsch-schweizer Aufeinandertreffen 1968 in Magglingen, im Kanton Bern, das die Bundestagsabgeordneten, die unter dem Namen "FC Bundestag" antreten, mit einem 5:1 für sich entscheiden konnten. Ein fulminantes Ergebnis, auch wenn es nicht dieselbe Aufmerksamkeit fand wie ein anderer Sieg der Deutschen in der Schweiz: das "Wunder von Bern", Finale der Fußball-WM 1954.
Wenn Alberternst erzählt, merkt man ihm an, mit welcher Hingebung er sein Ehrenamt ausübt. Die braucht der Sportreferent auch: Wöchentlich pendelt er zwischen Bonn und Berlin - stets im Namen des Parlamentssports. Eigentlich lebt Alberternst im Rheinland, wo er Geschäftsführer zweier Unternehmen ist. Als wäre der Sport nicht schon Arbeit genug. Doch Alberternst sagt: "Unsinn, das macht doch Spaß."
Seit 1988 ist er selbst Mitglied der Sportgemeinschaft. Schon bald wählte man ihn in den Vorstand, 1992 wurde er Sportreferent. Das ist er geblieben - ebenso wie ein begeisterter Sportler. Alberternst spielt Tennis und Golf und fährt mit der Motorsportgruppe der Sportgemeinschaft zum Großglockner oder nach Amsterdam. Bei solchen Touren waren auch der frühere SPD-Fraktionschef Peter Struck und Hermann Otto Solms (FDP), Bundestagsvizepräsiden mit ihren Motorrädern dabei.