BUNDESTAG
Das Parlament wählt sein Präsidium und bestätigt Kanzlerin Angela Merkel im Amt
Dem Anfang einer Legislaturperiode wohnt immer ein besonderer Zauber inne. Es sind jene Tage, an denen sich das neu gewählte Parlament arbeitsfähig machen und den Regierungschef wählen muss. Schon bei Regierungswechseln ist der Hauch bevorstehender Veränderungen zu spüren. So auch bei der ersten Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 27. Oktober, genau einen Monat nach der Bundestagswahl, bei der Union und FDP eine deutliche Mehrheit erhalten hatten. Bei den höchsten vom Parlament zu vergebenen Ämtern änderte sich nichts: Bundestagspräsident bleibt Norbert Lammert und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Nach der parlamentarischen Tradition eröffnet der älteste Abgeordnete die erste Sitzung mit einer Ansprache. Der 73 Jahre alte Heinz Riesenhuber rief in seiner Rede zu einem fairen Umgang miteinander auf. Gestritten worden sei immer: "Aber eines war uns immer gemeinsam, die Achtung vor jedem Kollegen und seiner Meinung", betonte Riesenhuber. An die bald an die Arbeit gehenden Abgeordneten appellierte Riesenhuber, Rahmenbedingungen zu setzen, damit sich die Wirtschaftskrise nicht mehr wiederholen könne.
Lammert erhielt 522 von 617 gültigen Stimmen. 66 Abgeordnete stimmten mit Nein, 29 enthielten sich. Der CDU-Politiker erhielt 84,6 Prozent der Stimmen und damit das zweitbeste Ergebnis bei einer Bundestagspräsidentenwahl seit 1990. Noch besser hatte Lammert vor vier Jahren abgeschnitten (92,9 Prozent), als Union und SPD die große Koalition bildeten.
In seiner Rede kritisierte Lammert die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF, die die Konstituierung des Bundestages nicht übertragen hätten. Statt dessen hätten sie Komödien und Serien gesendet, monierte Lammert und betonte, ihm fehle "jedes Verständnis dafür, dass ein gebührenpflichtiges Fernsehen, das dieses üppig dotierte Privileg allein seinem besonderen Informationsauftrag verdankt", auch an diesem Tag der Unterhaltung mit "souveräner Sturheit" Vorrang vor der Information gebe.
In einem Rückblick auf die Bundestagswahl wies Lammert auf die gesunkene Wahlbeteiligung hin. Obwohl es so viele Kampagnen gegeben habe wie nie, hätten 18 Millionen Bürger nicht gewählt. Man müsse sich mit diesem unerfreulichen Trend und seinen Ursachen auseinandersetzen. Lammert riet den Abgeordneten zu einer selbstkritischen Überprüfung, ob nicht zu viele Gesetzentwürfe und Anträge eingebracht würden, und warf der Regierung vor, manche ihrer Antworten auf Parlamentsanfragen seien "unbefriedigend, gelegentlich ärgerlich".
Merkel konnte von 612 abgegebenen Stimmen (10 Abgeordnete fehlten) 323 auf sich vereinen. 285 Abgeordnete stimmten gegen sie, vier enthielten sich.
Die Regierungsfraktionen von Union und FDP haben zusammen neun Sitze mehr als Merkel Stimmen erhielt. Dass nicht alle Abgeordneten aus den Reihen der Koalition sie gewählt haben, kommentierte die Merkel mit den Worten, auch das gehöre zur Demokratie. Bei der Vereidigung durch Lammert leisteten Merkel und alle 15 Minister der neuen Bundesregierung den Eid mit der religiösen Formel "So wahr mir Gott helfe".
Bei der Aushändigung der Ernennungsurkunden für die Regierungsmitglieder sagte Bundespräsident Horst Köhler, die Krise der Finanzmärkte sei noch nicht überwunden. Er warnte davor, "dass Interessenten wieder zu den Methoden und Verhaltensweisen zurückkehren, die diese Krise ausgelöst haben", und sprach sich für eine Abgabe auf internationale Finanztransaktionen aus.
Bei den Wahlen der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten erhielt die CSU-Abgeordnete Gerda Hasselfeldt mit 496 Stimmen (66 Nein, 52 Enthaltungen, vier ungültige Stimmen) das beste Ergebnis. Es folgt Hermann Otto Solms (FDP) mit 487 Stimmen (84 Nein, 42 Enthaltungen, fünf ungültige Stimmen). Katrin Göring-Eckart (Bündnis 90/Die Grünen) kam auf 473 Stimmen (79 Nein, 61 Enthaltungen, fünf ungültige Stimmen), gefolgt von Petra Pau von der Linksfraktion, die 379 Stimmen erhielt (155 Nein, 74 Enthaltungen, zehn ungültige Stimmen. Wolfgang Thierse (SPD) erhielt 371 Ja- und 170 Nein-Stimmen. 65 Abgeordnete enthielten sich, und zwölf Stimmen waren ungültig. Alle Vizepräsidenten waren bereits in der vergangenen Wahlperiode im Amt. Auch in den Fraktionen gab es weitere Veränderungen. Nachdem der FDP-Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle Außenminister wurde, wird die Fraktion jetzt von Birgit Homburger geführt. Neuer Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist Hans-Peter Friedrich. Der bisherige Stellvertreter übernimmt die Führung von Peter Ramsauer, der jetzt Verkehrsminister ist.