Schneiderhan und Wichert sagen erneut aus

Infokarte zur Krisenregion Kundus

Mit der erneuten Vernehmung von Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und des früheren Staatssekretärs Dr. Peter Wichert setzt der Kundus-Untersuchungsausschuss am Mittwoch, 29. September 2010, in öffentlicher Sitzung seine Arbeit fort. Bei diesem Auftritt der beiden ehemaligen Spitzenbeamten, die im Zuge der Affäre um den Luftangriff in Afghanistan vom 4. September 2009 auf Druck von Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg ihren Hut nehmen mussten, wollen SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen Widersprüche klären, die zwischen den Aussagen des CSU-Politikers einerseits sowie Schneiderhans und Wicherts andererseits offenbar geworden seien. Vom Verlauf dieser Anhörung will es die Opposition laut SPD-Obmann Rainer Arnold abhängig machen, ob auch Guttenberg noch einmal geladen wird.

Der Luftangriff auf entführte Tanklaster

Das Gremium soll Hintergründe und politische Folgen des von Oberst Georg Klein befohlenen und von zwei US-Piloten ausgeführten Bombardements in der Kundus-Region erhellen. Bei diesem Angriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster gab es zahlreiche Tote und Verletzte samt vielen zivilen Opfern. 

Guttenberg hatte den Luftangriff zunächst als "militärisch angemessen" bezeichnet. Der Minister führte bei seinem Auftritt vor dem Ausschuss dieses von ihm später als "Fehleinschätzung" korrigierte Urteil darauf zurück, dass ihm im Ressort wesentliche Informationen vorenthalten worden seien.

Schneiderhan und Wichert wiesen Vorwürfe zurück

So moniert der CSU-Politiker, Schneiderhan und Wichert hätten bei einem Gespräch am 25. November 2009, das ihrer Entlassung vorausging, erst auf mehrfaches Nachfragen die Existenz zentraler Dokumente wie vor allem eines Feldjäger-Berichts über das Bombardement eingeräumt.

Der Ex-Generalinspekteur und der frühere Staatssekretär bestritten vor dem Untersuchungsgremium hingegen vehement, Guttenberg über den Luftangriff unzureichend unterrichtet zu haben. "Vertuschungsvorwürfe" seien "blanker Unfug" (Wichert). Sie wiesen zudem den Vorwurf zurück, erst auf mehrfaches Insistieren des Ministers hin das Vorhandensein von Unterlagen wie der Feldjäger-Studie bestätigt zu haben.

SPD und Linke wollten Gegenüberstellung

Dieses inhaltlich wertlose Papier sei in den NATO-Untersuchungsbericht über das Kundus-Bombardement eingeflossen, der dem CSU-Politiker als umfassende Informationsbasis bei seinem anfänglich positiven Urteil über den Luftangriff zur Verfügung gestanden habe. Schneiderhan und Wichert erklärten zudem, sei hätten Guttenberg nicht geraten, das Bombardement zunächst nicht nur als angemessen, sondern sogar als zwangsläufig zu bewerten.

SPD und Linke wollten ursprünglich eine direkte Gegenüberstellung Guttenbergs mit den beiden Ex-Spitzenleuten erreichen. Der von den beiden Fraktionen nach einem ablehnenden Votum der Koalition angerufene Bundesgerichtshof (BGH) entschied jedoch zwischenzeitlich, dass die Minderheit keinen Anspruch darauf habe, eine solche Zeugenkonfrontation durchzusetzen.

Klarstellendes Urteil des Bundesgerichtshofs

Die Entscheidung über das Procedere einer Beweisaufnahme obliege im Untersuchungsgremium der Mehrheit. Der Obmann der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, begrüßt es, dass der BGH klargestellt habe, "wie weit die Rechte der Minderheit im Ausschuss reichen". Arnold bedauert, dass der BGH sein Urteil nur unter rein rechtlichen Aspekten gefällt und nicht geprüft habe, ob eine Gegenüberstellung ein "sinnvolles Mittel" der Aufklärung sein könne.

Offen ist, ob die Sitzung am 29. September das letzte öffentliche Treffen des Ausschusses ist. Die Mehrheit aus Union und FDP hat vor der Sommerpause entschieden, dass das Gremium von Einzelfällen abgesehen nur noch hinter verschlossenen Türen tagt. Mit diesem Votum setzte die Koalitionsmehrheit den bei der Gründung des Kundus-Ausschusses gefassten Beschluss außer Kraft, wonach Vertreter der politischen und militärischen Leitungsebene wie Minister, Staatssekretäre, Pressesprecher oder der Bundeswehr-Generalinspekteur öffentlich befragt werden sollten.

Noch Klärungsbedarf bei der Opposition

Die Frage der Öffentlichkeit dürfte besonders dann wieder akut werden, wenn die Opposition, wie bislang geplant, auf der Vernehmung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und von Innenminister Dr. Thomas de Maizière beharrt, zum Zeitpunkt des Kundus-Bombardements Kanzleramtsminister. In diesen Fall will die Koalition im Gegenzug SPD-Fraktionschef Dr. Frank-Walter Steinmeier vorladen, der im September 2009 Außenminister war.

Für Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU) sind im Ausschuss die wesentlichen Fragen bereits geklärt, weswegen dessen Tätigkeit zügig beendet werden könne. Die Opposition sieht hingegen noch Untersuchungsbedarf und will etwa das Geschehen vor Ort in Kundus oder die Rolle des Kanzleramts bei der Aufarbeitung des Luftangriffs noch näher unter die Lupe nehmen. Aus Arnolds Sicht können die Zeugenanhörungen bis Dezember abgeschlossen werden. (kos)