Sehr geehrter Herr Professor Kocka, meine Damen und Herren,
ich bedanke mich zunächst für die freundliche
Einladung, ganz besonders für die liebenswürdige
Einführung, die mir manche Daten ins Bewusstsein
zurückgeholt haben, die mir schon beinahe entfallen waren.
Ihnen allen danke ich für Ihr Kommen an einem
Sonntagvormittag, bei dem es auch andere, im Zweifelsfall
unterhaltsamere Varianten gegeben hätte. Fast zeitgleich und
nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt findet die große
nationale Feier eines zu Ende gehenden bedeutenden Sportereignisses
statt. Dass wir zum gleichen Zeitpunkt hier eine akademische
Sonntagsmatinee veranstalten, hätte vor kurzem noch als
Nachweis der gebotenen Distanz gegenüber den Banalitäten
des Lebens gereicht. Heute muss es sich fast gegen den Verdacht
eines gravierenden Mangels an Patriotismus zur Wehr setzen. So
ändern sich die Zeiten und die Wahrnehmungen und die
Erwartungen eben auch. Und damit sind wir schon fast beim Thema,
das im übrigen beinah so unerschöpflich ist, dass Sie
hoffentlich nicht die Erwartung eines kompletten Überblicks
über ein hochkomplexes Thema und schon gar nicht die
abschließende Antwort mitgebracht haben.
Als ich mir vorgestern die Einladung noch einmal vornahm, bin
ich selber über den Begriff Parlamentskultur gestolpert und
habe mich dann noch einmal in dem einschlägigen Sammenwerk von
Eckart Henscheid "Siebenhundertsechsundfünfzig Kulturen
– eine Bilanz" vergewissern wollen, ob das, was darunter denn
nun eigentlich zu verstehen sei, sich mit meinen persönlichen
Vorstellungen halbwegs trifft. Dabei habe ich prompt die
deprimierende Feststellung machen müssen, dass unter den
siebenhundertsechsundfünfzig relevanten Kulturen die
Parlamentskultur gar nicht vorgesehen ist. Das gibt uns vielleicht
das gebotene Maß an Gelassenheit im Umgang mit einem Thema,
das bei ernsthafter Betrachtung vielleicht eine solche gar nicht
verdient. Immerhin haben Sie es auf die Tagesordnung gesetzt, und
ich will mich nach den vorgetragenen Begründungen dem Versuch
nicht entziehen, dazu ein paar vielleicht weiterführende
Eindrücke und Erfahrungen weiterzugeben.
Meine Damen und Herren, die allgemeine Lebenserfahrung, dass man
es nicht allen recht machen kann, gilt natürlich auch für
Verfassungsorgane. Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat,
Bundespräsident und selbst Bundesverfassungsgericht sehen sich
immer wieder Erwartungen ausgesetzt, denen sie entweder gar nicht
oder jedenfalls nicht gleichzeitig gerecht werden können.
Dabei geht es bei genauem Hinsehen keineswegs nur um die
Ansprüche der Öffentlichkeit an Funktionsweise, an
Entscheidungsmechanismen dieser Organe, es geht gerade auch um die
wechselseitigen Erwartungen, die sich im komplizierten
Machtgefüge eines parlamentarischen Regierungssystems nicht
selten im Wege stehen. Die jüngsten Verhandlungen und
Entscheidungen über die Föderalismusreform sind
dafür ein ebenso anschaulicher Beleg wie die inzwischen
beachtliche Serie von Entscheidungen des Bundestages zur
Beteiligung der Bundeswehr an Nato-Einsätzen, die jeweils mit
einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit das
Spannungsverhältnis zwischen der Erwartung geschlossenen
Auftretens auf der einen Seite, von Fraktionen und
Regierungskoalition insbesondere, und der Unabhängigkeit des
Abgeordneten andererseits mit seinem freien Mandat illustriert
haben - einschließlich der diffusen Erwartung, die sich in
der Öffentlichkeit, auch der fachlich aufgeklärten
Öffentlichkeit, mit diesem Spannungsverhältnis
verbinden.
Dass sich gewählte Volksvertreter bei der notwendigen
Abwägung von Chancen und Risiken in ihrer ganz
persönlichen Entscheidung schwer tun und am Ende
tatsächlich sowohl in den Regierungs- wie in den
Oppositionsfraktionen nicht immer einheitlich abstimmen, entspricht
natürlich dem sorgfältigen Umgang mit einem besonders
sensiblen Thema als auch einer ganz unzweideutigen
ausdrücklichen Verfassungslage. Dennoch und vielleicht auch
gerade deshalb stellen solche Situationen keineswegs nur ein
eingebildetes Problem ihrer jeweiligen Partei- und
Fraktionsführungen dar, die im Interesse der politischen
Handlungsfähigkeit wie des öffentlichen
Erscheinungsbildes an der Geschlossenheit des eigenen Lagers ein
überragendes Interesse haben müssen.
Regierungsfähigkeit setzt Mehrheiten voraus.
Mehrheitsfähigkeit erfordert Dispziplin. Es ist natürlich
keine Lapalie, wenn die damalige Bundesregierung zum Beispiel
für den Mazedonien-Einsatz im Deutschen Bundestag nachweislich
mit den Abgeordneten der damaligen Rot-Grünen-Koalition keine
eigene Mehrheit hatte, eine von der Regierung für dringlich
gehaltene Maßnahme überhaupt nur dadurch zustande kam,
weil sich im Parlament andere Mehrheiten bildeten als den
vereinbarten und dieser Regierung zugrunde liegenden
Koalitionsstrukturen entspricht. Die damals übrigens, wie sich
der eine oder andere noch erinnern wird, unverblümte
Ankündigung parteiinterner Konsequenzen für Abgeordnete
mit bis zum Schluss stur abweichendem Abstimmungsverhalten durch
den damaligen Generalsekretär der SPD, ist in der
kommentierenden Berichterstattung mit einer bemerkenswerten
Mischung von konditionierten Verständnis und offener
Empörung aufgenommen worden. Heribert Prantl hat damals in der
Süddeutschen Zeitung geschrieben: "Da könnte
Müntefering", um den handelte es sich als Generalsekretär
damals, "gleich ein Depotstimmrecht fordern. Dann würde
künftig sein Fraktionschef auftreten wie die Deutsche Bank bei
der Hauptversammlung von Daimler und die Stimme des
SPD-Stimmführers wäre 296 Stimmen wert… Dann
wäre freilich das Parlament überflüssig - was dem
Kanzler gefallen könnte: Bisweilen stört es ihn
nämlich beim Regieren."
Da sind wir bei dem vermutlich harten Kern der Irritationen, die
ein lebendiger Parlamentarismus immer erzeugen wird, nämlich
den im Kern nicht voll übereinstimmenden gleichzeitigen
Erwartungen, die an das Verhalten von Parlamentariern herangetragen
werden, schon gar, wenn man sie nicht nur als einzelne Exemplare,
sondern als Bestandteil von handlungsfähigen Gruppierungen
versteht. Natürlich muss man sie so verstehen, denn genau in
dieser Rolle und fast nur in dieser Rolle hat man sie ge
wählt. Nicht wegen ihrer Brillanz als Solisten, sondern in der
Vermutung, ebenso loyale wie selbstbewusste Repräsentanten
einer Gruppierung zu sein, der man im Saldo all der Vorstellungen
über Parteien und deren Zielvorstellungen noch am ehesten die
eigene Stimme anvertrauen wollte.
Schon Mitte der 60er Jahre hat Ernst Fraenkel in einem
vielzitierten Aufsatz geschrieben, das kritikbedürftigste
Element des Bonner Parlamentarismus sei die langläufige
Kritik, die an ihm geübt werde. Ich darf vielleich drei
Sätze zitieren. "Sie "ist reaktionär und schizophren. Sie
sehnt sich heimlich nach einer starken Regierung und bekennt sich
öffentlich zu der Herrschaft eines allmächtigen
Parlaments. Sie beschimpft den Abgeordneten, wenn es zu einer
Regierungskrise kommt, und verhöhnt ihn, wenn er getreulich
die Fraktionsparole befolgt. Sie verkennt die notwendigerweise
repräsentative Natur eines jeden funktionierenden
Parlamentarismus und verfälscht seinen Charakter, indem sie in
plebiszitär zu interpretieren versucht." Vierzig Jahre
später, mehr als 15 Jahre nach Wiederherstellung der Deutschen
Einheit, eine hinreichende Zahl von Jahren nach Umzug von Parlament
und Regierung in die alte und neue Hauptstadt Berlin, besteht
hinreichender Anlass, den Berliner Parlamentarismus danach zu
befragen, ob er im Alltag den Ansprüchen genügt, die die
Verfassung für seine Arbeit gesetzt hat. Es gibt nicht wenige,
die daran zweifeln. Renommierte Stimmen aus Politik, Medien,
Wissenschaft, auch den Verfassungsinstitutionen selbst. Konrad Adam
hat in einem längeren Essay unter der Überschrift "Das
machtlose Parlament" die Auswanderung nahezu aller relevanten
öffentlichen Debatten aus dem Parlament und ihre Verlagerung
in "irgendwelche Konsensrunden, Anschubgruppen,
Gesprächskreise, konzertierte Aktionen oder nationalen
Ethikräte" beklagt. Frank Walter schreibt wiederum in einem
Zeitungsessay: "Wesentliche Entscheidungen, die die nationalen
Gesellschaften in ihren Auswirkungen treffen, tief prägen und
weitreichend umpflügen, fallen nicht mehr im Berliner
Reichstag, auch nicht in den Parlamenten in Paris, Rom, London."
Und um die Liste der Klagen, Besorgnisse und Beschwerden nicht zu
komplettieren, aber abzurunden, auch der Präsident des
Bundesverfassungsgerichts schreibt wiederum in einer Zeitung vom
Bedeutungsverlust der Parlamente und ergänzt es um seine
Besorgnis, wir hätten es mit einem "verfassungsrechtlichen und
verfassungspolitischen Verfallsprozess zu tun". Das ist schon
relativ starker Tobak, jeweils von Leuten, bei denen sich im
allgemeinen empfiehlt, deren Einschätzung ernst zu nehmen, und
man kann dem ganz sicher auch nicht mit dröhnendem
Selbstbewusstsein entgegentreten, als sei dies alleine schon
gewissermaßen eine hinreichende Kompensation für starke
empirische Belege. Immerhin will ich den drei beispielhaft
genannten ausdrücklich kritischen Einschätzungen die
dezidiert gegenteilige Auffassung mindestens referierend
entgegensetzen, die Armin von Bogdandy, der Direktor am
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches
Recht und Völkerrecht in Heidelberg, wiederum in einer
großen deutschen Zeitung vor fast genau einem Jahr zu Papier
gebracht hat: "Nach der herrschenden Lehre ist die Geschichte des
zeitgenössischen Parlamentarismus eine Verfallsgeschichte:
weniger Macht, geringere Kompetenzen, schwindendes Ansehen.
Tatsächlich ist der Parlamentarismus in den
zurückliegenden Jahrzehnten von Erfolg zu Erfolg geeilt."
Was ist denn nun eigentlich richtig? Ich beginne mal mit dem
vermittelnden Vorschlag, dass die Behauptung vom Ableben des
Parlamentarismus ebenso übertrieben ist wie die Behauptung
einer unaufhaltsamen Erfolgsgeschichte und dass wie häufig im
Leben die Wahrheit nicht so spektakulär ist, wie die deswegen
besonders gern zitierten Funde, sondern weniger aufregend, aber
durchaus in der Nähe der Ansprüche angesiedelt, die
jedenfalls unsere Verfassung gegenüber diesem Verfassungsorgan
formuliert und nach meinem Eindruck auch relativ nah zu dem, was
leibhaftige Parlamentarier sich selber zutrauen und sicher auch
zumuten müssen. Ich will ein paar dieser gerade beispielhaft
genannten Befunde versuchen aufzugreifen und meine relativierende
These zu illustrieren. Es ist ja schwerlich zu bestreiten, dass die
öffentliche Debatte über wichtige und weniger wichtige
Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft weder
ausschließlich noch zuerst im Deutschen Bundestag
stattfindet. Nachfragen wird man allerdings müssen, ob dies
zum einen überhaupt notwendig und zum anderen je anders
gewesen ist. Ausgerechnet die etwa von Konrad Adam beispielhaft
genannte konzertierte Aktion war eine Erfindung der großen
Koalition aus den 60er Jahren, die als förmliches
Beratungsgremium längst aufgegeben und auch in mehr oder
weniger ernsthaften Wiederbelebungsversuchen nicht wirklich zu
etablieren war, schon gar nicht an Stelle des Parlaments.
Dem Bündnis für Arbeit ist es nicht anders ergangen.
Der Versuch, außerhalb des Parlaments zu institutionalisieren
mit verbindlichen Entscheidungen, was im Parlament stattfindet oder
auch nicht, war jedenfalls keine erfolgreiche Konstruktion. Die von
Konrad Adam und anderen beklagte fehlende parlamentarische
Auseinandersetzung über den Zusammenhang von maßvollen
Lohnabschlüssen und der Einsparung von Arbeitskräften,
gehört nach Selbstverständnis und Funktionsbedingungen
unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ausdrücklich nicht
dorthin, sie wird folgerichtig immer dann von Gewerkschaften, wie
Arbeitgeberverbänden als zuständigem Sozialpartner
moniert, wenn sie entgegen ihrer Erwartungen tatsächlich mal
im Deutschen Bundestag versucht wird. Im übrigen ist in
unserer Verfassungsordnung die Rolle des Bundestages entschieden
bescheidener beschrieben als es den geradezu übermenschlichen
Erwartungen von Deutschlands mehr oder weniger wissenschaftlich
ausgewiesenen publizistischen Großfürsten entspricht. Da
heißt es sinngemäß schlicht und ergreifend, dass
Gesetze vom Bundestag verabschiedet werden. Mein Eindruck ist
nicht, dass sich die Wirklichkeit von dieser Verfassungsnorm so
fürchterlich entfernt hat. Für fast alle die Erwartungen,
die jenseits dieser ausdrücklichen Norm an die Rolle des
Parlaments geknüpft werden, findet sich jedenfalls keine
verfassungsrechtliche Anforderung im Grundgesetz.
Der Hinweis auf die Ergänzung und Relativierung der drei
klassischen politischen Gewalten Legislative, Exekutive und
Jurisdiktion durch Wirtschaft, Wissenschaft und Medien als der
vierten, fünften und sechsten Gewalt ist längst nicht
mehr neu, aber zweifellos richtig. Ob diese drei inzwischen
allerdings die "wahren Machthaber im Lande" sind, die die
gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt in die
Schranken gewiesen, wenn nicht gar entthront haben (Konrad Adam),
das mögen andere vielleicht mit mehr Distanz beurteilen, als
sie dem Journalisten wie dem Palamentarier zu diesem Thema
möglich sind. Mir persönlich erscheint diese Behauptung
stark übertrieben. Plausibler ist wohl die Vermutung einer
wachsenden wechselseitigen Abhängigkeit, die je nach
Sachverhalt den einen oder anderen Faktor stärker erscheinen
und eine generelle Dominanz der klassischen wie der modernen
Gewalten gerade deshalb zunehmend aussichtslos erscheinen
lässt.
Tatsächlich kommt der Staat schon seit langem – falls
je – nicht ohne Rat und Hilfe von Sachverständigen
außerhalb der durch Wahl legitimierten Verfassungsorgane aus.
Insofern ist er zweifellos von Spezialisten abhängig, die
zugleich Interessenten sind. Zu den Grundvoraussetzungen der
Ernsthaftigkeit der Wahrnehmung eines Mandates gehört die
Fähigkeit, diesen Zusammenhang und den Unterschied zwischen
Erkenntnis und Interessen ständig im Bewusstsein zu haben.
Auch die berühmte Rentenreform von 1957, deren weltweiter
Glanz im Lichte neuerer Einschätzungen einer fairen
Lastenverteilung zwischen den Generationen unter
Berücksichtigung eines inzwischen gründlich
veränderten Altersaufbaus massiv abbröckelt, ist damals
natürlich nicht im Parlament entstanden und übrigens auch
nicht im zuständigen Arbeitsministerium, sondern entwickelt
worden von einem Expertenkreis um den Sozialökonomien Wilfried
Schreiber, der sich bis zu seinem Lebensende darüber
gegrämt hat, dass das, was er vorgeschlagen hat, dann so eben
nicht von Regierung und schon gar nicht Parlament komplett
übernommen wurde, woraus sich nicht nur nach seiner
Überzeugung all die Probleme ergeben haben, die bei
vollständiger Übernahme seines Vorschlages
verlässlich hätten vermieden werden können.
Die Unterschiede im heutigen Gesetzgebungsverfahren des Berliner
Parlamentarismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts gegenüber
früheren Zeiten der Bonner Republik sind bei fast identischen
parlamentarischen Abläufe eher quantitativ als qualitativ
bedeutsam. Die Zahl der interessierten und beteiligten Spezialisten
wie der Lobbyisten – zwei Gruppen, die man auch nur mit eher
virtuellem analytischen Scharfsinn voneinander trennen kann –
hat sich allerdings dramatisch vermehrt. Für die in Berlin
akkreditierten Lobbyisten wie Journalisten gilt, dass sie die
Bonner Stärkeverhältnisse bereits weit überboten
haben, die Parlamentarier befinden sich längst in einer
statistisch hoffnungslosen Minderheit. Allein die beim Bundestag
registrierten Interessenverbände haben inzwischen die
1800-Grenze überschritten, das heißt, dass auf jedes
Mitglied des Deutschen Bundestages statistisch drei Verbände
(!) kommen. Einzelne dieser Verbände haben sich längst in
Ministeriumsstärke hier in Berlin etabliert und bombardieren
mit ihrer gesamten Wucht von Sachverstand und organisiertem
Interesse den parlamentarischen Entscheidunsprozess. Dennoch ist
die Schlussfolgerung voreilig, dass Parlament werde als Forum der
öffentlichen Auseinandersetzung oder als Ort verbindlicher
Festlegungen durch Gesetzgebund immer unbedeutender. „Wer mit
der Zeit geht“, um noch einmal Konad Adam zu zitieren,
„verlässt sich nicht mehr auf das Gesetz, das Instrument
der Legislative, auf die Verordnung, das Mittel der Exekutive, oder
das Urteil, die Waffe der Gerichtsbarkeit. Modernisierer setzten
auf Verhandlungen und ihr Ergebnis, den Vertrag und den
Konsenz.“ Wenn das zuträfe, müsste die Zahl der
Gesetze deutlich zurückgehen und schon gar die Neigung,
wichtige Sachverhalte durch Gesetze abschließend zu regeln.
Das Gegenteil ist richtig. Wir befinden uns in Deutschland geradezu
auf dem Höhepunkt einer politischen Kultur, die Sachverhalte
überhaupt erst dann für geregelt hält, wenn sie in
Gesetzesform gegossen sind. Mit übrigens zum Teil skurrilen
Ausprägungen, bei denen es mir jetzt gar nicht um die
Beschimpfung einzelner Gesetzgebungsvorgänge geht, sondern
schlicht und ergreifend um die Relativierung einer Behauptung, das
Gesetz als politisches Gestaltungsinstrument habe immer mehr an
Bedeutung verloren und folgerichtig Parlamente als
Verfassungsorgane mit dieser zentralen Aufgabe.
Ob mit Blick auf den Arbeitsmarkt über geringfügige
Beschäftigungen, Bedingungen der Selbständigkeit,
Teilzeitarbeit oder Vorruhestand geredet wird, die Lösung wird
per Gesetz gesucht. Ob über Zukunftsfragen der
Energieversorgung gestritten wird, von Kohlesubventionen über
Atomenergie, die Förderung von Sonne, Wind und Wasser wie die
Liberalisierung der Märkte mit der Aufgabe aller
Verstromungsmonopole, geregelt wird per Gesetz, dessen
Durchführung noch dazu per Verordnung. Auch die
Rahmenbedingungen für die Entwicklungschancen von Familien
kann sich in Deutschland kaum noch jemand anders vorstellen als
gesetzlich geregelt. Das gilt für die Festsetzung von
Voraussetzung und Höhe des Kindergeldes, der Anrechung von
Kindererziehung für die Alterssicherung, den Familienurlaub,
den Anspruch auf Teilzeitarbeit bis zu einer wiederum gesetzlich zu
flankierenden Arbeitsteilung zwischen Vätern und Müttern
bei der Betreuung von Kleinkindern. Das System der sozialen
Sicherung ist in Deutschland seit jeher ein gesetzliches System.
Wir befinden uns hier in einer Einrichtung mit einschlägiger
historischer Vergangenheit. Die berechtigten Zweifel, die es
natürlich längst gibt, an den Möglichkeiten
abschließender gesetzlicher Regelung für
Alterssicherung, Gesundheitsversorgung, Pflegebedüftigkeit,
Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsförderung hindern
bislang weder das Parlament an der Fortsetzung seiner gesetzlichen
Bemühungen noch die interessierte Öffentlichkeit an der
ausdrücklichen Erwartung einer ständigen Fortschreibung
vorhandener gesetzlicher Regelungen. In jedem anderen wichtigen
gesellschaftlichen Bereich sind die Beobachtungen immer wieder die
gleichen. Die Bildung und Ausbildung wird in Deutschland von der
Schulpflicht, den Schulformen, den Lehrplänen, dem
Hochschulzugang und dem Hochschulbau bis zur Anerkennung von Examen
per Gesetz, mindestens per Verordnung auf der Basis gesetzlicher
Regelungen entschieden. Die Föderalismusreform wäre just
an diesem Punkt beinahe gescheitert, als es noch einmal um die
vergleichsweise luxuriöse Frage ging, nicht ob überhaupt,
sondern an welcher Stelle diese Sachverhalte durch Gesetz zu regeln
seien, vom Bund oder den Ländern.
Die Umwelt behauptet sich in Deutschland nicht ohne gesetzliche
Regelungen, was Immissionsschutz, Boden- oder Lärmschutz
betrifft – und schon gar nicht ein solches Jahrhundertproblem
wie Dosen- oder Flaschenpfand. Und selbst die Kultur als dezidiert
staatsferner Gesellschaftsbereich mit übrigens der
größten einzelnen Ansammlung von Apokalyptikern, was die
politische Kultur im allgemeinen und die Parlamentskultur im
besonderen betrifft und die Unsinnigkeit der gesetzesförmigen
Regelung von komplizierten Lebenssachverhalten, ist an diesem
fröhlichen Überbietungswettbewerb voll
konkurrenzfähig beteiligt. Dies gilt für
Verfügungsansprüche von Urhebern, die Beteiligung an der
Wertsteigerung von Kunstwerken nicht zuletzt für die
Erbberechtigten und selbstverständlich die Sozialversicherung
von Künstlern mit besonderen, wiederum gesetzlichen Regelungen
im Rahmen der allgemeinen Sozialversicherungssystem. Die
Preisbindung von Büchern wird durch Gesetz geregelt, nachdem
eine jahrzehnelang selbstverständlich praktizierte informelle
Regelung von der europäischen Gemeinschaft unter
Wettbewerbsgesichtspunkten angezweifelt worden war. Da wissen die
Deutschen, wie sie sich zu wehren haben, per Gesetz. Und wenn die
Bereitschaft der Bürger zum privaten Engagement für
gemeinnützige Zwecke nicht nur gefragt, sondern gefördert
werden soll, dann geht es eben nur durch Gesetze, die Gründung
und Arbeit von Stiftungen regeln und insbesondere die steuerliche
Absetzbarkeit von Spenden und Zuwendungen sichern.
Von einem Rückzug aus gesetzlichen Regelungen zu Gunsten
von informellen Regelungen in Gestalt von Vereinbarungen,
Übereinkünften oder Verträgen kann ersthaft keine
Rede sein: Am Ende verlassen sich alle nur auf das Gesetz. Gerade
vorgestern habe ich ein Brief an die Wissenschaftsministerin
geschrieben, die die liebenswürdigen Überlegungen einer
Neugestaltung des Nationalen Ethikrates in Form eines gemeinsamen
von Regierung und Parlament zu berufenden Gremiums über den
Bundestagspräsidenten wiederum durch ein Gesetz zur Errichtung
eines Nationalen Ethikrates zu regeln beabsichtigt. Richtig bleibt,
wenn wir nach diesem Teil einer nicht vollständigen, aber
– wie ich denke – repräsentativen Bestandsaufnahme
der politischen Wirksamkeit nicht nur über die Vorgänge,
sondern auch über die Initiativen zu diesen Vorgängen
reden, dass die Gesetzgebungsinitiative selten vom Bundestag
ausgeht, vielmehr in der Regel von der Bundesregierung, die
ihrerseits in der Gesellschaft und Wirtschaft vorhandene Interessen
aufgreifen oder zumindest in ihren Gestaltungsabsichten
berücksichtigt. Das schreibt im übrigen die
Geschäftsordnung der Bundesregierung ausdrücklich vor,
auch für die Vorbereitung von Gesetzesinitiativen, um damit
sicherzustellen, dass der politische Entscheidugsprozess sich nicht
von gesellschaftlichen Wirklichkeiten separiert. Und im
übrigen, dass nicht Interessen rechtzeitig registriert,
sondern mit den Interessen regelmäßig verbundene
Sachverstand auch in notwendige Regelungen mit einbezogen wird.
Der Bundestag beschränkt sich, wie jede statistische
Analyse der vergangenen Jahre gezeigt hat, keinesfalls nur auf die
notarielle Beurkundung anderswo getroffener Entscheidungen. Von
mehreren hundert Gesetzentwürfen, die in jeder
Legislaturperiode vom Bundestag beraten werden, erfahren die
meisten mehr oder weniger deutliche Veränderungen im
parlamentarischen Entscheidungsprozess gegenüber der Fassung,
in der sie eingebracht wurden. Weniger als 20 Prozent der
Entwürfe werden unverändert beschlossen, das ist schon
unter dem Gesichtspunkt der zunehmenden Anzahl zu ratifizierender
europäischer Vorgänge durch Umsetzung in nationales Recht
ein erstaunlich niedriger Wert, der ja seit kurzem die höheren
Weihen eines sogenannten "Struckschen Gesetzes bekommen hat, womit
ein Vorgang endlich mit einem realexistierenden Parlamentarier
verbunden wird, der seit Anfängen des Parlamentarismus in
genau dieser Form immer schon zu beobachten war. Sie können
als Faustregel getrost davon ausgehen, je wichtiger ein
Gesetzgebungsvorgang ist, desto unvermeintlicher sind die
Änderungen, die sich im parlamentarischen Verfahrensablauf
ergeben. Auch hier ist die Föderalismusreform ein besonders
gutes, jedenfalls ein besonders erhellendes Beispiel,
einschließlich der Mischung aus Respekt und Verzweiflung, die
sich regelmäßig einstellt, wenn ein real existierender
Parlamentarier die von ihnen im allgemeinen erwartete
Selbständigkeit im konkreten Beispiel tatsächlich gegen
die eigene Fraktion stellt. Dann jedenfalls wird spätestens,
wenn die rechnerischen Mehrheiten gefährdet erscheinen, die
Präferenz von der Unabhängigkeit der Urteilsbildung auf
die Erwartung der Sicherheit des vereinbarten Ergebnisses
verlagert.
Dass heute derjenige, der "etwas bewegen will, nicht mehr
Abgeordneter, sondern Consultant oder Lobbyist, Imageberater oder
Medienregisseur" werde (Konrad Adam), ist keineswegs frei erfunden,
aber doch eine vorschnell verallgemeinerte Beobachtung. Sie muss
mindestens um den Hinweis ergänzt werden, dass nicht wenige
dieser Lobbyisten und Berater zuvor Abgeordnete waren, die sich
diesem neuen, scheinbar noch wichtigeren Aufgabenfeld in dem
Augenblick zugewendet haben, in diesem sie ihr Mandat – aus
welchen Gründen auch immer – nicht fortsetzen konnten.
Zugleich drängen zahlreiche Verbandsvertreter in die
Parlamente und es wären gewiss noch mehr, wenn sie dort
ähnlich gut und vor allem ähnlich unauffällig
bezahlt würden, wie es in ihren früheren Berufen die ganz
selbstverständliche Regel war.
Bei genauerem Hinsehen, meine Damen und Herren, erweist sich der
bundesdeutsche Parlamentarismus auch in seinem sechsten
Lebensjahrzehnt als robuster und vitaler als gemeinhin vermutet. Er
sollte in seinen Verfahren wie Ergebnissen weder unter- noch
überschätzt werden. Gerade der deutsche Parlamentarismus
erfreut sich bei all den Ländern, die sich noch in politischen
Modernisierungsprozessen befinden oder sie gerade mehr oder weniger
hinter sich gebracht haben, einer geradezu anrührenden
Attraktivität. Keine andere Verfassung, kaum ein anderes
Wahlgesetz, kaum – sofern vorhanden – andere
Vorstellungen über die Aufgabenstellung und Regelungen und
Rahmenbedingungen für politische Parteien werden in anderen
Ländern so oft gelesen, so oft zitiert und häufig so
unkritisch als Blaupause für eigene
Parlamentarisierungsambitionen zur Grundlage gemacht. Der Deutsche
Bundestag ist zunehmend mit Erwartungen an Hilfestellung für
den Aufbau parlamentarischer Strukturen in mehreren dutzend
Ländern der Welt konfrontiert, denen wir in dieser Anzahl gar
nicht nachkommen können, weil wir selbst bei
großzügiger Bedienung dieser Anforderungen einen
gewissen Rest an Mitarbeitern für die Erledigung der
vermeintlich hoch defizitären parlamentarischen Abläufe
in Deutschland selbst benötigen.
Wenn ich gleich zu Beginn, meine Damen und Herren,
gegenüber den beiden markigen Positionen der
Verfallsgeschichte des Parlamentarismus auf der einen Seite und der
unaufhaltsamen Fortschrittsgeschichte auf der anderen Seite
empfohlen habe, doch vielleicht die weniger spektakuläre
Vermutung für wirklichkeitsnah zu halten, dass wir weder mit
dem einen oder dem anderen zu tun haben, sondern mit einer
politischen Realität, die sich viel näher an den
Verfassungsnormen orientiert, als das gemeinhin vermutet wird, und
gleichzeitig natürlich in mancherleiweise von geschriebenen
oder ungeschriebenen Erwartungen emanzipiert, insbesondere was die
Unvermeintlichkeit informeller Beratungen angeht, dann will ich
damit ausdrücklich den Hinweis verbinden, dass ich das
persönlich nicht nur nicht für eine Fehlentwicklung
halte, sondern für eine Voraussetzung, für eine der
unverzichtbaren Voraussetzungen der Vitalität eines
funktionstüchtigen parlamentarischen Systems. Die Vorstellung,
dass alles und jedes, was von politischer Bedeutung sei, erstens
überhaupt im Parlament stattfinden müsse und vor allem da
zuerst, ist weder wirklichkeitsnah noch sinnvoll. Wenn man neben
dem Interesse an öffentlichen Diskursen auch noch ein
Restinteresse an zustande kommenden Ergebnissen hat, muss man die
Vorstellung aufgeben, es könne alles sofort und immer und
möglichst nur Gegenstand öffentlicher parlamentarischer
Debatte sein. Ein beachtlicher Teil des politischen Prozesses hat
übrigens – ich sage das noch einmal – nach unserer
Verfassung keineswegs exklusiv im Deutschen Bundestag
stattzufinden; die dem Deutschen Bundestag in unserer Verfassung
zugedachte Rolle ist erstaunlich dürftig, und seine
tatsächliche Rolle geht erstaunlich weit über das hinaus,
was die Verfassung ausdrücklich dieser Institution vorbehalten
hat. Aber dass er – der Deutsche Bundestag wie jedes andere
bedeutende Parlament – die Funktion überhaupt wahrnehmen
kann, die man von ihm ausdrücklich oder heimlich erwartet,
hängt ganz wesentlich davon ab, dass er jedenfalls auch in
informellen Strukturen und Prozessen arbeitet. Dass ein
beachtlicher Teil des politischen Entscheidungsprozesses nicht auf
der Vorderbühne, sondern in den Kulissen stattfindet, es ist
die Voraussetzung dafür, dass Kompromisse überhaupt
ermöglicht werden, von denen Georg Simmel einmal gesagt hat,
sie gehörten zu den größten Errungenschaften der
Menschheit. Selbst wann man dies für eine vielleicht zu
pathetische Formulierung hält, ist es jedenfalls eine
unaufgebbare Errungenschaft. Eine Gesellschaft, die nicht mehr
kompromissfähig wäre, wäre weder eine humane noch
eine freiheitliche Gesellschaft. Also muss ein politisches System,
das sich eine vom Selbstverständnis her freiheitliche
Gesellschaft gibt, die Voraussetzungen dafür schaffen und
erhalten, dass Kompromisse möglich bleiben bzw. möglich
werden.
Es gibt einen Punkt, den ich zum Schluss ansprechen möchte,
der meine persönliche Beurteilung erklärt, warum ich die
Zurückweisung der Verfallstheorien nicht schlicht und
ergreifend mit der gegenteiligen Behauptung einer Erfolgsgeschichte
konfrontierte, die ich zitiert, mir aber nicht zu eigen gemacht
habe. Nach meiner Überzeugung spricht wenig für die
Vermutung eines Bedeutungsverlustes der Parlamente, aber manches
für die Wahrnehmung eines Bedeutungsverlustes der Politik. Das
wäre, Herr Professor Kocka, ein schönes Thema für
eine nächste mögliche Veranstaltung in dieser Reihe, den
Stellenwert der Politik in der modernen Gesellschaft gegenüber
anderen Einflussgrößen und Faktoren, auch und gerade in
Zeiten der Globalisierung zu untersuchen.
Dort, wo wir jedenfalls, das ist jetzt einmal meine
Arbeitshypothese, mit einer Tendenz des Bedeutungsverlustes von
Politik zu tun haben, können Parlamente nicht kompensieren,
was an Relevanz des Politischen ganz oder teilweise verloren
gegangen ist. Auch wenn sie das für einen Versuch einer
Selbstmotivation halten mögen, ich kann selbst dieser
Beobachtung eines tendenziellen Bedeutungsverlustes der Politik
nicht nur negative, sondern auch positive Aspekte abgewinnen. Sie
stürzt mich überhaupt nicht in Depressionen. Je weniger
dominant das Politische in einer Gesellschaft ist, desto ziviler
kann sie auch in ihrem Erscheinungsbild, in ihren Abläufen
werden und umgekehrt. Ob man den Bundestag nur dann als erste
Gewalt sehen kann, wenn er in allen wesentlichen Fragen die
Richtung vorgibt, wie es in den meisten kritischen Einlassungen zur
Bedeutung der Parlamente reklamiert wird, ist eher unerheblich. Es
spricht keineswegs gegen die politische Verfassung der Republik,
dass sie sich nicht nach den politischen Vorgaben des Parlaments
und der Regierung richtet, schon gar nicht immer, sondern diese
umgekehrt zur Berücksichtigung vorhandener Erwartungen der
Gesellschaft zwingen. Dennoch erweist sich bei den bedeutenden
aktuellen und grundsätzlichen Frage n der Bundestag nach wie
vor als das wichtigste Forum der Nation. Dies hat sich in
jüngerer Zeit nicht nur bei dieser großen Operation
"Förderalismusreform" gezeigt, des größten Umbaus
in der politischen Architektur der Republik seit 1949, bei der ich
trotz Vielem, was man daran kritisch sehen kann, nicht erkennen
kann, dass diese Veränderung der Architektur zu einem
Bedeutungsverlust der Parlamente führt. Wenn überhaupt
tendenziell eher im Gegenteil: sowohl die Rolle der Landtage wie
die Rolle des Bundestages, wird das Ergebnis dieser neuen
Vermessung von Zuständigkeiten eher gestärkt als
geschwächt. Wie ich überhaupt in den etwas mehr als 50
Grundgesetzänderungen, die es seit Verabschiedung dieses
Textes, oft überflüssigerweise, gegeben hat, keine
einzige erinnern kann, auch in der Literatur keine gefunden habe,
die in Intention oder Wirkung eine Schwächung der Rolle des
Parlaments zur Folge gehabt hätte. Und nimmt man noch die
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinzu, die mit dem
Parlamentsvorbehalt die Notwendigkeit der Legitimation von
Entscheidungsprozessen durch parlamentarische Akte
ausdrücklich bekräftigt haben, dann spricht auch unter
diesem Gesichtspunkt relativ wenig für die These eines
kontinuierlichen Verfalls von Bedeutung oder Einfluss. Warum sich
das Ansehen von Parlamenten und Parlamentariern eher umgekehrt
proportional zu dieser Entwicklung vollzieht, wäre der
übernächste denkbare Vortrag für diese oder eine
andere Reihe.
Dass wir inzwischen in einer Gesellschaft, die so verfasst ist,
wie sie ist, nicht nur Parlamente haben, sondern auch Fernsehen,
und dass nicht nur in Parlamenten, sondern auch im Fernsehen
über Politik geredet wird, das mag man nun je nach
Betrachtungsweise als Bestätigung der Verfallstheorie
wahrnehmen oder auch nicht. Die inzwischen hoffnungslos
inflationierten Fernsehtalkshows sind jedenfalls weder immer
unterhaltsam noch in der Regel politisch bedeutsam. Das scheint
sich nach den allerjüngsten Eindrücken selbst bei ihren
Organisatoren herumgesprochen zu haben. Machtlos ist das Parlament
ganz sicher nicht. Aber offensichtlich auch nicht allmächtig.
Ich finde das eine so beruhigend wie das andere.