Sehr geehrter Herr Professor Pernice,
Herr Petschke,
Herr Hänel,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
ich bedanke mich sehr für die freundliche Einladung und die
liebenswürdige Begrüßung. Ich bin gerne gekommen,
schon gar zu diesem Anlass. Und ich bin auch sehr beeindruckt, dass
Europa von Zeit zu Zeit sogar noch öffentliche Aufmerksamkeit
findet. Jedenfalls, wenn es solche herausgehobenen Anlässe
gibt. Ob das, was ich heute Abend vortrage, ein Festvortrag wird,
weiß ich noch nicht genau. Eher wahrscheinlich ein
Arbeitsbericht von einer Dauerbaustelle, die über das
Richtfest weit hinausgekommen ist. Aber von einem endgültigen
Abschluss der Bauarbeiten kann sicher bei nüchterner
Betrachtung keine Rede sein.
Der Lissabon-Vertrag, meine Damen und Herren, ist nicht der
erste und nach menschlichen Ermessen auch nicht der letzte Schritt
auf dem langen, aber endlich gemeinsamen Weg in eine gemeinsame
Zukunft Europas. Das mühsame Zustandekommen dieses Vertrages
und das späte Inkrafttreten haben naheliegender Weise in einem
längeren Zeitraum eine Fülle von Betrachtungen,
Kommentaren, Erwartungen und Befürchtungen ausgelöst, die
nicht allesamt freundlich waren, für die es aber jeweils
nachvollziehbare, beachtliche Gründe gibt. Alan Posener hat am
vergangenen Wochenende in einer großen Sonntagszeitung seinen
Kommentar zum bevorstehenden heutigen Inkrafttreten des
Lissabon-Vertrages mit der Vermutung versehen – ich zitiere:
"… in Europas Straßen wird man nicht tanzen…".
Mir liegen auch noch keine gegenteiligen Agenturmeldungen vor. Und
er hat hinzugefügt: "Niemand wird behaupten wollen, von hier
und heute gehe eine neue Epoche der Weltgeschichte aus. Und das ist
bedenklich, denn es hat unübersehbar eine neue Epoche
begonnen.".
Beides ist richtig, jedenfalls nach meiner Beurteilung. Hier
beginnt ganz sicher nicht eine neue Epoche der Weltgeschichte. Aber
mit dem Lissaboner Vertrag werden mehr als ein paar Gerüste
von der Baustelle abgeräumt. Der Bau gewinnt zunehmend
Konturen. Was im übrigen sowohl diejenigen, denen diese
Konturen gefallen, wie diejenigen, die davon nicht so begeistert
sind, zu Recht mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen.
Würdigen kann man das, was in Lissabon zustandegekommen ist,
nur im Kontext der Vorgeschichte, so wie sich die große
Errungenschaft dieser europäischen Gemeinschaft, um die es
sich zweifellos handelt, ja ohnehin nicht begreifen lässt in
der täglichen Auseinandersetzung um diesen oder jenen kleinen
Fortschritt oder das, was man dafür hält, sondern im
Kontext des prinzipiellen Unterschieds zu den Verhältnissen,
die Europa und das Verhältnis seiner Staaten und Völker
zueinander Jahrzehnte und Jahrhunderte lang vorher gekennzeichnet
haben.
Über den Lissaboner Vertrag und seine Bedeutung kann man
nicht sprechen, ohne über den Nizzavertrag und seine
Enttäuschungen zu reden, über die damals gescheiterte
Reform im Dezember 2000 – pünktlich zur Weihnachtszeit,
wie alle großen Initiativen der letzten Jahre. Und dann der
große Aufbruch 2001, wiederum im Dezember, mit der
Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs, eine Verfassung
Europas zu entwickeln, eine Verfassung für die Bürger,
die mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Effizienz der
europäischen Gemeinschaft und ihrer Organe ermöglichen
sollte. Sie kennen die Leidensgeschichte dieses Vertrages, des
Entwurfs und seines schließlichen Scheiterns, und Sie kennen
die Ambitionen nicht aller, aber vieler der damals Beteiligten wie
der später in Verantwortung Nachgewachsenen, die Substanz
einer gescheiterten Verfassung in einen Reformvertrag
hinüberzuretten. Was wiederum die einen als
Mindestvoraussetzung für einen qualitativen Sprung verstanden
haben und die anderen als Drohung, einen zweiten Anlauf zu einem,
in ihren Augen zu Recht gescheiterten Versuch zu unternehmen. Die
Auseinandersetzung über diesen Vertrag hängt
natürlich nicht nur, aber ganz wesentlich damit zusammen, dass
es über den Bau, über das gemeinsame Haus Europas nach
wie vor nicht nur keine identischen Vorstellungen gibt, sondern
dass sich mit der Zukunft der Europäischen Union Erwartungen
verbinden, die sich zum Teil wechselseitig ausschließen. Und
das macht es – dies wird man gerade in einer Hochschule mit
ihrer geradezu professionellen Verpflichtung zur kritischen Analyse
sagen dürfen – nicht nur verständlich, dass dieser
Vertrag nicht allen Ansprüchen genügen kann: es macht es
unvermeidlich – schon gar unter den Bedingungen des
Einstimmigkeitsprinzips, die bis Lissabon jeden möglichen
Fortschritt der europäischen Gemeinschaft bestimmt haben.
Wenn ich die drei großen Ziele, die damals im Zusammenhang
mit dem Anlauf zu einer europäischen Verfassung genannt
wurden, auch als Kriterium für den Lissabon-Vertrag gelten
lasse - mehr Demokratie, mehr Transparenz, mehr Effizienz -, dann
halte ich den Zuwachs an Transparenz wie an Demokratie für
absehbar und beinahe gesichert. Was die Effizienz angeht, bin ich
mir nicht ganz so sicher. Mit dem Vertrag von Lissabon sind gewiss
nicht alle Probleme Europas gelöst, aber deutlich bessere
Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie überhaupt
gelöst werden können. Seit Bestehen der Europäischen
Union ist dies ganz sicher der größte Schritt zur
Parlamentarisierung europäischer Entscheidungen. Der Vertrag
stärkt sowohl die Mitwirkungsrechte des Europäischen
Parlaments als auch die der nationalen Parlamente. Künftig ist
es weder rechtlich noch politisch möglich, die Europapolitik
weitgehend den Regierungen allein zu überlassen. Mehr Rechte
für die Parlamente auf europäischer wie auf nationaler
Ebene bedeutet zugleich eine Ausweitung ihrer Verpflichtungen. Der
Bundestag hat mit dem Begleitgesetz zum Lissaboner Vertrag, seinem
Verbindungsbüro in Brüssel unter Beteiligung der
Fraktionen des Deutschen Bundestages, insbesondere aber durch die
einzigartige Kooptation von deutschen Mitgliedern des
Europäischen Parlamentes in seinen Ausschuss für
Europäische Angelegenheiten sichergestellt, den neuen
Anforderungen und neuen Kompetenzen gerecht werden zu
können.
Da ich mich – wie angekündigt – im wesentlichen
auf die parlamentarischen Aspekte dieses Vertrages und die sich
daraus ergebenden Perspektiven für die Zukunft konzentrieren
will, möchte ich doch einen Satz der Begründung für
meine etwas skeptischere Einschätzung zum Effizienzkriterium
sagen, bei dem mir die Erfolgsaussichten nicht ganz so
ausgeprägt erscheinen, wie das beim Demokratieprinzip und beim
Transparenzpostulat der Fall sein könnte.
Ich habe noch einmal nachgelesen, was die Bundeskanzlerin in
ihrer Humboldtrede am 27. Mai dieses Jahres zum Lissabon-Vertrag
gesagt hat, der damals von allen Staats- und Regierungschefs
unterzeichnet, in den allermeisten Ländern ratifiziert, aber
eben noch nicht in Kraft getreten war: "… brauchen wir den
Vertrag von Lissabon, denn er wird dem Europäischen Rat einen
Präsidenten geben, der über eine Periode von zweieinhalb
Jahren mehr Kontinuität in die Arbeit des Europäischen
Rates hineinbringt, Interessen bündeln kann und hoffentlich
für mehr Schnelligkeit und Praktikabilität der Arbeit
sorgt…". Und als zweite wichtige Veränderung nennt sie:
"… der Vertrag von Lissabon wird auch das Europäische
Parlament als Mitgesetzgeber stärken…". Das ist
erstaunlich vorsichtig, außerordentlich bescheiden
formuliert. Die Kanzlerin wird gewusst haben, warum sie sich so
vorsichtig ausdrückt. Denn jeder, der irgendwann einmal auch
nur in der Nähe europäischer Personalentscheidungen war,
weiß, dass meine allgemeine Bemerkung, dass viele Erwartungen
und Ansprüche unterwegs sind, die sich zu einem beachtlichen
Teil wechselseitig ausschließen, dafür in besonderer
Weise zutrifft. Aber es hat nun auch keinen Sinn, an einem solchen
Festtag wie heute darüber hinwegzusehen, dass die
Personalentscheidungen, auf die sich vor wenigen Tagen der
Europäische Rat im Lichte der Veränderungen des
Lissaboner Vertrages hat verständigen können, manche
Hoffnungen enttäuscht haben. Und dass es nicht wenige gibt,
auf die die getroffenen Personalentscheidungen wirken wie der
Widerruf zum Ehrgeiz, den der Lissaboner Vertrag als Konzept
vermittelt hat. In Zukunft wird unter dem Gesichtspunkt "Effizienz"
Europa mit drei Präsidenten und einer Vizepräsidentin
gleichzeitig auftreten: Dem Präsidenten der Kommission, dem
wechselnden halbjährigen Präsidenten des
Europäischen Rates, einem scheinbar ständigen
Präsidenten, der zweieinhalb Jahre amtiert, und einer
Vizepräsidentin der Kommission, die gleichzeitig für
auswärtige Angelegenheiten zuständig ist - und damit
übrigens für genau den Bereich, der zu den wenigen
verbleibenden Politikfeldern gehört, für die es keine
ausgeprägte Gemeinschaftszuständigkeit gibt. Das wird
spannend.
Nun muss man der Fairness halber hinzufügen, dass die
Kritik an einem solchen Tableau sowohl institutionell wie personell
entschieden leichter ist als die Herbeiführung von
konsensfähigen Entscheidungen. Denn das, was dem einen
naheliegend erschien – mir zum Beispiel – mit Blick auf
eine ausgewiesene Persönlichkeit mit ausgeprägter
europäischer Biografie und nachgewiesenem
Führungsvermögen, hat naturgemäß auf manche
der handelnden Regierungschefs eher abschreckend als
förderlich gewirkt. Und am Ende kommen nur Lösungen
zustande, auf die sich alle verständigen können und bei
denen dann - das ist der Vorbehalt, den man nun leider machen muss
- das Risiko bleibt, dass statt der berühmten verbindlichen
Telefonnummer, die Henry Kissinger schon vor über
30 Jahren eingefordert hat, es demnächst vier
Telefonnummern gibt, bei denen sich ein amerikanischer oder
chinesischer oder japanischer Staats- oder Regierungschef im
Zweifelsfall - statt vier Leute der Reihe nach anzurufen -
vielleicht lieber gleich an den französischen Präsidenten
oder die deutsche Kanzlerin wendet. Wenn Sie da einen kleinen
Unterton von Enttäuschung eines engagierten Europäers
durchhören sollten, dementiere ich das nicht. Aber ich hoffe,
es ist gleichzeitig deutlich geworden, dass ich verstehe, warum es
so ist, wie es ist. Und meine Empfehlung ist, die eine Wahrnehmung
nicht zugunsten der anderen aufzugeben: nicht wegen der Einsicht in
die Unvermeidlichkeit solcher Entscheidungsprozesse das
Beobachtungsvermögen einzustellen oder umgekehrt, aus schierer
Begeisterung für die Lösung, die man selbst für die
richtige hält, all diejenigen unter Generalverdacht zu
stellen, die für sich mit ähnlich beachtlichen Argumenten
ganz andere Präferenzen in diesem Zusammenhang gebildet
haben.
Meine Damen und Herren, ich will im wesentlichen über die
parlamentarischen Perspektiven reden und ich tue das um so lieber,
weil nach meiner festen Überzeugung dies auch der wichtigste
einzelne Fortschritt ist, den dieser Reformvertrag von Lissabon
für die Gemeinschaft anbietet. Dieser Reformvertrag leistet
den mit Abstand stärksten Beitrag zur Parlamentarisierung der
europäischen Entscheidungsverfahren seit Gründung der
Europäischen Gemeinschaft. Was übrigens auch nicht alle
so rundum toll finden, sich aber als Sachverhalt schwerlich
übersehen lässt, wie ich hoffentlich verdeutlichen kann.
Er wertet nicht nur das Europäische Parlament deutlich auf,
übrigens auch und gerade in den bisher weitgehend von
Regierungszusammenarbeit geprägten Feldern der Innen- und
Justizpolitik, sondern er stärkt vor allem die nationalen
Parlamente. Ich will dazu einige Hinweise geben und bitte um
Nachsicht, wenn ich jetzt naturgemäß manches vortrage,
das vielen von Ihnen natürlich vertraut sein wird.
Erstens: Als erster europäischer Vertrag verankert der
Vertrag von Lissabon den Grundsatz der repräsentativen
Demokratie ausdrücklich im EU-Primärrecht. Das hatten wir
bislang nicht. Es müsste eigentlich beim
Bundesverfassungsgericht zu Entzückungen führen, weil
genau dies im Maastricht-Vertrag 1993 ausdrücklich
eingefordert worden war.
Zweitens: Im Einklang gerade mit diesen von Karlsruhe immer
wieder eingeforderten Ansprüchen werden die nationalen
Parlamente im neuen Vertrag noch vor dem Europäischen
Parlament genannt, nämlich im Artikel 12 vor den dann
folgenden Artikeln 13, 14 und folgenden, die die Rolle des
europäischen Parlamentes regeln, und durch diese neue
Vorschrift mit eigenen Informations-, Kontroll- und
Mitwirkungsrechten ausgestattet. Zwei dem EU-Vertrag durch den
Reformvertrag beigefügte Protokolle – das
Parlamenteprotokoll und das Subsidaritätsprotokoll –
konkretisieren diese parlamentarischen Rechte im Einzelnen.
Drittens: Der Vertrag von Lissabon macht die nationalen
Parlamente zu Wächtern der Subsidiarität in der EU. Das
ist überfällig, zumal ich weit und breit keine andere
politische Institution mit Verfassungsrang sehe, die sonst eine
solche Subsidaritätskontrolle mit Aussicht auf Erfolg
wahrnehmen könnte. Die Europäische Kommission hat
dezidiert die umgekehrte Aufgabe. Sie ist auf Gemeinschaftshandeln
programmiert. Der Europäische Ministerrat handelt entweder gar
nicht oder europäisch. Das europäische Parlament muss
sich in der Logik seines Selbstverständnisses als Vertretung
der europäischen Bürger verstehen und nicht als
verlängerter Arm der Nationalstaaten und auch nicht der
nationalen Parlamente. Wenn also überhaupt in diesem Europa
von Nationalstaaten die Subsidiarität nicht nur eine
nostalgische Erinnerungsfigur an überkommene Zeiten sein soll
– was übrigens auch eine denkbare und legitime
europapolitische Vorstellung wäre –, sondern wenn dies
Gestaltungsprinzip bleiben soll, kommen bei nüchterner
Betrachtung eigentlich nur die nationalen Parlamente als Hüter
der Subsidiarität ernsthaft in Frage. Dies nimmt dieser
Vertrag ausdrücklich nicht nur in Kauf, sondern zur Kenntnis
und setzt damit einen – wie ich finde – ebenso
wirklichkeitsnahen wie politisch bedeutsamen Akzent.
Viertens: Jedes nationale Parlament erhält im
Lissabon-Vertrag das Recht, gegen EU-Rechtsakte, die aus seiner
Sicht gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen, direkt
vor dem EuGH Subsidaritätsklage zu erheben. Dieses Klagerecht
steht bei uns in Deutschland sowohl dem Bundestag wie dem Bundesrat
zu.
Fünftens: Auch wenn der neue Vertrag
Mehrheitsentscheidungen nicht nur erlaubt, sondern in Zukunft
hoffentlich zur Regel macht und damit die eingebaute Blockade
aufhebt, die das Einstimmigkeitsprinzip nach sich zieht, bleibt es
auch in Zukunft in zentralen außen- und
sicherheitspolitischen Entscheidungen beim Erfordernis der
Einstimmigkeit im EU-Ministerrat, so dass jedes nationale Parlament
über seine Regierung bestimmenden Einfluss behält. Das
gilt ganz besonders für mögliche
EU-Militärmissionen, die überhaupt nur dann mit deutscher
Beteiligung stattfinden dürfen, wenn Deutschland dazu im Rat
seine Zustimmung erteilt, was wiederrum nicht erfolgen kann, wenn
es nicht die vorherige Zustimmung des Bundestages dazu gegeben hat.
Eine sehr übersichtliche, wenn auch nicht völlig
unkomplizierte Lage.
Sechstens: Auch in Zukunft bleiben Vertragsänderungen,
Beitritte weiterer Mitgliedsstaaten, Beschlüsse über die
Finanzmittel der EU ratifizierungsbedürftig, treten also nur
dann in Kraft, wenn jedes nationale Parlament seine Zustimmung
gegeben hat.
Siebtens: Verfahrensrechtlich erschwert, aber im Lichte der
Subsidaritätsklausel - wie ich finde – zu Recht
erschwert, wird im Reformvertrag die Anwendung der sogenannten
Flexibilitätsklausel, die es der EU ermöglicht,
Beschlüsse ausnahmsweise auch dann zu fassen, wenn dazu keine
spezielle Rechtsgrundlage in den Verträgen vorgesehen ist.
Während dafür heute die Anhörung des
Europäischen Parlaments genügt, verlangt der neue
Reformvertrag seine ausdrückliche Zustimmung. Eine
zusätzliche Einschränkung ergibt sich aus den neuen
Kontrollrechten der nationalen Parlamente, die bei Anwendung der
Flexibilitätsklausel Einschätzungen der Verletzungen des
Subsidiaritätsprinzip rügen und notfalls gerichtlich
beanstanden können.
Und schließlich, achtens, erhält jedes nationale
Parlament durch den Vertrag von Lissabon ein innerhalb von sechs
Monaten ausübbares Vetorecht gegenüber besonderen
Vertragsänderungen, die nicht, wie sonst üblich, von
einer Regierungskonferenz, sondern einstimmig vom Europäischen
Rat mit Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen
werden. Das heißt: Bundestag und Bundesrat können
künftig verhindern, dass in einem Politikfeld von der
Einstimmigkeit im Rat zu Mehrheitsentscheidungen übergegangen
wird und beispielsweise das Familienrecht europäisiert wird,
auch wenn es dazu eine völkerrechtlich verbindliche
Kompetenzzuweisung nicht gibt. Genau diese gelegentlich kritisierte
schleichende Ausweitung von Zuständigkeiten der
Europäischen Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedsstaaten
ist nach dem neuen Vertrag von den nationalen Parlamenten, wenn sie
es denn für nötig halten, zu konterkarieren. Mit anderen
Worten: die nationalen Parlamente werden zum ersten Mal durch den
Vertrag von Lissabon von bisher nur mittelbar Beteiligten, eher
ferneren Zuschauern des Unionsgeschehens zu unmittelbaren, mit
eigenen einklagbaren Mitwirkungsrechten ausgestatteten Akteuren im
EU-Entscheidungsprozess. Oder, etwas salopper formuliert, aus der
Rolle von Beobachtern mit dem Recht auf Zwischenrufe werden
Teilnehmer mit einklagbaren Rechten auf Mitwirkung und
Mitentscheidung. Das ist nun alles andere als eine Lappalie.
Man muss diesen Katalog erweiterter parlamentarischer Mitwirkung
nicht gut finden, und ich weiß, dass es Europäer gibt,
ansonsten anständige Leute, die das eher für einen Irrweg
als für einen Fortschritt halten, und man muss es auch nicht
für ausreichend halten, auch da gibt es den einen oder
anderen, dessen Ehrgeiz über diese Vereinbarungen
hinausreicht. Aber dass dies ein gewaltiger Schritt nach vorne ist,
kann man selbst bei bösem Willen unter Aufrechterhaltung eines
gewissen Maßes an intellektueller Redlichkeit nicht
bestreiten. Deswegen hat der Präsident unseres
Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, wiederum in
einem Vortrag hier an der Humboldt-Universität zu Berlin am
21. Februar vorigen Jahres zu Recht begrüßt, dass der
Vertrag von Lissabon die nationalen Parlamente als zweiten
Legitimationsstrang der Europäischen Union substantiell
stärkt und sie "(…) selbst in den Rang
europäischer Akteure erhebt." Dies liegt auf der Linie einer
früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ich
vorhin indirekt schon einmal angesprochen, aber noch nicht zitiert
habe, nämlich dem berühmten Maastricht-Urteil von 1993.
Damals hat das Bundesverfassungsgericht seine Erwartungen an die
Entwicklung der Demokratie in der Europäischen Union wie folgt
formuliert: "Entscheidend ist, sowohl aus vertraglicher wie aus
verfassungsrechtlicher Sicht, dass die demokratischen Grundlagen
der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und
auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedsstaaten eine
lebendige Demokratie erhalten bleibt." Dieser Anspruch wird vom
Lissaboner Vertrag zweifellos erfüllt, und deswegen kann es
nicht weiter überraschen, dass die Klage mit dem Ziel der
Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Lissaboner Vertrages
im Lichte des Grundgesetzes, im Lichte der eigenen Kriterien des
Bundesverfassungsgerichts scheitern musste.
Damit sind wir bei dem nicht ganz undelikaten Teil der
rechtlichen Bewertung des Lissabon-Vertrages und dem, was das
Bundesverfassungsgericht dazu pflichtgemäß entscheiden
musste, und dem, was es nicht unbedingt hätte hinzufügen
müssen, aber aus welchen Gründen auch immer glaubte,
dringend hinzufügen zu sollen. Das ist nun unter vielerlei
Gesichtspunkten hoch interessant und nach meiner persönlichen
Einschätzung nicht ganz so überzeugend wie der erste
Teil, der sich mit der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des
Lissabon-Vertrages und der Notwendigkeit einer Stärkung auch
und gerade der nationalen Parlamente im Entscheidungsprozess
auseinandersetzt, in diesem Falle: des Bundestages. Diesen Teil des
Urteils finde ich wie fast jeder, insofern ist diese Bemerkung
völlig unoriginell, rundum überzeugend, sowohl was die
Zurückweisung der Klage im Grundsatz als auch was die
eingeforderte Stärkung der Rolle des Parlaments betrifft, bei
der aus einer ohnehin vorhandenen Vereinbarung über
Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem
Parlament nun eine gesetzliche Verpflichtung geworden ist. Dabei
hat sich nicht der Inhalt der Verpflichtungen verändert, wohl
aber in erheblicher Weise ihre rechtliche Relevanz.
Dieser Teil gefällt mir außerordentlich gut, zumal
man, da wird es dem einen oder anderen von Ihnen vielleicht
gelegentlich ähnlich gehen, bei Streitfragen lieber Recht
behält als im Unrecht bleibt. Als wir zu Beginn der letzten
Legislaturperiode Gespräche mit der Bundesregierung
darüber aufgenommen haben, wie wir und die Regierung sich in
Zukunft die Kooperation in europäischen Angelegenheiten
vorstellen, war, etwas vereinfacht formuliert, die dann später
zustande gekommene Vereinbarung der Bundesregierung zu ehrgeizig.
Ich habe damals zu denjenigen gehört, die genau die
gegenteilige Auffassung vertraten, dass der mit dieser informellen
Vereinbarung verbundene Anspruch hinter den Notwendigkeiten
zurückbleibt, die wir im Kontext der ja damals schon
absehbaren, wenn auch nicht in Kraft getretenen neuen Lissaboner
Kompetenzzuweisungen dringend brauchen. Deswegen nutze ich auch die
heutige Gelegenheit gerne, mich beim Bundesverfassungsgericht
insofern ausdrücklich für die Unterstützung zu
bedanken, die es bezüglich dieser Streitfrage
glücklicherweise gegeben hat.
Gleiche Glücksgefühle empfinde ich in dem Teil des
Urteils weniger, der sich mit der Beantwortung von Fragen
beschäftigt, die weit über die beklagten Regelungen des
Lissabon-Vertrages hinausgehen. Nämlich, ob dieser
europäische Integrationsprozess Grenzen habe und wo die
lägen und wann notfalls anstelle parlamentarischer
Entscheidungen Gerichtsentscheidungen den Fortgang Europas zu
bestimmen haben. Das finde ich offengestanden kühn und nach
meinem persönlichen Urteil – ich rede hier
für niemanden als für mich selbst – weder
historisch noch politisch noch juristisch begründet. Und ich
fühle mich natürlich ermutigt durch manche Zwischenrufe,
auch aus der wissenschaftlichen Diskussion, die ebenfalls deutliche
Vorbehalte gegen diesen Teil des Verfassungsgerichtsurteils
angemerkt haben. Mit der besonderen Betonung nationaler
Souveränität, die man durchaus bedeutend finden kann,
auch wenn sie mit Blick auf die realen politischen
Verhältnisse längst nicht mehr existiert, aber als
Denkfigur natürlich wunderschön, beschwört das
Bundesverfassungsgericht ein Kriterium, das in der Literatur immer
wieder, aber im Grundgesetz überhaupt nicht vorkommt. Für
ein oberstes Gericht, das eine Verfassung zu interpretieren hat,
die es gibt, und nicht eine, die man gerne hätte, ist die
Inflationierung eines Kriteriums, das in der Verfassung gar nicht
vorkommt, schon ein vergleichsweise kühner Zugriff. Und die
gleichzeitig besonders kräftigen Fragezeichen an der
Legitimation des Europäischen Parlaments finde ich auch
erstaunlich. Das Europäische Parlament, ich zitiere: "…
ist weder in seiner Zusammensetzung noch im europäischen
Kompetenzgefüge dafür hinreichend gerüstet,
repräsentative und zurechenbare Mehrheitsentscheidungen als
einheitliche politische Leitentscheidungen zu treffen. Es ist
gemessen an staatlichen Demokratieanforderungen nicht
gleichheitsgerecht gewählt und innerhalb des supranationalen
Interessenausgleichs zwischen den Staaten nicht zu
maßgeblichen politischen Leitentscheidungen berufen…".
Eine auch nur andeutungsweise ähnliche In-Fragestellung der
"gleichheitsgerechten Zusammensetzung" des Bundesrates und seiner
"maßgeblichen" Beteiligung an "politischen
Leitentscheidungen" ist mir in Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichtes bislang nicht erinnerlich.
Ich möchte gerne - weil wir hier natürlich eine offene
Wunde, manche sagen, eine Zeitbombe ticken haben - darauf
hinweisen, dass die nach meinem Empfinden weitestreichende
Abtretung nationaler Souveränitätsrechte, die es in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland je gegeben hat, schon
vier Jahre vor den Römischen Verträgen und damit vor
Begründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit
dem EVG-Vertrag stattgefunden hat: mit dem Vertrag einer
Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die schon gar nach dem
damaligen Selbstverständnis europäischer Nationalstaaten
eine geradezu unglaubliche Bereitschaft der Abtretung von
nationalen Kernsouveränitätsrechten zum Gegenstand hatte,
nämlich dem Verzicht auf eigene Strukturen nationaler
Sicherheit zu Gunsten einer zunächst bilateralen, aber wie der
Vertragstitel schon deutlich macht, von der Intention her
europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Dieser Vertrag ist im
Deutschen Bundestag mit den, wie sich später herausstellen
sollte, traditionellen hohen Mehrheiten ratifiziert worden. Er ist
auch nicht vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, sondern in
der Assembleé Nationale, weil aus Gründen, die sich gut
nachvollziehen lassen, die Neigung zu einer solchen Form von
Supranationalität aus naheliegenden Gründen in
Deutschland um Längen ausgeprägter war als in Frankreich
zum damaligen Zeitpunkt.
Seit dieser Zeit sind alle wesentlichen
Integrationsentscheidungen, alle Integrationsfortschritte, alle
Reformverträge, die den Weg von der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft über die Europäische Gemeinschaft
zur Europäischen Union kennzeichnen, mit überragenden
Mehrheiten im Deutschen Bundestag nahezu unabhängig von der
jeweiligen Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition
getroffen worden. Mir fehlt, wie Christoph Möllers, ein
bisschen die Fantasie, vielleicht auch das Verständnis
für die Vermutung, was bei einer ganz offenkundigen,
unmissverständlichen, eindeutigen demokratischen Legitimation
dieses Prozesses die Frage soll, ob von einem bestimmten politisch
gewollten und mit hohen Mehrheiten demokratisch beschlossenen
Integrationsprozess an Gerichte deren Zulässigkeit prüfen
und notfalls anhalten können.
Die Wahrnehmung dessen, was in Zeiten der Globalisierung der
Nationalstaaten an Souveränität verblieben ist, liegt bei
den Parlamenten. In Deutschland mehr als irgendwo sonst beim
Bundestag. Er entscheidet, ob überhaupt und wo und in welchem
Umfang die Bundesrepublik Deutschland nationale Kompetenzen an die
Europäische Gemeinschaft oder an internationale Organisationen
zu übertragen bereit ist. Nicht die Gerichte. Sie sind weder
für Politik zuständig noch für Gesetzgebung. Sie
legen die Gesetze im Lichte unserer Verfassung aus. Nicht weniger,
aber auch nicht mehr. Deshalb fühle ich mich durch die
Hinweise des Bundesverfassungsgerichts bezüglich
möglicher weiterer Integrationsschritte weder in meinem
Urteilsvermögen beeinträchtigt noch in meinem politischen
Mandat. Und ich habe die begründete Erwartung, dass
künftige neu zusammengesetzte Parlamente das für sich mit
gleicher Selbstverständlichkeit reklamieren wie ich das
für mich und für diesen Bundestag tue.
Meine Damen und Herren, nachdem vorhin Willy Brandt mit einem
den europäischen Integrationsprozess wunderschön
charakterisierenden Satz zitiert worden ist, darf Konrad Adenauer
zum Schluss nicht fehlen. Er hat sich weniger mit Elefanten
beschäftigt, obwohl der Parlamentarische Rat, dessen
Vorsitzender er war, bekanntlich im Museum König unter
Giraffen getagt hat. "Am Anfang", hat Konrad Adenauer gesagt, und
mit Anfang meinte er den Anfang, noch vor Gründung der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, noch vor Verabschiedung
der Römischen Verträge: "… am Anfang war Europa
ein Traum von wenigen. Dann wurde es eine Hoffnung für viele.
Inzwischen ist es eine Notwendigkeit für alle." Die Einsicht
in diese Notwendigkeit erklärt den erstaunlichen Prozess der
europäischen Entwicklung der letzten 50 Jahre sowohl unter
quantitativen wie unter qualitativen Gesichtspunkten. Sie
erklärt, warum sich dieser Gemeinschaft von zunächst
ganzen sechs Mitgliedsstaaten immer mehr Länder
anschließen wollten und angeschlossen haben: Neun, dann
zwölf, dann fünfzehn, dann fünfundzwanzig, dann
siebenundzwanzig. Und wir wissen alle, dass der Prozess damit noch
nicht zum Abschluss gekommen ist. Es gibt Anlass darauf
hinzuweisen, dass ein ganz besonders spannender Teil dieser
Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit in den 90er Jahren
stattgefunden hat, nach den großen revolutionären
Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa, in deren Zusammenhang auch
die Wiederherstellung der deutschen Einheit möglich wurde.
Denn damals ging es um die bis heute nicht gänzlich
entschiedene Frage, ob eigentlich die Vertiefung der Zusammenarbeit
in der Europäischen Gemeinschaft in den damaligen
fünfzehn Mitgliedsstaaten oder die Erweiterung dieser
Gemeinschaft um die Länder, die jahrzehntelang auf Grund der
gegebenen politischen Verhältnisse an der Mitgliedschaft
gehindert waren, Vorrang haben müssen. Ich glaube, man tritt
niemanden zu nahe, wenn man heute mit vielleicht noch nicht
hinreichendem zeitlichen Abstand sagt: Damals ist mit beachtlichen
Gründen der Erweiterung Vorrang vor der Vertiefung
eingeräumt worden. Ob das alternativlos war, darüber
werden sich noch ganze Generationen von Historikern streiten, was
für die Nachbesetzung freiwerdender Lehrstühle zu den
schönsten Hoffnungen berechtigt. Vielleicht wären auch
die umgekehrten Kollateralschäden viel ärger als die, die
mit dieser Prioritätsentscheidung verbunden waren. Aber ich
weise auf diesen Zielkonflikt hin, weil jedenfalls eine der immer
wieder vorgetragenen Begründungen des großen
Europäers Helmut Kohl, warum die Erweiterung Vorrang haben
müsse vor der Vertiefung, sich im Lichte der weiteren
Erfahrungen nicht bestätigt hat: die Erweiterung werde die
Vertiefung erzwingen, die im Kreis von fünfzehn
Mitgliedsstaaten nicht zu vereinbaren war.
Auch die Freude über den 1. Dezember 2009 mit dem
Inkrafttreten eines Vertrages, von dem manche befürchtet und
einige wenige gehofft haben, dass er nie in Kraft treten
würde, darf den Blick nicht trüben, dass wir
natürlich und unvermeidlicherweise in den vergangenen Jahren
die Erfahrung gemacht haben, dass schon gar unter den Bedingungen
des Einstimmigkeitsprinzips Fortschritte unter siebenundzwanzig
Beteiligten nicht leichter sein können als unter fünfzehn
oder zwölf. Aber Europa muss auch nach Lissabon die Frage
beantworten, welche Gemeinschaft über das Konzept eines
großen Wirtschaftsraumes hinaus, welche Vorstellung einer
politischen Union es tatsächlich realisieren will. Wenn ich
mich entscheiden müsste zwischen einem Europa von weniger
Staaten, die eng zusammenarbeiten und möglichst vielen, die
mal eben so, wie es der jeweiligen Interessenlage entspricht,
zusammenarbeiten oder auch nicht, zögere ich keinen
Augenblick, mich für die erste Alternative zu entscheiden. Und
ich beziehe diese Position in der festen Überzeugung, dass
sich hier nicht eine verselbstständigte europäische
Begeisterung austobt, sondern dass ich damit die Interessen
verfolge, die ich als Deutscher in ähnlicher Weise in Zukunft
gerne wahrnehmen möchte, wie das Franzosen tun und Briten und
Polen und Portugiesen und Balten und Niederländer und wer auch
immer in dieser Gemeinschaft.
Vielleicht ist der Hinweis nützlich, dass die
Europäische Gemeinschaft zu Zeiten ihrer Gründung mit
ihrer damaligen Bevölkerung etwa ein Viertel der
Weltbevölkerung ausmachte. 50 Jahre danach ist Europa
wesentlich größer geworden, und der Anteil an der
Weltbevölkerung hat sich halbiert. Der statistische Anteil ist
um so kleiner geworden, je größer die Gemeinschaft
geworden ist. Und selbst das größte Mitgliedsland der
Gemeinschaft, Deutschland, spielt als Nationalstaat in Zeiten der
Globalisierung keine wirklich entscheidende Rolle. Das mag eine
leichte Übertreibung eines im Kern, wie ich fest
überzeugt bin, zutreffenden Sachverhaltes sein. Und wenn diese
Beobachtung für Deutschland richtig ist, dann beantwortet sich
die Frage für die anderen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Gemeinschaft in einer übersichtlichen Form
in ähnlicher Weise.
Wenn der Integrationsprozess Europas nicht vorankommt, nicht
weiter vorankommt, weil uns der Mut verlassen hat, weil uns die
falsche Einschätzung der eigenen Interessen und die
Unterschätzung der Notwendigkeit, diese Interessen zu
bündeln, um sie überhaupt wahrnehmen zu können,
daran hindert, weiter ins 21. Jahrhundert nach vorne zu
marschieren, statt jeweils einzeln zurück ins 19. Jahrhundert,
dann hat Europa seine Zukunft hinter sich. Und jeder einzelne Staat
ganz gewiss. Es wäre die mutlose und zugleich
übermütige Wiederherstellung eines Zustandes, den dieser
Kontinent mit Beginn des Baus der Gemeinschaft hinter sich lassen
wollte: Die Rivalität von Nationalstaaten, deren Ehrgeiz
größer ist als ihre Möglichkeiten. Wir brauchen
aber ein Europa, dessen Möglichkeiten über den Ehrgeiz
seiner Mitgliedsstaaten hinausreicht - ein Europa selbstbewusster
Bürger.