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Soll die Freiheit im Internet grenzenlos sein? Oder muss der Staat Rahmenbedingungen für die Nutzung des World Wide Web setzen? Und wenn ja, wie sollen diese aussehen? Nicht zuletzt der Streit über die im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen geplanten Netzsperren hat deutlich gemacht: Es besteht Diskussions- und Handlungsbedarf im Bereich Internet, auch um eine digitale Kluft in der Gesellschaft zu verhindern. Im internationalen Vergleich nämlich verfügt die deutsche Bevölkerung noch nicht über ausreichende Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien und Medien. Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen internationalen Delphistudie zur Zukunft von IT, Telekommunikation und Medien, die Ende des vergangenen Jahres vorgestellt wurde.
Nun will der Bundestag in dieser Frage aktiv werden. CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben einen interfraktionellen Antrag ( 17/950) mit dem Ziel vorgelegt, eine Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" einzusetzen. Am Donnerstag, 4. März 2010, soll nach einer einstündigen Debatte ab 13 Uhr über den Antrag abgestimmt werden.
Das Internet, so heißt es in dem Antrag, ist das "freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunikationsforum der Welt" und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemeinschaft bei. Die Nutzung dieser Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten gehöre längst zum Alltag der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Deutschland. Nun sei eine erneute Veränderung festzustellen: Das Internet sei nicht länger nur eine technische Plattform, sondern entwickle sich zu einem integralen Bestandteil des Lebens vieler Menschen. Gesellschaftliche Veränderungen fänden maßgeblich im und mit dem Internet statt. Angesichts dieser Entwicklungen komme dem Staat die Aufgabe zu, das Internet als freiheitliches Medium zu schützen, heißt es weiter.
Festgestellt wird jedoch auch, dass nicht alle die Chancen der digitalen Gesellschaft gleichermaßen wahrnehmen könnten. Menschen ohne die Möglichkeit und Fähigkeit zur Teilnahme bekämen zunehmend Probleme, schreiben die Fraktionen. Aufgabe von Politik und Gesellschaft sei es, einer digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegenzutreten.
Ziel der Kommission soll es daher sein, politische Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die der weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen der Informationsgesellschaft in Deutschland dienen. Die Enquete-Kommission soll auf Basis ihrer Untersuchungsergebnisse den staatlichen Handlungsbedarf, national und international, benennen.
Zusammensetzen soll sich die Kommission aus 17 Mitglieder des Bundestages und 17 Sachverständigen. Bis zur parlamentarischen Sommerpause 2012 sollen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorgelegt werden, damit noch in der laufenden 17. Legislaturperiode erste Umsetzungsschritte erfolgen können.
Die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, teilten in einer Stellungnahme mit, dass die Entfaltung der Freiheitsrechte, im besonderem Maße des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, im digitalen Zeitalter gewahrt und ihre Durchsetzbarkeit gesichert werden müssten. Die Enquete-Kommission solle sich mit den soziologischen und politischen Auswirkungen dieser Veränderungen befassen.
Obwohl ursprünglich als Koalitionsantrag geplant - in dem von 13 Abgeordneten und 13 Experten die Rede war - sind nun Sozialdemokraten und Grüne auch als Antragsteller aufgeführt. Unter anderem mit der Folge, dass sich die Zahl der Mitglieder auf jeweils 17 erhöht hat.
Dem Parlament liegt ein Änderungsantrag der Linksfraktion ( 17/951) vor, der darauf abzielt, den Auftrag der Kommission auf die Auswirkungen des Internets auf die Arbeitswelt zu erweitern und Veränderungen von Produktion und Dienstleistungen, kollaboratorisches Arbeiten im Netz sowie "Arbeitswelt und soziale Standards in der Informationsgesellschaft" in den Auftrag mit aufzunehmen.
Aus Sicht der Grünen kann die Kommission zu einem wichtigen Ort der Debatte werden, an dem entscheidende Vorbereitungen für das digitale Zeitalter getroffen werden. Es sei bitter nötig, Korrekturen an der bisher verfehlten Netzpolitik vorzunehmen, die mit heimlicher Onlinedurchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Internetsperren und Bevormundung von Internetnutzerinnen und -nutzern zu lange die Reglementierung und Überwachung des Netzes in den Vordergrund gestellt habe, sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz.
Medienkompetenz werde immer wichtiger, betont der SPD-Parlamentarier Martin Dörmann. Um mit dem Internet gut umgehen und die vielen neuen Möglichkeiten nutzen zu können, aber auch die Gefahren zu kennen und zu meiden, bedürfe es eines kompetenten Umgangs mit dem Internet. Hier bestehe enormer Nachholbedarf. Die Kommission müsse sich daher unbedingt mit dem Thema befassen, sagt Dörmann.
Enttäuscht darüber, nicht bei der Erstellung des Antrages beteiligt worden zu sein, zeigt sich die Linksfraktion. "Wir haben unsere Themen den anderen Fraktionen mitgeteilt", sagt die Linken-Abgeordnete Petra Sitte. Die Themen seien jedoch nicht berücksichtigt worden. Gleichwohl sei auch die Linksfraktion an der Einsetzung der Enquete-Kommission interessiert.
Die Netzgemeinde beobachtet die Entwicklung mit Interesse aber auch einer gehörigen Portion Skepsis. Während auf der einen Seite gehofft wird, dass auf diesem Weg die Netzpolitik mehr Aufmerksamkeit erhält, sprechen andere von "Symbolpolitik", mit der Kritiker besänftigt werden sollen. Gespannt erwartet wird, welche Sachverständigen berufen werden. Ob schlussendlich das Interesse die Skepsis überwiegen wird, hängt von der Arbeit der Kommission in den nächsten zwei Jahren ab.