Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2010 > Aktuelle Stunde Haushaltskonsilidierung
Konzept- und Orientierungslosigkeit in der Haushaltspolitik hat die Opposition der Koalition am Donnerstag, 20. Mai 2010, in einer Aktuellen Stunde vorgeworfen. Die verteidigte ihre Strategie der Haushaltskonsolidierung und kündigte konkrete Sparvorschläge an, sobald der Regierungsentwurf für den Haushalt 2011 vorliege.
Die Aktuelle Stunde fand auf Verlangen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen statt. Sie nahmen ein Interview des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), in dem dieser vorgeschlagen hatte, in den Bereichen Bildung und Kinderbetreuung zu sparen, zum Anlass, die Koalition nach ihren Vorstellungen in diesen Bereichen zu fragen.
Steffen Bockhahn betonte für die Linksfraktion, wer an der Bildung spare, der "würgt sich die Zukunft ab". In Krisenzeiten dürften die Bürger ein Konzept von der Regierung erwarten; ein solches gebe diese aber nicht. Stattdessen habe man mit der Steuersenkung für Hoteliers auf Einnahmen verzichtet und leiste sich mit Investitionen für die Atomenergie und die Rüstung ein Vorgehen, das "nicht zukunftsweisend" sei.
Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Renate Künast, sagte, Kanzlerin Merkel habe die Bildung einst zur Chefsache gemacht. Man müsse sich angesichts der Sparvorschläge Roland Kochs nun fragen, ob Merkel sich "am Nasenring durch die Republik" führen lasse oder ob die Bundesregierung die Haushaltspolitik vorgebe.
Künast erneuerte die Forderung der Grünen nach einem Bildungssoli, der sich auch die SPD-Bildungspolitikerin Dagmar Ziegler anschloss. Ein solcher Soli könne durch Steueraufschläge für sehr hohe Einkommen finanziert werden. Die Bereiche Bildung und Familie jedoch zuerst zu nennen, wenn es um Einsparpotenziale ginge, sei "nicht hinnehmbar".
Der hessische Ministerpräsident sei ein "bildungspolitischer Intensivtäter" und man erwarte, dass sowohl die Kanzlerin als auch die Bildungs- und Familienministerin sich deutlich zu seinen Vorschlägen artikulierten.
Klaus Hagemann (SPD) sagte, nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen sei der Streit innerhalb der Koalition offen zutage getreten, "die Kakophonie in der Union" sei groß. Auch Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es kämen aus der Koaliton "jede Menge Sparvorschläge", die "einander diametral widersprechen" würden.
So streite man etwa um mögliche Steuererhöhungen wie auch eine Pkw-Maut. Für Kanzlerin Merkel sei Bildung kein Schwerpunkt mehr, sie müsse sich nun sagen lassen: "Wer nicht führt, wird vorgeführt." Es sei nötig, die Zahl der gut ausgebildeten jungen Menschen zu steigern und mehr Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, alles andere sei ein "Angriff auf die Zukunftsfähigkeit des Landes".
Für mehr Bildungsausgaben sei es möglich, Schulden zu machen, so die Finanzexpertin der Linken, Dr. Barbara Höll. Zudem könnten diese nötigen Investitionen über eine Erhöhung der Körperschaftsteuer, die Einführung der Tobin-Steuer und Reformen der Erbschaftsteuer finanziert werden.
Vertreter der Koalition wiesen die Kritik der Opposition zurück. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), betonte, es sei "kein leichter Weg", zur Einhaltung der Schuldenregeln und den Vorgaben des Maastrichter Vertrags zurückzukehren - aber unumgänglich. Die Welt schaue auf die Bundesrepublik als das wirtschaftlich stärkste Land der EU.
Nur "wer selbst Vorbild" sei, könne von anderen Staaten Disziplin in Sachen Haushaltskonsolidierung verlangen. Deutschland dürfe ab 2011 die Politik eines schuldenfinanzierten Wachstums nicht fortsetzen. Das gebiete auch die Generationengerechtigkeit.
Kampeters Fraktionskollege Dr. Michael Luther (CDU/CSU) sagte, es sei normal, dass derzeit "manche gute" und einige "nicht so gute Vorschläge" zur Haushaltskonsolidierung gemacht würden; ein Gesamtkonzept werde erst mit dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung vorgelegt und dann im Parlament beraten werden.
Für den Liberalen Jürgen Koppelin geht es derzeit darum herauszufinden, wo effizient und vernünftig gekürzt werden kann. Er sei der Überzeugung, der Staat habe "Geld genug, er geht zum Teil nicht vernünftig damit um". Florian Toncar (FDP) warf der Opposition vor, die Aktuelle Stunde gehöre zu den "üblichen routinierten Auseinandersetzungen", in der es um kleine "politische Geländegewinne" gehe, obwohl man in dieser Woche anderes erwarten könne.
Den Vorschlag, die Bildungspolitik herauszugreifen, wenn es ums Sparen gehe, hält er "nicht für sinnvoll". Toncar forderte die Fraktionen auf, das Thema "redlicher" zu diskutieren.