Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > > Der 2. Deutsche Bundestag (1953-1957)
Die Bundestagswahl am 27. September 2009 folgte auf ein Jubiläum: Vor 60 Jahren, am 7. September 1949, trat die Volksvertretung in der provisorischen Hauptstadt Bonn zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Anlass für einen Rückblick auf 16 Wahlperioden, auf Meilensteine, Wendemarken, Personen und Entscheidungen.
In den ersten Legislaturperioden steht
die junge Republik vor einer Fülle von Herausforderungen. Sie
muss Industrieanlagen und Institutionen der staatlichen Verwaltung,
der Justiz sowie des Finanzwesens quasi aus dem Boden stampfen. Die
Wirtschaft muss in Gang gesetzt, die Arbeitslosigkeit gesenkt
werden. Und vor allem muss der Deutsche Bundestag auf die
internationale Bühne zurückkehren.
Am 6. September 1953 treten die wahlberechtigten Deutschen den Weg zur Urne an. Die Wahlbeteiligung liegt bei 86 Prozent. Mit einem Stimmenzuwachs von 31,0 auf 45,2 Prozent wird die CDU/CSU abermals stärkste Fraktion. Vier weitere Fraktionen ziehen in den zweiten Deutschen Bundestag ein: SPD (28,8 Prozent Stimmenanteil), FDP (9,5), Deutsche Partei (DP) (4,0) sowie der Gesamtdeutsche Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE).
Es wird eine Koalition aus vier Parteien gebildet: Union, FDP, DP,
GB/BHE. Doch die Fraktion GB/BHE spaltet sich 1955 und scheidet aus
der Koalition aus. Der Frauenanteil unter den Parlamentariern liegt
bei knapp zehn Prozent. Mit der 1953 und 1956 per Wahlgesetz
verschärften Sperrklausel zieht der Bundestag die Konsequenz
aus der Instabilität des Weimarer Reichstags.
Im "Weißen Haus am Rhein" verabschieden die Abgeordneten Gesetze und treffen politische Entscheidungen, die für die Zukunft Deutschlands von grundlegender Bedeutung sind. Schwerpunkte der Gesetzgebung sind die Bewältigung der Soziallasten und Kriegsfolgen sowie der Aufbau einer neuen sozial- und rechtsstaatlichen Ordnung. 1.052 Gesetzentwürfe werden allein in den ersten beiden Wahlperioden beschlossen.
Dazu gehören auch die Gesetze zur
Rentenreform aus dem Jahre 1957, die das bis heute gültige
Rentensystem mit der dynamischen Rente einführen. Diese sieht
eine laufende Anpassung der Renten an die Einkommensentwicklung
vor. Außerdem werden Versorgungs- und
Entschädigungsgesetze für die Opfer der Naziherrschaft
verabschiedet.
Im Jahr 1955 ratifiziert der Bundestag die "Pariser Verträge“ und damit den Nato-Beitritt Deutschlands. Am 5. Mai 1955, dem Tag des Inkrafttretens der Verträge, erlangt die Bundesrepublik ihre Souveränität. Die DDR dagegen wird Schritt für Schritt in den von der Sowjetunion beherrschten Ostblock eingebunden. 1955 tritt sie dem Warschauer Pakt bei.
Mit den Stimmen der Opposition verabschiedet der Bundestag am 6.
März 1956 diverse Grundgesetzänderungen, um eine
Bundeswehr zu schaffen. Das Parlament und sein
Verteidigungsausschuss erhalten mehr Mitspracherechte und besondere
Kontrollfunktionen – nicht zuletzt durch die Schaffung des
Amtes eines Wehrbeauftragten. Ein Jahr darauf werden mit den
"Römischen Verträgen“ die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische
Atomgemeinschaft (Euratom) begründet.
Marie Elisabeth Lüders (FDP) eröffnet als Alterspräsidentin den zweiten Deutschen Bundestag. Sie gehört zu den bedeutendsten Sozialpolitikerinnen und wichtigsten Vertreterinnen der Frauenbewegung in Deutschland. Zum zweiten Mal wird Konrad Adenauer (CDU) zum Bundeskanzler gewählt.
Seit 1950 amtiert Hermann Ehlers (CDU) als
Bundestagspräsident. In der Nazi-Zeit war er wegen seiner
Mitgliedschaft bei der Bekennenden Kirche vorübergehend
inhaftiert. Nach seinem plötzlichen Tod im Jahr 1954 wird
Eugen Gerstenmaier (CDU) zu seinem Nachfolger. Auch er war
entschiedener Gegner der Nationalsozialisten und nach dem Attentat
vom 20. Juli 1944 verhaftet worden.