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Foto: Menschen klettern über die Berliner Mauer. © Jürgen Böttcher
Strawalde
Jürgen Böttcher, der sich als Maler Strawalde nennt, ist
einer der bedeutendsten oppositionellen Maler aus der DDR. Er
versammelte in Dresden einen privaten Kreis von Künstlern um
sich, die von den DDR-Behörden verfolgt und an Ausstellungen
ihrer Arbeiten gehindert wurden. Von seinen frühen Vorbildern,
Picasso und den Alten Meistern, hat sich Strawalde bald gelöst
und einen eigenwilligen, innerlichen und verträumten Stil
entwickelt. So lotet er die Ausdrucksmöglichkeiten einer
allein aus der Farbe und ihrem reliefartigen Auftrag
schöpfenden Malerei aus, um sich im nächsten Anlauf der
freien Linearität gestischer Zeichnung zu widmen - scheinbar
paradoxe Ansätze, die sich aber nicht selten in einem
Gemälde überlagern. Strawalde treibt die Paradoxien auf
die Spitze, wenn er mit „freien Zeichen“
Gegenständliches oder Figürliches abbildet, wie in den
anspielungsreich „Anna Chron“ genannten Frauenbildern.
In ihnen lassen sich Urbilder des Weiblichen erkennen, die an
Ikonen, Renaissancebilder oder expressionistische Frauenmotive
erinnern. In der Ausstellung im Kunst-Raum des
Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses ist ihnen ein eigener Raum
gewidmet.
Jürgen Böttcher
Strawalde erweist sich als eine der seltenen Doppelbegabungen im
künstlerischen Bereich, denn er wirkt auch als Regisseur und
Dokumentarfilmer wegweisend. Auch als Filmemacher geriet er in
Konflikt mit den Zensoren in der DDR. Viele seiner Filme wurden
verboten, manche noch vor ihrer Aufführung vernichtet. Der
Lust des Malers am Furor von Farbe und Zeichnung steht die
nüchtern-präzise Beobachtungsgabe eines bedeutenden
Dokumentarfilmers gegenüber. So zeichnet sich die Dramaturgie
seiner Filme durch eine geradezu asketische Zurückhaltung
gegenüber den dokumentierten Lebensrealitäten aus: Meist
in Schwarz-Weiß gehalten, geben die Filme in langen sensiblen
Einstellungen unverfälscht die harte Lebens- und Arbeitswelt
einfacher Menschen („Ofenbauer“ 1962,
„Wäscherinnen“ 1972) wieder oder reflektieren in
meditativen Bild-Ton-Collagen politische Geschichte („Die
Mauer“ 1990).
Aber Jürgen Böttcher wäre nicht Strawalde, wenn es in diesem Filmoeuvre nicht auch verspielte Experimentalfilme geben würde, die Malerei und Film genialisch vereinen: „Potters Stier“, „Venus nach Giorgione“ und „Frau am Klavichord“ führen im Prozess von Kunstpostkartenübermalungen das freie Spiel von Farbe und Formen vor Augen. Im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages werden diese Filme mit den Originalen, den übermalten Kunstpostkarten, zu sehen sein.
Strawalde - Gemälde, Filme und Videos 15. März bis 14. Mai 2006 Kunst-Raum im Deutschen Bundestag Marie-Elisabeth-Lüders-Haus Schiffbauerdamm, 10117 Berlin Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr Zugang über die Spree-Uferpromenade gegenüber dem Reichstagsgebäude |
Herausgeber: Deutscher Bundestag Sekretariat des Kunstbeirates Platz der Republik 1 11011 Berlin Text: Andreas Kaernbach Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages Telefon: 030/ 227-39382 |